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Fünf Fakten zu Zschäpes Anwälten

 

Anja Sturm, Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer (© Tobias Hase/dpa)
Anja Sturm, Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer (© Tobias Hase/dpa)

Sie heißen Sturm, Heer und Stahl und fahren eine knallharte Verteidigungsstrategie für die Hauptangeklagte im NSU-Prozess. Mit ihren Anträgen schafften sie es bereits, die Verhandlung um einige Tage zu verschieben. Am Dienstag geht es in München weiter. Höchste Zeit also für ein paar Fakten über Beate Zschäpes Anwälte.

Warum hat Beate Zschäpe drei Anwälte?

Für ein Gerichtsverfahren dieser Größenordnung ist das völlig normal. Auch die Bundesanwaltschaft ist als Ankläger mit vier Staats- beziehungsweise Bundesanwälten in München vertreten. Schließlich umfassen die Akten zum Verfahren mehr als 600 Ordner, die es akribisch durchzuarbeiten gilt. Der NSU-Prozess findet an drei Tagen in der Woche statt, er wird mindestens zwei Jahre dauern. Das ist für einen Anwalt allein praktisch kaum zu schaffen. „Gibt es nur einen Verteidiger und fällt dieser wegen Krankheit oder aus anderen Gründen aus, dann platzt der gesamte Prozess“, sagt Zschäpes Anwalt Wolfgang Stahl ZEIT ONLINE. Zudem haben die drei Anwälte noch andere Mandanten, die sie parallel betreuen müssen.

Wie kam Zschäpe zu ihren Anwälten?

Zschäpe konnte selbst auswählen, wer sie vertritt. Als sie sich am 8. November 2011 nach viertägiger Flucht der Polizei stellte, war sie bereits in Begleitung eines Anwalts, den sie kurz zuvor in Jena beauftragt hatte. Der wollte das Mandat aber nicht fortführen. Über seine Empfehlung kam Zschäpe letztlich zum Kölner Rechtsanwalt Wolfgang Heer. Der wiederum bat den Koblenzer Strafverteidiger Wolfgang Stahl um Unterstützung. Im August 2012 verstärkte sich das Verteidigerteam um die Berliner Juristin Anja Sturm. Sie kennt den umstrittenen und als unberechenbar geltenden Vorsitzenden Richter Manfred Götzl schon aus einem großen Islamistenprozess in München. Dass die Namen der drei Anwälte im Zusammenklang so martialisch wirken, ist also Zufall und Ironie des Lebens.

Warum übernimmt jemand die Verteidigung eines mutmaßlichen Terroristen?

Anders als die Anwältin des Mitangeklagten Ralf Wohlleben stehen die drei Rechtsbeistände von Beate Zschäpe nicht im Verdacht, mit der rechtsextremen Szene zu sympathisieren. „In einem Rechtsstaat steht jedem eine ordnungsgemäße Verteidigung vor Gericht zu, egal welches schwere Verbrechen ihm oder ihr vorgeworfen wird“, sagt Zschäpe-Anwalt Stahl über seine Beweggründe: „Für jeden Angeklagten in Deutschland gilt die Unschuldsvermutung. Wir sind dazu da, immer wieder daran zu erinnern und Frau Zschäpe einen fairen Prozess zu ermöglichen. Die Indizien, die gegen sie vorliegen, sind äußert zweifelhaft, Beweise gibt es nicht.“

Ein solch öffentlichkeitswirksamer Prozess ist für die drei ambitionierten und noch recht jungen Anwälte aber natürlich auch eine Möglichkeit, zu Berühmtheit zu gelangen und die eigene Kanzlei für weitere große Strafverfahren zu empfehlen. Es gibt Anwälte, die sich regelrecht darauf spezialisiert haben, Terrorangeklagte zu verteidigen. Sturm, Heer und Stahl zählten bislang nicht dazu.

Wie werden die Anwälte bezahlt?

Das Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) regelt, was Verteidiger verdienen. Demnach erhält ein Pflichtverteidiger 132 Euro für die Vorbereitung  auf einen Verhandlungstag, für den Gerichtstag selbst dann 112 Euro. Laut Paragraph 42 kann das Gericht in Fällen, in denen Anwälten besonderer Aufwand entsteht, eine Zusatzpauschale zur normalen Gebührentabelle festlegen. Diese liegt in etwa zwischen 600 Euro und 2.500 Euro pro Anwalt und Verhandlungstag. Heer, Stahl und Sturm sind Pflichtverteidiger. Das bedeutet, dass nicht Zschäpe, sondern erst einmal der Staat die Anwaltskosten übernimmt. Bei einer Verurteilung kann der Staat das Geld von Zschäpe zurückfordern. In größeren Strafverfahren steht jedem Angeklagten mindestens ein professioneller Rechtsbeistand zu, Angeklagte dürfen sich ohne entsprechende Ausbildung gar nicht selbst verteidigen.

Gelten für Zschäpes Anwälte die gleichen Rechte wie für andere Prozessbeteiligte?

Ja. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass pauschale Verdächtigungen gegen Verteidiger verboten sind. Zschäpes Anwälte wehren sich daher dagegen, dass sie und auch die Rechtsvertreter der Nebenkläger vor dem Beginn jeder Verhandlung durchsucht werden, Richter und Justizbeamte aber nicht. Ihr Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Götzl wurde allerdings abgelehnt. Nach Angaben von Anwalt Stahl ist die Durchsuchung von Anwälten aber kein möglicher Revisionsgrund – also Grund für die Verteidigung, das Urteil wegen formeller Fehler zu beanstanden. Einen lesenswerten Gastbeitrag zum Thema „Rechte der Verteidiger“ gibt es hier.