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Wohlleben muss mit hoher Strafe rechnen – Das Medienlog vom Mittwoch, 2. Juli 2014

 

Seit zweieinhalb Jahren sitzt der Mitangeklagte Ralf Wohlleben in Untersuchungshaft – und wird dort bleiben, wie die Richter im NSU-Prozess am Dienstag entschieden. Sie lehnten einen Antrag von Wohllebens Verteidigern auf Entlassung ab. Das konterten die Verteidiger mit einem Befangenheitsantrag. „In der Begründung für die Ablehnung lässt sich das Gericht erstmals in die Karten schauen“, analysiert Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online. Denn die Richter hätten so gezeigt, dass sie die Tatvorwürfe gegen den Angeklagten als stichhaltig einschätzen.

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Friedrichsen ist der Meinung, der Antrag der Verteidiger Nicole Schneiders und Olaf Klemke hätte vorrangig dem Zweck gedient, die Stimmungslage im Strafsenat zu erfahren. „Und dies dürfte jetzt ziemlich klar sein.“

Auch Frank Jansen vom Tagesspiegel wertet den Beschluss als schlechtes Signal für die Verteidiger und ihren Mandanten: „Es wird eng für den Angeklagten Ralf Wohlleben, eine hohe Strafe erscheint unausweichlich.“ Die Richter hätten gezeigt, dass sie die belastenden Aussagen des ebenfalls Angeklagten Carsten S. glauben. Somit lese sich die Entscheidung „fast schon wie ein Schuldspruch“, den die Anklage „als Etappensieg verbuchen“ werde.

In der Folge warfen Schneiders und Klemke dem Senat vor, entlastende Indizien gegen den Mandanten ignoriert zu haben, wie im Bericht von Tanjev Schultz in der Süddeutschen zu lesen ist. So habe Carsten S. die Waffe, die er auf Geheiß Wohllebens dem NSU-Trio übergeben haben soll, später womöglich fälschlicherweise wiedererkannt. Mit der Pistole, einer Ceska 83, sollen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Migranten erschossen haben.

Durch das Gezerre um die Anträge verschob sich die Vernehmung des Zeugen Thomas G. in den Nachmittag. Der frühere Weggefährte sollte über seine Verbindungen zum Trio und seine eigenen Bande in die rechte Szene berichten. G. gab jedoch an, er habe „bewusst“ nur zu Ralf Wohlleben Kontakt gehabt und nicht zu Beate Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, wie Martin Debes in der Thüringer Allgemeinen berichtet. „Ansonsten präsentiert sich G. ahnungslos.“ Er relativierte gewaltverherrlichende Äußerungen und betonte, in der Szene habe ein Konsens gegen Gewalt geherrscht – so zeichnete G. „von sich und der Szene ein friedvolles Bild“.

Der Zeuge soll allerdings Verbindungen zur rechtsextremen Organisation Hammerskins gehalten haben. Als Richter Manfred Götzl ihn danach fragte, antwortete er: „Mein an mich selbst gestelltes Wertegefüge verbietet mir, darüber zu reden.“ Wegen der Aussageverweigerung drohte Götzl ihm mit einem Ordnungsgeld. Ob das verhängt wird, entscheidet sich erst zu einem späteren Termin: Die Aussage wurde vertagt.

 

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 3. Juli 2014.