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Schaukämpfe zwischen Richter und Verteidigung – Das Medienlog vom Freitag, 4. September 2015

 

Eigentlich sollte der Zeuge Mario B. aussagen, aber der hatte sich krank gemeldet, wie Richter Manfred Götzl am Vormittag bekannt gab. Statt einer Vernehmung nutzte das Gericht den Tag, um Gerichtsdokumente vorzutragen, die als Beweismittel dienen sollen. Das lief nicht störungsfrei ab.

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Als der Strafverteidiger Wolfgang Stahl sich über das Tempo von Richter Manfred Götzl beklagt, kommt es zum Verbalscharmützel. Die angespannte Atmosphäre wird auch nicht besser, als Olaf Klemke, Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben, der geplanten Verlesung von Briefkopien widerspricht, schreibt Björn Hengst auf Spiegel Online. Der Streit dreht sich darum, ob es zulässig sei, aus Kopien der Akten zu lesen. Die Papiere lieferten Indizien dafür, dass Zschäpes mutmaßlicher Mittäter Uwe Mundlos offenbar schon vor 1998 darüber nachdachte, in kleinen, abgeschotteten Zellen für die eigene Sache zu kämpfen, schreibt Hengst. Er findet es erstaunlich, wie offen sich Mundlos und Torsten S. (einer seiner damals inhaftierten Kameraden) in den Briefen austauschten, die mit Sicherheit von Beamten der Justizvollzugsanstalt geprüft wurden.

Wenn Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe in den neunziger Jahren mit ihren Freunden korrespondierten, dann taten sie das in einem launigen Ton, mit dem andere über ihre Klassenstreiche reden würden, schreibt Annette Ramelsberger von der Süddeutschen Zeitung über jene Briefe. „Dabei jedoch offenbarten sie auch ihre politische Strategie – eine Strategie, die Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt später dann offenbar im NSU umgesetzt haben: die Strategie des führerlosen Widerstands, der unabhängig voneinander zuschlagenden Gruppen.“

Kai Mudra von der Thüringer Allgemeinen beleuchtet auch den zeitraubenden Streit zwischen Richter und Anwalt. Ohne die Kontroverse um Kopien und Originale hätte das Programm bis Mittag abgearbeitet sein können, schreibt er.