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Verfassungsschützer mauern, Zschäpe spricht – Das Medienlog vom Donnerstag, 18. Juni 2015

 

Beeinflusste der Verfassungsschutz die Ermittlungen der Polizei gegen seinen Mitarbeiter Andreas T., der nach dem Mord an Halit Yozgat von 2006 unter Verdacht stand? Der 211. Verhandlungstag lieferte dafür keine Belege. Das Gericht hörte drei Verfassungsschützer, die während der Ermittlungen mit T. telefoniert hatten, auch Aufzeichnungen der Gespräche wurden abgespielt. „Doch mit der Klarheit ist es schon bald vorbei“, beobachtet Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung. Einer der Zeugen habe sich im Laufe der Vernehmung immer häufiger auf Erinnerungslücken berufen.

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Nebenklageanwalt Yavuz Narin fragte den Zeugen, ob sich der Verfassungsschutz schon vor dem Mord von 2006 mit der Serie befasst habe. Darauf verweigerte der Mann die Antwort, weil andere Behörden von diesem Thema betroffen seien. „Der Zeuge befeuert das Gemunkel und die Spekulationen. Es wirkt so, als wolle er etwas Wichtiges verheimlichen“, schreibt Schultz.

Der Zeuge berief sich auf seine Aussagegenehmigung. „Sollte dies stimmen, wäre der Verfassungsschutz tatsächlich auf der richtigen Spur gewesen und hätte die Mordserie dem rechtsextremen Spektrum korrekt zugeordnet“, merkt Per Hinrichs von der Welt an. Offen sei weiterhin, wie stark sich die Behörde und die Polizei ausgetauscht hätten.

Die Aussage von T.s früherem Abteilungsleiter „erschien in einigen Punkten überraschend“, kommentiert Frank Jansen vom Tagesspiegel. So habe er zugegeben, T. nie gefragt zu haben, ob er mit dem Mord etwas zu tun habe – obwohl offenbar ein intensiver Kontakt bestand. „Vielmehr trat innerhalb der Behörde damals ein herausragender Korpsgeist zutage“, beobachten wir auf ZEIT ONLINE. Die Kollegen bestätigten T., er habe sich in dienstlichen Belangen nicht falsch verhalten. Tatsächlich hielt er sich während des Mords, den er nicht mitbekommen haben will, in der Nähe einer Moschee auf, die vom Verfassungsschutz observiert wurde.

Eine Notiz vom Rande der Verhandlung: Beate Zschäpe antwortete gut hörbar auf eine Frage von Richter Manfred Götzl. Während ein Telefonat vorgespielt wurde, fragte er sie, ob sie noch bei der Sache sei. Die Antwort: „Ja.“ Die Episode an sich sei zwar eine Lappalie, schreibt Wiebke Ramm auf Spiegel Online, „doch hier geht es um eine Angeklagte, die beharrliches Schweigen zu ihrer Verteidigungsstrategie gemacht hat“. Es sei sicherlich kein Zufall, dass es ausgerechnet kurz nach dem neuen Misstrauensantrag gegen ihre Anwältin Anja Sturm dazu gekommen sei.

Dem offenbar lädierten Vertrauen zwischen Zschäpe und ihren Verteidigern widmet sich BR-Reporter Tim Aßmann im Deutschlandfunk. Mit ihrem kühlen Verhalten stelle die Hauptangeklagte „offen zur Schau, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen ihnen mittlerweile ist“. Sie habe am Morgen lediglich ihren Anwalt Wolfgang Heer gegrüßt, die Kollegen Anja Sturm und Wolfgang Stahl hingegen ignoriert – was auf Gegenseitigkeit basierte.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 19. Juni 2015.