Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Verteidiger lauern auf Richterfehler – Das Medienlog vom Donnerstag, 26. Oktober 2017

 

Wieder zwei Wochen Pause: Der Anwalt des Mitangeklagten André E. hat einen weiteren Befangenheitsantrag gegen zwei der fünf Richter im NSU-Prozess angekündigt – damit wird das Verfahren erneut unterbrochen, die Plädoyers der Nebenklageanwälte müssen warten.

„Es geht, so der Eindruck, längst nicht mehr um die Verteidigung der Angeklagten“, denn für diese „gibt es keinen anderen legalen Weg mehr in die Freiheit als über das Scheitern des Prozesses“, analysiert Gisela Friedrichsen von der Welt die Situation. Das wäre erreicht, wenn der Prozess mehr als drei Wochen lang aussetzt. Die Verteidiger hofften offenbar darauf, die Richter würden angesichts der komplizierten Strafprozessordnung Fehler begehen. Doch dazu kam es bislang nicht. „Verteidiger, die ihre Rechte bis an die Grenzen zum Missbrauch ausdehnen, werden kaum noch in die Schranken gewiesen.“ Dies sei auch eine Folge höchstrichterlicher Entscheidungen in Deutschland.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Wie lange geht es mit dem Bombardement aus Befangenheitsanträgen – gerade erst war wieder ein ganzes Dutzend davon abgelehnt worden – noch weiter? „Es dürfte auch nicht der letzte Befangenheitsantrag der Verteidigung E. und der des Mitangeklagten Wohlleben sein“, mutmaßt Eckhart Querner vom Bayerischen Rundfunk. Das Gericht nehme jeden entgegen. Dies geschehe auch, weil Richter Manfred Götzl das Urteil gegen eine Revision absichern wolle.

Klar ist ohnehin: „Gegen die Verzögerungstaktik kann Richter Götzl wenig tun“, merkt Konrad Litschko von der taz an. Frank Jansen vom Tagesspiegel gibt zu bedenken, dass nach dem „endlos anmutenden Gerangel“ die Frustration der Angehörigen und Opfer weiter gewachsen sei.

Über die bevorstehenden Plädoyers hat die Nebenklageanwältin Seda Basay-Yildiz mit der Frankfurter Rundschau gesprochen. Sie vertritt die Angehörigen des ersten NSU-Mordopfers Enver Şimşek. Der Schlussvortrag sei für ihre Mandanten von großer Bedeutung, „weil während des Prozesses nicht thematisiert wurde, wie mit ihnen umgegangen wurde“. Schon jetzt sei allerdings klar, dass nach dem Prozess für sie „die Enttäuschung groß“ sein werde. Auch die Anwältin selbst habe den Glauben an den Rechtsstaat verloren.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 27. Oktober 2017.