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„NSU“-Graffito in Heilbronn: Bundesanwaltschaft ermittelt – das Medienlog vom Dienstag, 25. April 2017

 

Heute vor zehn Jahren wurde in Heilbronn die Polizistin Michèle Kiesewetter erschossen, ihr Kollege schwer verletzt – laut Anklage durch Schüsse der beiden NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Nun geht die Bundesanwaltschaft einer neuen Spur nach: einem Graffito mit dem Kürzel „NSU“, das auf einer Mauer am Tatort aufgesprüht war. Entdeckt hatten den Schriftzug die Filmemacher Clemens und Katja Riha, als sie für ihre ARD-Dokumentation Tod einer Polizistin eine Archivaufnahme gesichtet hatten. Das Material war zwei Tage nach der Tat entstanden.

Ein Sprecher des Generalbundesanwalts bestätigte die Ermittlungen, über die zuvor die Bild-Zeitung und die Heilbronner Stimme berichtet hatten. Allerdings sollte man zweierlei bedenken: Zum einen ist NSU auch die Abkürzung für Heilbronns Nachbarstadt Neckarsulm. Zum anderen hatte das NSU-Trio – zumindest soweit bislang bekannt – niemals Bekennerschreiben oder andere Hinweise auf sich an Tatorten hinterlassen.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Die ARD-Doku findet in den Medien ein geteiltes Echo. Annette Ramelsberger von der Süddeutschen Zeitung wirft dem Film Sensationalismus vor: „Zwielichtige Zeugen erzählen ungebremst Dinge, die längst vor Gericht widerlegt wurden. Auf Teufel komm raus wird versucht, das Bild einer Verschwörung zu zeichnen.“ Auf ZEIT ONLINE beschreiben wir die Dokumentation als „eine schaurige Nummernrevue aller Widersprüche des Polizistenmords“, in der auch wahrscheinlich falsche und ungeprüfte Fakten vorkommen.

Den Jahrestag nutzen auch andere Medien, um den Fall Kiesewetter erneut zu beleuchten. Mit den Auffälligkeiten beschäftigen sich Andreas Förster in der Frankfurter Rundschau und Christine Mudra in der Jungen Welt. Darin heißt es, die These von Mundlos und Böhnhardt als alleinige Mörder der jungen Polizistin sei „angesichts einer Vielzahl von Widersprüchen nicht mehr haltbar“. Grund dafür sei etwa, dass mehrere Zeugen blutbeschmierte Männer und eine Frau nahe dem Tatort gesehen haben wollen.

In der Welt (kostenpflichtig) greifen Stefan Aust, Helmar Büchel und Dirk Laabs erneut den Fall des V-Manns Ralf M. auf, der Mundlos und Böhnhardt auf seiner Baustelle beschäftigt haben soll. Auch hier hatte es Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegeben. Laut der Zeitung wurden die Erkenntnisse dazu auf mittlerweile mehr als 1.300 Seiten Akten zusammengetragen. So wie im Kiesewetter-Fall gebe es aber auch hier die Tendenz, einen „offensichtlich unliebsamen Verdacht durch lückenhafte Zeugenauswahl und eigentümlich parteiliche Bewertung der Aussagen in einen wabernden Nebel zu lenken“.

Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 26. April 2017.