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Nach der Wahl: Große Koalition oder Rot-Rot-Grün in NRW?

 

Das Ergebnis der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen stellt die Parteien – insbesondere SPD, FDP und Grüne – vor schwierige Entscheidungen. Dies rührt daher, dass – wie in Hessen nach der Landtagswahl 2008 – nur solche Koalitionen über eine Mehrheit im Parlament verfügen, die von mindestens einer beteiligten Partei entweder vorab ausgeschlossen wurden oder nicht besonders gewünscht werden. Ersteres trifft auf die Ampelkoalition und ein Jamaika-Bündnis zu, die beide in einem Parteitagsbeschluss der Liberalen kurz vor der Landtagswahl abgelehnt wurden. Eine Koalition der beiden großen Parteien CDU und SPD sowie eine Linkskoalition aus Sozialdemokraten, Grünen und der ‚Linken’ entspricht wiederum nicht den Wunschvorstellungen der jeweiligen Parteien.

Kurz vor der Wahl sind wir bei der Berechnung der Wahrscheinlichkeiten für die verschiedenen Koalitionen aufgrund der Umfrageergebnisse von zwei Szenarien ausgegangen, bei denen jeweils – im Gegensatz zum Ergebnis der Landtagswahl – von der CDU als der stärksten Partei im Düsseldorfer Landtag ausgegangen wurde. Im ersten Szenario hatte eine Koalition aus CDU und Grünen, nicht jedoch ein rot-grünes Bündnis eine Mehrheit im Parlament. Den Ergebnissen zufolge wäre die Bildung einer ‚schwarz-grünen’ Koalition das wahrscheinlichste Ergebnis des Regierungsbildungsprozesses gewesen. In Szenario 2 verfügten CDU und Grüne hingegen über keine Mehrheit im Parlament. Auf Basis dieser Sitzverteilung sowie aufgrund der programmatischen Positionen der Parteien und der Koalitionsaussagen ergab sich die höchste Wahrscheinlichkeit für eine große Koalition aus Christ- und Sozialdemokraten.

Was ist unter den gegebenen Bedingungen nun das wahrscheinlichste Ergebnis des Regierungsbildungsprozesses in Nordrhein-Westfalen? Offenbar bleibt es dabei, dass SPD und Grüne eine Koalition mit der ‚Linken’ nicht ausschließen und damit die FDP ihre Absage an ein Bündnis, dass SPD und/oder Grüne mit einschließt, aufrechterhält. In diesem Fall ist ein Bündnis der beiden großen Parteien wahrscheinlicher als eine rot-rot-grüne Koalition. Jedoch ist der Unterschied zwischen den ermittelten Wahrscheinlichkeiten für beide Koalitionen nicht allzu groß: während die Bildung einer CDU/SPD-Koalition eine Chance von 54% erhält, so liegt die Wahrscheinlichkeit für die Formierung einer Linkskoalition bei knapp 40%. Hätten SPD und Grüne doch ein Bündnis mit der ‚Linken’ ausgeschlossen und damit Verhandlungen über eine Ampelkoalition den Weg geebnet, dann wäre die Situation zwar deutlich offener, jedoch wäre noch immer eine große Koalition das wahrscheinlichste Ergebnis des Regierungsbildungsprozesses mit einer Chance von gut 47%. An zweiter Stelle würde mit einer Wahrscheinlichkeit von rund einem Drittel die ‚Jamaika’-Koalition aus CDU, Liberalen und Grünen anstelle einer ‚Ampel’ landen. Ein rot-gelb-grünes Bündnis folgt erst auf Platz 3 mit einer Wahrscheinlichkeit von 15,6%.

Tabelle 1: Wahrscheinlichkeiten ausgewählter Koalitionsoptionen in Nordrhein-Westfalen auf Grundlage der endgültigen Sitzverteilung

Koalitionsoption Absage einer Ampel- und Jamaika-Koalition der FDP wird aufrechterhalten Absage einer Ampel- und Jamaika-Koalition der FDP wird aufgehoben; SPD und Grüne schließen Bündnis mit der ‚Linken’ aus
CDU und SPD 53,8% 47,1%
SPD, Grüne und Linke 39,9% 0%
SPD, Grüne und FDP 0% 15,6%
CDU, Grüne und FDP 0% 31,9%

Die schlechten Chancen für die Bildung einer Ampelkoalition resultieren vor allem aus den großen inhaltlichen Differenzen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik zwischen der FDP auf der einen und SPD und Grünen auf der anderen Seite. Insofern wäre ohnehin fraglich gewesen, ob Verhandlungen von SPD, FDP und Grünen von Erfolg gekrönt gewesen wären. Die Modellberechnungen können allerdings nicht mit einbeziehen, dass es in einem Bündnis zweier beinahe gleich starker Parteien Konflikte um die Besetzung des Ministerpräsidentenamts geben wird. Ebenso werden innerparteiliche Konflikte zu den verschiedenen Koalitionsoptionen nicht berücksichtigt. Von daher sind die Chancen für eine große Koalition zwar besser als die eines rot-rot-grünen Bündnisses, allerdings spielen eine Reihe von Unwägbarkeiten eine Rolle, die die Bildung beider Koalitionsoptionen erschweren können. Von daher: alles offen in NRW.