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Gutachter ordnen NSU die Mordwaffe zu – Das Medienlog vom Mittwoch, 5. Februar 2014

 

Wie ein roter Faden ziehen sich Schüsse aus einer Ceska 83 durch die NSU-Mordserie: Die Pistole kam bei allen neun Migrantenmorden zum Einsatz, mehrmals war zudem ein Schalldämpfer aufgeschraubt. Mindestens fünfmal setzten die mutmaßlichen Täter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt das Zubehörteil ein, wie ein Gutachter des Bundeskriminalamts am Dienstag im Prozess aussagte. Ob es sich dabei um denjenigen Schalldämpfer handelte, der im abgebrannten Haus des Terrortrios in Zwickau gefunden wurde, blieb jedoch offen – „etwas überraschend“ sei dies gewesen, schreibt Frank Jansen im Tagesspiegel. Der Sachverständige hielt diesen Zusammenhang demnach für „nicht relevant“.

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Der Schalldämpfer ist ein wichtiges Thema im Prozess, weil sich sein Einsatz als Merkmal der Heimtücke, also für Mord, werten lässt. Entsprechend aufmerksam verfolgten die Verteidiger die beiden Waffengutachten, die am Dienstag zu hören waren, wie Kai Mudra in der Thüringer Allgemeinen berichtet. Demnach konnten Sachverständige des BKA durch Testschüsse und Munitionsvergleiche feststellen, dass die bei den Rechtsextremisten gefundene Ceska tatsächlich bei den Morden eingesetzt worden war. Kein eindeutiges Ergebnis habe es jedoch bei der ebenfalls verwendeten Pistole Bruni gegeben. Eine Expertise zu Projektilen und Patronenhülsen hätten die Verteidiger angezweifelt, weil die verwendeten Verfahren nicht aussagekräftig seien.

Ein weiteres Thema am Dienstag: Die Erinnerungen des Polizisten Martin A. an den Tag, an dem seine Kollegin Michèle Kiesewetter starb. Wie durch ein Wunder überlebte A. den Mordanschlag im April 2007 in Heilbronn, für den ebenfalls Mundlos und Böhnhardt verantwortlich sein sollen. Am Dienstag sagte ein Kommissar aus, der den Bereitschaftspolizisten damals im Krankenhaus befragte. Demnach wurden die Erinnerungen des Opfers immer klarer, vor allem, nachdem A. selbst den Tatort besucht hatte, berichtet Björn Hengst auf Spiegel Online. Doch ist das, was A. aus seinem Gedächtnis abrief, verlässlich? Hengst erinnert an die Aussage eines Neurologen, nach der es unwahrscheinlich sei, dass A. eine Erinnerung an die Momente kurz vor der Tat habe. Mitte Januar war A bereits selbst vernommen worden.

Die mutmaßlichen Täter wurden erst bekannt, als die sich mit einem Bekennervideo selbst bezichtigten – „obwohl die Polizei und auch der überlebende Polizist alles unternahmen, um seine Erinnerung zu wecken„, schreibt Annette Ramelsberger in der Süddeutschen Zeitung. Auch A. selbst verspürte offenbar einen großen Drang, das Verbrechen aufzuklären. Er sei fast als „ein zu guter Zeuge“ erschienen, wird der Ermittler zitiert.

Wie der Tagesspiegel weiter berichtet, hat der Angeklagte Holger G. das Zeugenschutzprogramm des Bundeskriminalamts freiwillig verlassen. Der Grund dafür sei unklar. Seit dem Verzicht auf das Programm verbirgt G. im Gerichtssaal nicht mehr sein Gesicht. Der Mitangeklagte Carsten S. ist damit der Einzige, der weiter durch den Zeugenschutz betreut wird.

Keine Berichte in englischsprachigen Onlinemedien.

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 6. Februar 2014.