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Zschäpe, die Siegerin – Das Medienlog vom Dienstag, 7. Januar 2014

 

Der Tod von zehn Menschen war die eine, die direkte Folge der NSU-Taten. Doch die Terrorgruppe hat weit mehr angerichtet: Sie hat einen Staat bloßgestellt. Die deutschen Sicherheitsbehörden und Ermittler sind blamiert, weil sie den rechtsextremen Machenschaften nichts entgegenzusetzen hatten. Das weiß auch Beate Zschäpe – und feiert beim Prozess in München ihren Triumph über den Rechtsstaat, wie Hannelore Crolly in der Welt kommentiert. Zwar werde die Angeklagte wohl zu einer Haftstrafe verurteilt – „aus dem Prozess in München wird sie dennoch als Siegerin hervorgehen, und mit ihr die rechtsextreme Gesinnung“.

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Problematisch sei, dass das Gericht nur im Rahmen des Strafgesetzbuchs Aufklärung leisten könne und keine tief gehende Rassismus-Debatte angestoßen habe: „Für die große Aufräumarbeit wurde neben dem Untersuchungsausschuss des Bundestages die Justiz benannt. Sie ist mit der Aufgabe, für Heilung zu sorgen, aber völlig ungeeignet.“ Der Gerichtssaal werde zu Zschäpes Bühne, auf der nur wenig mehr Erkenntnisse gewonnen würden als ohnehin aus den Akten bekannt. Die rechte Szene habe wenig zu befürchten, im Gegenteil: Zschäpe wirke durch den Prozess als „eine Märtyrerin, die ihre Kameraden nicht verpfiffen hat. Das wird man ihr nicht vergessen“.

Mit Zschäpes Persönlichkeit beschäftigt sich Karin Truscheit in der FAZ. Von ihrem Charakter als Erwachsene seien in der Verhandlung Bruchstücke zutage gefördert worden, ihre Kindheit sei jedoch im Dunkeln geblieben. Zeugenaussagen skizzierten die Hauptangeklagte „als eine willens- und kommunikationsstarke Frau, auch gewaltbereit, die das soziale Leben der Drei mit einer Findigkeit organisierte, wie es die Männer wahrscheinlich nie hinbekommen hätten“. Das Fazit: Immer deutlicher werde die Beschreibung Zschäpes bestätigt, die auch die Bundesanwaltschaft in der Anklageschrift formuliert hatte. Die große Frage im Prozess laute nun, wie sich Zschäpe und ihre Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zu gewaltbereiten Extremisten entwickeln konnten. „Die Hoffnung, doch Antworten zu finden, ist einer der Gründe für das anhaltende Interesse der Öffentlichkeit“, schreibt Truscheit.

Keine Berichte in englischsprachigen Onlinemedien.

Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 8. Januar 2014.