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Zschäpe droht Sicherungsverwahrung – Das Medienlog vom Freitag, 28. Oktober 2016

 

Der psychiatrische Sachverständige Henning Saß hat dem Gericht ein vorläufiges Gutachten über Beate Zschäpe zugesandt. Demzufolge ist die Angeklagte voll schuldfähig. In der Verhandlung vorgestellt wird erst die endgültige Version des Gutachtens, doch das durchgesickerte Papier kommt bereits zu einer deutlichen Tendenz – daher könnte es „für Beate Zschäpe gefährlich werden“, schreiben Annette Ramelsberger und Wiebke Ramm von der Süddeutschen Zeitung. Für den Fall, dass das Gericht Beate Zschäpes Unschuldsbeteuerungen in ihrer Aussage vom Dezember nicht glaubt, legt der Sachverständige zudem die Sicherungsverwahrung für Zschäpe nahe.

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In dem Gutachten entwirft Saß demnach zwei Szenarien – eines unter der Annahme, dass Zschäpe tatsächlich emotional von ihren Komplizen abhängig war. So stellt sie es dar. Das andere Szenarium geht davon aus, dass sie in dieser Sache lügt. Im letzteren Fall wäre ein schädlicher „Hang“ zu erkennen, so Saß.

„Obwohl Saß eher zurückhaltend argumentiert, dürfte sein Papier zumindest gemischte Reaktionen auslösen, vor allem bei Zschäpes Verteidigern“, merkt Frank Jansen vom Tagesspiegel an. Der Psychiater bringe zum Ausdruck, dass er große Zweifel an der Version von Zschäpe hege.

Für Aufsehen sorgte auch eine andere Nachricht: Die DNA-Spuren von Uwe Böhnhardt am Leichenfundort von Peggy Knobloch sind möglicherweise auf eine Verunreinigung zurückzuführen. Die Polizei prüft derzeit, ob das Erbmaterial durch einen Meterstab übertragen wurde, der an beiden Tatorten eingesetzt worden sein soll. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor.

Eine wichtige Frage in der Klärung des möglichen Fehlers: War der verunreinigte Meterstab tatsächlich von einer Beschaffenheit, die es „nur einmal gibt“, wie Spiegel Online Ermittler zitiert? „Das kann ich mir nicht erklären, es gibt keinen einzigartigen Zollstock“, sagte der Dozent für Tatortinspektion an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Georg Prüfling, der FAZ. Allerdings könnten auch andere mehrfach verwendete Ausrüstungsgegenstände das Erbmaterial übertragen haben. Er selber würde Meterstäbe nach eigenen Angaben nur einmalig verwenden, weil sie sich schwer reinigen ließen, sagte Prüfling.

Stutzig macht auch: Zwischen Böhnhardts Tod und dem Auffinden von Peggys Leiche liegen rund fünf Jahre. „Kommt ein und derselbe Stab in fünf Jahren nur zweimal zum Einsatz? Werden die Ausrüstungsgegenstände nach Benutzung ungereinigt zurück in den Koffer gelegt?“, fragen wir auf ZEIT ONLINE. Im Falle einer Verunreinigung „ist Uwe Böhnhardt das Phantom von Thüringen“, analog zum Phantom von Heilbronn, einer falschen Spur beim Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter. Der Vergleich legt nahe, „dass die Polizei aus den Schlampereien der vergangenen Jahre wenig gelernt hat“.

„Ein peinlicher Fehler, wenn es ein rein interner Vorgang wäre“, wäre der DNA-Fund, sollte sich die Verschmutzungshypothese als wahr herausstellen, kommentiert Frank Stüdemann vom Neuen Tag. Da jedoch Polizei und Staatsanwaltschaft den Treffer öffentlich bestätigt hatten, handele es sich um einen „PR-Super-GAU“. So sei die verstorbene Peggy „zum Spielball des öffentlichen Interesses“ geworden.

Den Kenntnisstand zum DNA-Fall fassen Frida Thurm und Alina Schadwinkel in einer Übersicht auf ZEIT ONLINE zusammen. Darin steht auch, wie es nach den neuen Zweifeln weitergeht.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 31. Oktober 2016.