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Das vernichtende Gutachten – Das Medienlog vom Mittwoch, 18. Januar 2017

 

Der Psychiater Henning Saß hat am Dienstag nach tagelanger Blockade durch die Verteidigung mit der Erstattung des Gutachtens über Beate Zschäpe begonnen. Zum schriftlich bereits niedergelegten Fazit, der Empfehlung der Sicherungsverwahrung gegen die Angeklagte, kam Saß an diesem Tag noch nicht – doch seine Beobachtungen gaben bereits die Richtung vor. „Zschäpes angebliches Entsetzen über die Morde und Anschläge nimmt er ihr nicht ab“, schreibt Wiebke Ramm von der Süddeutschen Zeitung. Reue und Einsicht konnte er ihren eindeutig mit anwaltlicher Hilfe verfassten Aussagen nicht entnehmen.

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„Es wird eng für die Hauptangeklagte im Münchener NSU-Prozess“, stellt auch Per Hinrichs von der Welt fest. Dies folge aus den Äußerungen, die Saß in „der nüchtern-technokratischen Sprache der Rechtspsychiatrie“ vorgetragen habe.

„Immer wieder blitzt in Saß‘ Vortrag auf, dass Zschäpes Einlassungen für ihn nichts anderes sind als windige taktische Manöver“, heißt es bei uns auf ZEIT ONLINE. Die Angeklagte war nach Ansicht des Sachverständigen auch nicht Opfer von schweren Umständen in ihrer Familie oder der Nachwendewirren; vielmehr war sie „nicht nur seelisch gesund, sondern war auch immer zu eigenen Entscheidungen fähig“. Für Saß sticht insbesondere heraus, dass Zschäpe die Tendenz zeigte, Schuld anderen Menschen zuzuschieben.

Das Bild aus den Beobachtungen des Psychiaters stehe „in scharfem Kontrast zu dem Bild, das Zschäpe in ihrer Einlassung vor Gericht von sich selbst gezeichnet hatte“, meint Björn Hengst von Spiegel Online. Mit schweren Folgen: Die Expertise sei „vernichtend“, zitiert Ina Krauß vom Bayerischen Rundfunk den Nebenklageanwalt Thomas Bliwier.

Doch wäre eine Sicherungsverwahrung überhaupt verhältnismäßig? Früh kommentiert diese Frage Annette Ramelsberger von der Süddeutschen. Demnach wäre die Maßnahme, würde sie im Urteil verhängt, überzogen: „Zschäpe ist schon jetzt nicht mehr gefährlich.“ Sie sei nämlich keine Ikone der Neonaziszene wie der ebenfalls auf der Anklagebank sitzende Ralf Wohlleben. Stattdessen habe sie allein, ohne ihre Freunde, kaum Handlungsbereitschaft gezeigt: „Sie kämpft nicht, sie duckt sich weg.“

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 19. Januar 2017.