Lesezeichen
‹ Alle Einträge

„Aus dem Satzbaukasten der Neonazipropaganda“ – Das Medienlog vom Mittwoch, 16. Mai 2018

 

Freispruch für Ralf Wohlleben: Das haben die Verteidiger des mutmaßlichen Waffenbeschaffers in ihren Plädoyers gefordert, die am Dienstag begonnen haben. Nicole Schneiders und Olaf Klemke blieben jedoch nicht nur bei den Vorwürfen gegen ihren Mandanten, sondern kritisierten das Gericht und verlasen auch noch hetzerische Botschaften.

Über Schneiders‘ Vortrag schreibt Julia Jüttner auf Spiegel Online: „Ihr Schlussvortrag beschränkt sich in weiten Teilen auf den Vorwurf der Vorverurteilung ihres Mandanten, Entlastendes hat sie nicht zu bieten.“ Auch die Angaben des Kronzeugen Carsten S. habe sie nicht entkräften können. Für Gelächter unter den Zuschauern habe die Aussage gesorgt, Wohlleben sei „kein Ausländerhasser“: „Viele von ihnen kennen Ralf Wohlleben aus den Neunzigern ganz anders.“

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

„Nicole Schneiders redet, als habe sie es mit lauter verbohrten Menschen zu tun, die ja doch nicht zu belehren sind“, schreibt Frank Jansen vom Tagesspiegel. Das Urteil stehe seit Prozessbeginn fest, habe die Verteidigerin behauptet. „In Teilen klingt das Plädoyer von Schneiders perfide“, heißt es. Etwa als sie sagte, die Richter hätten sich an politische Vorgaben zu halten. Klemke indes habe in seinem Plädoyer auch Punkte angesprochen, die auch „ein szeneferner Anwalt thematisieren würde“.

„Die Schlussvorträge sind in erster Linie eine Botschaft an die Naziszene“, schreiben wir auf ZEIT ONLINE. Die Anwälte mühten sich demnach, „dass bloß nicht der Eindruck entsteht, in den vergangen Jahren hätte Wohlleben sich von seinen Gesinnungsgenossen entfernt“. Von diesen hatten auch einige auf der Besuchertribüne Platz genommen, einschließlich Wohllebens Tochter. Auch die Verteidiger selbst wollten mit den Plädoyers ihren Ruf als Szeneanwälte festigen.

Der Schlussvortrag sei ein „Rundumschlag gegen Gericht, Ankläger und Staat“ gewesen, schreiben Annette Ramelsberger und Wiebke Ramm von der Süddeutschen Zeitung. Schneiders habe zudem „gängige Verschwörungstheorien“ aufgegriffen. Thies Marsen vom Bayerischen Rundfunk berichtet: Klemke habe sich „aus dem Satzbaukasten der Neonazipropaganda“ bedient – mit Begriffen wie „Schuldkult“ oder „Untergang“.

Auch mehrere Beweisanträge brachten Schneiders und Klemke während ihrer Vorträge ein. Diese müssten aber nicht notwendigerweise das Verfahren verzögern, teilten Anwälte der Nebenklage tagesschau.de mit: Das Gericht könnte diese schlicht im Rahmen des Urteils ablehnen.

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 17. Mai 2018.