Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Die letzte Kippe – “f6” und dann Schluss

 

Liebe Leute, heute geht es mal wieder um eine alte Ostmarke. Ganz bestimmt wird dieser Text nicht der letzte seiner Art sein. Mit ihm aber nimmt – versprochen! – ihr Ende seinen Anfang.

Um ostdeutsche Produktmarken ging es – nicht nur hier – schon zur Genüge. Denjenigen unter Euch, denen das zum Hals raushängt, kann ich nun aber sagen: Haltet aus! Nicht mehr lange werdet Ihr mit Rotkäppchen, Halloren-Kugeln oder f6-Kippen belästigt.

Schließlich handelt es sich bei den wenigen überlebenden Ostprodukten meistens um Alkohol, Dick- oder Lungenkrankmacher, um Produkte also, denen die Gesundheits-Jakobiner unserer Zeit bald den Garaus machen. Das ist nur eine Frage der Zeit.

Dabei bleibt's - f6 im antiken Gewand

Wovon ich rede? Als Mitte November Philipp Morris ankündigte, Ende des Jahres die Ost-Zigarettenmarke “f6” fast komplett einzudampfen und nur die aus DDR-Zeiten bekannte Marke als “f6 Original” zu erhalten, da dachte ich zuerst: Ätsch! Euer ganzer Marketing-Zinnober – hat wohl doch nichts getaugt.

Die nach der Übernahme der Dresdner Zigarettenfabriken 1990 entwickelte f6-Markenfamilie – die bunte „Color Family“ – wird ausgedrückt und in die Marke „Chesterfield“ überführt. „Blue“, „Fine“ und „full flavor“ (ehemals „red“ und „sun“) sowie die „f6 menthol“ – der ganze Budenzauber – ist demnächst also Geschichte. Nur das echte Ost-Ding läuft also, hatte ich mir gedacht: Back to the roots, back to where the fl…

Na ja, da hat der olle Ossi ganz kurz frohlockt, dann aber doch noch mal überlegt. Denn ganz so ist es natürlich nicht. Tatsächlich hatten sich f6 lange besser geschlagen als frühere Ostkollegen wie Club, Cabinet oder Juwel. Zwischenzeitlich waren die Marlboro-Macher aus den USA mit der Marke bei rund 18 Prozent Marktanteil im Osten. Und im ganzen Deutschland rangierte die Markenfamilie sogar mal unter den ersten zehn.

Der alten f6 hatte sicher geholfen, dass sie kaum verändert worden war. Packung, der kurze Filter, ihr Geschmack, kaum etwas wurde westlichen Gepflogenheiten angepasst. Allerdings musste man die Schachtel vor dem Öffnen nicht mehr durchklopfen, um den rausgefallenen Tabak wieder in die Röhrchen zu befördern. Auch die Tatsache, dass f6 in weiten Teilen der DDR knapp und daher begehrter waren als ihre 3,20er-Schwester Cabinet oder die teureren Club, dürfte ihren Erfolg nach 1990 teilweise erklären.

Der aber scheint langsam zu Ende zu gehen. Die Philip Morris GmbH in Gräfeling bei München teilt uns heute mit, dass ihr die Entscheidung zwar „schwer gefallen ist“, sie sich aber aus der Marktentwicklung ergebe. Die Anteile der „f6 Original“ wie auch der Markenfamilie sinken demnach seit Jahren. Der Konsument frage eher internationale Marken nach. Darum also Chesterfield, established 1896. Und die f6, eingeführt 1958 in der DDR, wird bald wie andere lokale Philipp-Morris-Marken allein vor sich hin qualmen, wie Diana in Italien, Assos in Griechenland oder Petra in Tschechien.

Pechschwarze Zukunft

Hinter der Entscheidung könnte aber auch noch etwas anderes stecken. Sollte sich nämlich die EU-Kommission mit ihren Plänen für eine neue Richtlinie durchsetzen, dürften alle Zigarettenschachteln bald gleich eklig aussehen. Wenn nur noch 20 Prozent der Verpackung dafür frei sind, dürfte Markenpflege alten Stils am Ende sein. Brüssel will Zigaretten-Marken weitgehend ununterscheidbar machen. Mehr als ein Logo oder Namenszug soll neben schwarzen Totgeburten und verpesteten Lungen nicht mehr erkennbar sein, am allerwenigsten ein Hinweis auf „frisches“ Menthol.

Vielleicht positioniert sich Philipp Morris ja auch darum neu. Vielleicht dampft man die „f6“-Marke schon jetzt auf das ein, was noch eine Weile ohne Zusatz funktioniert. Auf Investitionsschutzklagen gegen Brüssel dürfte man – anders als in Australien – hier wohl kaum setzen. Und wenn dann der letzte ostdeutsche f6-Raucher seine finale Kippe ausgedrückt hat, wird mit ihm wohl auch seine Lieblingsmarke verschwinden.

Womöglich befinden wir uns ja überhaupt am Ende einer Zigaretten- und Zigarettenmarken-Kultur. Und wenn es so kommt, wird es wohl auch nicht mehr lange dauern, bis auf Rotkäppchen-Flaschen nur zirrhotische Lebern und auf Halloren-Kugeln statt Mozart nur noch adipöse Wabbelbäuche abgebildet werden dürfen. Da können Martenstein und Pfaller reden, was sie wollen. Die Wohlfahrtsausschüsse arbeiten… Und wir werden über solche Ostprodukte dann natürlich kein Wort mehr verlieren. Versprochen!