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Plädoyers werden noch Monate dauern – Das Medienlog vom Freitag, 28. Juli 2017

 

Kurz vor der Sommerpause ab 2. August werden neue Informationen über den weiteren Verlauf des NSU-Prozesses bekannt – und die verheißen kein schnelles Ende. 50 der 60 Nebenklageanwälte gaben bekannt, wie sie ihre Plädoyers halten wollen. Sie planen insgesamt 47 einzelne Stellungnahmen – laut Berechnung des Anwalts Sebastian Scharmer soll das rund 57 Stunden dauern, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Die Bundesanwaltschaft, die derzeit an der Reihe ist, hat für ihren Vortrag 22 Stunden veranschlagt.

Ob sie damit bis zur Sommerpause fertig wird, ist ungewiss. Auf die Anklage folgen Nebenkläger und Verteidiger – das dauert. „Es ist deswegen schon jetzt fraglich, ob der NSU-Prozess noch dieses Jahr zu Ende gehen wird“, schreibt Autorin Annette Ramelsberger.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das Nebenklageplädoyer werde sich auf rund vier Wochen erstrecken, kalkuliert Frank Jansen vom Tagesspiegel. Manche der Opferangehörigen, etwa Witwe und Tochter des in Dortmund ermordeten Mehmet Kubasik, wollen demnach möglicherweise auch selbst plädieren.

Am Donnerstag setzte Oberstaatsanwältin Anette Greger ihr Plädoyer fort. Explizit sagte sie, es habe an den Tatorten keine „rechten Hintermänner“ gegeben, die einige Anwälte „ihren Mandanten offenbar versprochen hatten“. Eine Äußerung, die bei den Opfervertretern für Verärgerung sorgte. Scharmer bezeichnete sie als „Frechheit“.

Ansonsten legte sie detailliert dar, warum Beate Zschäpe laut dem Ergebnis der Beweisaufnahme Mittäterin bei der Mord- und Anschlagsserie des NSU war. Dabei verlas sie eine Bilanz der Gewalttaten. „Die Opfer spürten keine Gefahr, sie wandten sich den Mördern freundlich zu. (…) Es waren Hinrichtungen“, resümiert SZ-Autorin Ramelsberger den Vortrag. „Bedrückend waren ihre Schilderungen der Mordanschläge“, bilanziert Kai Mudra von der Thüringer Allgemeinen.

„Was sie dabei nicht erwähnt: Dass die Familien teilweise selbst ins Visier der Vermittler gerieten, jahrelang unter Verdacht standen, den Behörden etwas zu verschweigen und selbst mit den Verbrechen in Zusammenhang zu stehen“, kritisiert Christoph Arnowski vom Bayerischen Rundfunk. Betont habe sie hingegen, wie gut die Opfer integriert waren und wie mit dem Mord an den als Gewerbetreibenden arbeitenden Männern oft die wirtschaftliche Grundlage der Familie verloren ging.

Julia Jüttner von Spiegel Online schreibt: „Mit jedem Satz wird deutlich, wie entschlossen die Bundesanwaltschaft ist, die Begründung für die Mittäterschaft Zschäpes festzuzurren.“ So hätte Zschäpe nach dem Selbstmord ihrer Komplizen 2011 einen Schlussstrich ziehen können, verschickte aber die DVDs mit dem Bekennervideo der Terrorzelle.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 31. Juli 2017.