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Koalitionspoker in Nordrhein-Westfalen: was passiert, wenn Schwarz-Gelb die Mehrheit in Düsseldorf verliert?

 

Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Anfang Mai diesen Jahres steht im Zentrum der Aufmerksamkeit der Parteien wie auch der politischen Beobachter. Dies hat mit einer Vielzahl von Gründen zu tun. Erstens ist bei einer Niederlage für CDU und FDP in Düsseldorf die Mehrheit der Bundesregierung in der Länderkammer dahin, was das „Durchregieren“ des Kabinetts Merkel/Westerwelle deutlich erschweren würde. Zweitens bleibt abzuwarten, in welchem Ausmaß sich die Sponsorenaffäre um Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und die NRW-CDU auf den weiteren Verlauf des Wahlkampfs und schließlich auf das Wahlergebnis auswirken wird. Drittens ist die Landtagswahl an Rhein und Ruhr ein erster Test für die nicht allzu glücklich agierende Bundesregierung. Zudem ist Nordrhein-Westfalen aufgrund seiner Stellung als einwohnerstärkstes Bundesland von großer Bedeutung im föderalen System Deutschlands sowie für den bundesdeutschen Parteienwettbewerb. So wurden bereits verschiedene Koalitionsoptionen in Nordrhein-Westfalen auf ihre „Tauglichkeit“ hin getestet, bevor sie von den Parteien in Bonn oder Berlin als Regierungskoalition installiert wurden. Beispiele hierfür sind etwa die von 1956 bis 1958 bestehende sozialliberale Koalition in Nordrhein-Westfalen unter Ministerpräsident Steinhoff (SPD) sowie das rot-grüne Bündnis, das Johannes Rau nach dem Verlust der absoluten Mandatsmehrheit im Landtag 1995 eingehen musste.

Jüngste Umfragen wie die des ZDF-Politbarometers vom 19. März machen in der Tat deutlich, dass es für schwarz-gelb knapp werden wird. Momentan würden Union und FDP im Landtag von Nordrhein-Westfalen keine Mehrheit erreichen. Damit gewinnt die schon seit Wochen virulente Koalitionsdebatte noch mehr an Fahrt. Auf der Grundlage der bislang vorliegenden Statements der Parteien können nur solche Koalitionen ausgeschlossen werden, die CDU, FDP und die „Linke“ umfassen würde. Zwar präferieren Union und Liberale eine Neuauflage der amtierenden schwarz-gelben Koalition, allerdings haben Bündnisgrüne wie auch die Christdemokraten in NRW ein gemeinsames Regierungsbündnis nicht ausgeschlossen. Auch die FDP hat – überraschenderweise – bislang die Bildung einer Ampelkoalition mit Sozialdemokraten und Grünen nicht a priori abgelehnt. Dies gilt auch für eine Koalition aus SPD, Grünen und der „Linken“. Zwar werden letztere nicht als besonders regierungsfähig von Sozialdemokraten wie Grünen wahrgenommen, aber ein solches Bündnis ausschließen will die SPD-Spitzenkandidaten Hannelore Kraft wie auch die Führung der Grünen nicht.

Wie wahrscheinlich sind aber nun all diese Koalitionsmöglichkeiten? Auf der Grundlage aller Regierungsbildungen in Bund und Ländern seit 1990 lassen sich mit Hilfe multivariater statistischer Analysen die Determinanten der Koalitionsbildung in Deutschland ermitteln und auf dieser Basis auch die Wahrscheinlichkeiten für alle potentiell möglichen Koalitionen berechnen. In die Berechnung fließen die Stärke der Parteien im Parlament, ihre programmatischen Positionen, die anhand einer Analyse der Landtagswahlprogramme gewonnen werden, die Koalitionsaussagen der Parteien sowie die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat ein. Für Nordrhein-Westfalen wird die Sitzverteilung im neuen Landtag anhand der Ergebnisse des ZDF-Politbarometers vom 19. März berechnet. Die Landtagswahlprogramme der Parteien liegen bei CDU, SPD, FDP, den Grünen und der Linken entweder als Entwurf oder bereits in endgültiger Form vor.

Im Rahmen dieses Blogs wurde dieses Verfahren bereits für die Landtagswahlen in Brandenburg, dem Saarland und in Thüringen im letzten Herbst mit Erfolg durchgeführt: die schließlich gebildeten Koalitionen wiesen in zwei der drei Bundesländer – in Thüringen und dem Saarland – die höchste Wahrscheinlichkeit auf (vgl. Bräuninger/Debus 2009). Für Nordrhein-Westfalen ergibt sich das in der folgenden Tabelle abgetragene Bild.

Tabelle 1: Wahrscheinlichkeiten ausgewählter Koalitionsoptionen in Nordrhein-Westfalen

Koalitionsoption Wahrscheinlichkeit
CDU und Bündnis 90/Die Grünen 64,3%
CDU und SPD 29,5%
SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Linke 2,8%
SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen 1,2%

 

Den Ergebnissen zufolge wäre – für den Fall, dass Union und FDP eine Mehrheit im Landtag verfehlen würden – eine schwarz-grüne Koalition die mit Abstand wahrscheinlichste Koalitionsoption nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Ein Bündnis der beiden großen Parteien CDU und SPD würde auf Platz 2 mit einer Wahrscheinlichkeit von knapp 30% landen, während ein Linksbündnis wie auch eine „Ampelkoalition“ mit 2,8% bzw. 1,2% äußerst unwahrscheinlich sind. Ein Grund für die Unwahrscheinlichkeit der „Ampel“ ist der große Gegensatz zwischen SPD und Grünen in wirtschaftspolitischen Fragen auf der einen und den Freidemokraten auf der anderen Seite. Die NRW-CDU ist hingegen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik sehr moderat ausgerichtet, so dass die Übereinstimmung mit mit Grünen oder SPD größer ist. Sollte also schwarz-gelb in Düsseldorf keine Mehrheit erreichen, dann könnte NRW nach Hamburg das zweite Bundesland werden, in dem CDU und Grüne gemeinsam die Regierung stellen. Ob das dann ein Zeichen für den Bund ist, bliebe dann abzuwarten.

Literatur
Bräuninger, Thomas & Marc Debus (2009): Schwarz-Gelb, Schwarz-Rot, Jamaika oder die Ampel? Koalitionsbildungen in Bund und Ländern im Superwahljahr 2009. Zeitschrift für Politikberatung 2: 3, 563-567. [http://dx.doi.org/10.1007/s12392-009-0215-2]