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Die gefährlichste Aussage für Zschäpe – Das Medienlog vom Donnerstag, 16. Januar 2014

 

Nach etlichen Verhandlungstagen hat das Gericht den Komplex der Brandstiftung in Zwickau mit einem Gutachten abgeschlossen. Der Bericht des Brandsachverständigen Christian Setzensack dürfte die bislang gefährlichste Aussage für die Hauptangeklagte gewesen sein – der Gutachter stellte zwei wesentliche Dinge fest: Der Brand am 4. November 2011 wurde gelegt und er gefährdete Menschenleben. Laut Anklage ist Beate Zschäpe verantwortlich, sie soll den Tod einer alten Frau und zweier Handwerker riskiert und sich damit des versuchten Mordes schuldig gemacht haben. Dass sie die Täterin war, „dürfte mittlerweile außer Frage stehen“, schreibt Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online.

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Setzensack habe den Brand sehr anschaulich geschildert, resümiert Friedrichsen. Der Täter habe demnach eine Lunte aus Benzin zur Wohnungstür gelegt und diese angezündet. Später wurden bei Zschäpe mehrere Feuerzeuge gefunden. Dass Menschen wegen des Brands in Gefahr waren, steht für Setzensack außer Frage: „Wenn jemand die Außenwand auf den Kopf bekommen hätte oder auch nur einen Brocken davon, dann wäre das vermutlich tödlich gewesen“, wird er zitiert. Zudem entstanden durch das Feuer giftige Rauchgase: „Ein paar Atemzüge, dann sind Sie bewusstlos – ein, zwei Minuten, dann sind Sie tot„, sagte der Gutachter laut dpa.

 

Eine weitere wichtige Erkenntnis des Gutachtens: „Wäre in Zwickau etwas mehr Brandmittel benutzt worden, wäre von dem NSU-Versteck kaum etwas übrig geblieben“, schreibt Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung. Zschäpes Verteidiger hätten sich im Anschluss bemüht, „herauszuarbeiten, dass das Szenario des Gutachters Setzensack nur eine mögliche Variante sei“. Anwalt Wolfgang Stahl habe zudem erneut versucht, die Möglichkeit einer tätigen Reue ins Spiel zu bringen, indem er Setzensack fragte, ob der Täter zwischenzeitlich das Haus verlassen haben könnte. Setzensack habe das bejaht. Das Kalkül hinter der Frage: Zschäpe könnte die alte Nachbarin durch Klingeln gewarnt haben, was jedoch als unwahrscheinlich gilt.

Obwohl viele Details bekannt seien, habe der Vortrag noch einmal „auf drastische Weise deutlich“ gemacht, was am 4. November 2011 geschah, schreibt Frank Jansen im Tagesspiegel. Die damals 89-Jährige sei nur knapp dem Tod entkommen, denn die Wand zur benachbarten NSU-Wohnung sei beinahe eingestürzt.

Zu einem Konflikt zwischen Richter Manfred Götzl und einem Anwalt der Nebenklage kam es nach der Aussage: Eberhard Reinecke gab eine Erklärung zu den Erkenntnissen des Prozesstags ab und forderte eine lebenslange Freiheitsstrafe für Zschäpe, wie Kai Mudra in der Thüringer Allgemeinen berichtet. Zudem habe er Zschäpe darauf hingewiesen, dass Schweigen nicht immer die beste Taktik sei. Das vorweggenommene Plädoyer habe Götzl als Provokation gewertet.

Heute beginnt die Aufarbeitung des Mords an der Polizistin Michèle Kiesewetter. Der Fall sei bis heute rätselhaft, stellt Stefan Geiger in der Stuttgarter Zeitung fest. So sei das Motiv weiter unklar – es gebe keine Hinweise, dass Kiesewetter und ihr Kollege Martin A. gezielt ausgesucht worden seien. Eine Möglichkeit: Die Täter wollten die Dienstwaffen der Polizisten als Trophäen mitnehmen. Zu den mysteriösen Umständen rund um die Aufklärung zitiert die taz Clemens Binninger, der als CDU-Obmann im NSU-Ausschuss tätig war – er bewertet den Heilbronner Mord als den Fall „mit den meisten Merkwürdigkeiten“.

Keine Berichte in englischsprachigen Onlinemedien.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 17. Januar 2014.