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Undeutliche Worte von Zschäpe, dubiose Worte von Andreas T. – Das Medienlog vom Donnerstag, 30. Januar 2014

 

Es klingt wie eine Sensation – wird im NSU-Prozess jedoch eine Randnotiz bleiben: Beate Zschäpe hat während der Sitzung mit Richter Manfred Götzl gesprochen. Götzl erkundigte sich bei der offenbar ermüdeten Angeklagten nach ihrem Befinden. Die antwortete, jedoch bei ausgeschaltetem Mikrofon, weshalb ihre Aussage nicht im Saal zu verstehen war. Eine „kleine Überraschung“ nennt Frank Jansen die Äußerung im Tagesspiegel. Der Richter habe Zschäpe überrumpelt. Die anderen wichtigen Worte des 80. Sitzungstags sprach der ehemalige Verfassungsschützer Andreas T. – der sich jedoch nach eigenen Angaben kaum erinnern konnte.

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T. erschien bereits zum dritten Mal im Gericht, weil er sich während des Mords an Halit Yozgat am 6. April 2006 in dessen Internetcafé in Kassel aufgehalten hatte. In den vergangenen Vernehmungen waren seine Angaben von Erinnerungslücken und mangelnder Logik geprägt. Auch diesmal sei T.s Aussageverhalten „dubios“ gewesen, kommentiert Jansen. Das Gericht führte das Protokoll eines abgehörten Telefonats ein, das T. siebeneinhalb Wochen nach der Tat mit einem Kollegen führte. Dieser habe ihn gelobt, dass er sich gegenüber dem Direktor des hessischen Verfassungsschutzes nicht „so restriktiv wie bei der Polizei“ verhalten habe, zitiert der Autor. Bedeutet das, dass T. auf seiner Dienststelle mehr vom Tag des Mords erzählte, als er zugeben will?

Das Protokoll hatte die Bundesanwaltschaft erst auf Antrag eines Nebenklägers freigegeben, zuvor ruhte es in den Ermittlungsakten in Karlsruhe. Dies sei, wie T.s Aussage, „eigenartig“, kommentiert die Presseagentur dpa in einer Meldung. Anwalt Thomas Bliwier kommentierte das Zögern der Ankläger mit den Worten: „Wenn wir das nicht rausgefunden hätten, würde das Protokoll immer noch bei Ihnen schlummern.“ Auch die Agentur bewertet T.s Aussage als unglaubwürdig – „je länger der Fall im NSU-Prozess behandelt wird, desto merkwürdiger wird die Sache“. Der Staatsdiener habe „nach dem Mord so ziemlich alles falsch gemacht, was man als Zeuge falsch machen kann“.

Dass die Bundesanwaltschaft die Dokumente erst durch Druck herausgab, verdeutliche den Konflikt zwischen Nebenklage und Anklage, analysiert Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online – „der Graben zwischen beiden Lagern scheint immer größer zu werden und der Ton schärfer“. Der Widerstand, den die Ankläger ausübten, ließe „leicht einen falschen Eindruck aufkommen“. T., der zum Symbol für das Versagen der Behörden geworden sei, könnte ihrer Schilderung nach von jemand anderem auf die Kasseler Tat und die gesamtdeutsche Mordserie hingewiesen worden sein. So habe er in dem Telefonat von neun Morden mit der NSU-Waffe Ceska 83 gesprochen. Doch daran konnte er sich im Gericht angeblich nicht mehr erinnern.

Die Stimmung in Saal A101 sei „zeitweise sehr frostig“ gewesen, schreibt Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung. Dies habe mit dem Nebenklageanwalt Alexander Kienzle zu tun gehabt, der vor T.s Vernehmung gefordert hatte, zunächst zwei andere Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes zu laden. Dazu kam es nicht. Der Strafsenat gab den Nebenklägern jedoch in einem anderen Punkt recht: Dass das Abhörprotokoll für den Prozess relevant sei.

Von einer heftigen Auseinandersetzung im Prozess berichtet Kai Mudra in der Thüringer Allgemeinen. Ismail Yozgat, Vater des Ermordeten, habe die Bundesanwaltschaft energisch angeherrscht: „Was will man verstecken?“, fragte Yozgat dem Bericht zufolge. Zudem habe er wissen wollen, warum die Persönlichkeitsrechte von Andreas T. geschützt würden, doch nicht die Rechte seines Sohnes. Vorwürfe der Nebenklage, die Anklage habe Akten zurückgehalten, wies Bundesanwalt Herbert Diemer demnach zurück.

Keine Berichte in englischsprachigen Onlinemedien.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 31. Januar 2014.