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Dschihadisten in Syrien fürchten US-Angriff

 

Die Anzeichen verdichten sich, dass die USA, womöglich gemeinsam mit Großbritannien und anderen Staaten, in den kommenden Tagen Einrichtungen des syrischen Regimes bombardieren werden. Es wäre die erwartete Reaktion auf den tödlichen Giftgasangriff vom vergangenen Mittwoch, der mutmaßlich von Assads Armee ausgegangen war.

Doch in Syrien kämpfende Dschihadisten glauben nicht, dass die USA nur Regierungsziele angreifen würden. Sie befürchten vielmehr, dass die Amerikaner versuchen könnten, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen – und ein paar der Raketen auch auf ihre Stellungen abfeuern. In Syrien kämpfen inzwischen Tausende Islamisten gegen das Assad-Regime – und gegen rivalisierende Rebellengruppen.

In dschihadistischen Internetforen und vor allem auf Twitter kursieren nun jedenfalls Warnungen vor einem möglichen US-Angriff. So wird zum Beispiel unter Dschihadisten und ihren Sympathisanten die Vermutung eines arabischen Journalisten weiterverbreitet, derzufolge das Hauptmotiv der internationalen Gemeinschaft bei Luftschlägen eher die Schwächung der dschihadistischen Gruppen als des Assad-Regimes sein würde.

Ein eher persönlich gehaltenes Schreiben eines Dschihadisten, der (relativ glaubhaft übrigens) versichert, er halte sich in Syrien auf, macht ebenfalls die Runde: „Brüder, eine ernsthafte Angelegenheit“, schreibt er an seine Gesinnungsgenossen und mahnt: „Für jede Rakete, die das Regime trifft, wird eine zweite auf die Mudschahidin gerichtet sein … Die Amerikaner werden so viele Anführer beider Seiten wie möglich töten.“ Es sei nun an der Zeit, den Aufenthaltsort zu wechseln, nur ohne Ankündigung im Land zu reisen, und sich von den Anführern fernzuhalten. Falls es Notfallpläne gäbe, sei jetzt die Zeit, sie zu aktivieren. Größere Mengen Essen und Medikamente gelte es nun, aus den Basen zu räumen. Besonders dramatisch der Hinweis, dass Flugabwehrraketen gegen die mutmaßlich zum Einsatz kommenden US-Flugkörper wohl kaum helfen dürften, sondern eher zu einer Art „Arbeitsselbstmord“ führen würden.

Die in den Postings zum Ausdruck kommende Sorge ist natürlich nachvollziehbar, auch wenn es für Angriffe auf Dschihadisten-Gruppen wohl kaum ein Mandat geben wird. Gleichwohl sind die Reaktionen interessant, weil die möglichen Luftschläge der Amerikaner diesmal eben nicht bejubelt werden. Dies ist sonst, so kurios es klingt, üblich und hat damit zu tun, dass Dschihadisten für gewöhnlich instinktiv davon ausgehen, dass Angriffe von westlichen Mächten, in welcher Form auch immer, ihnen Sympathisanten zuspielen.

Eine andere Theorie, dass nämlich das Giftgas in Wahrheit von Aufständischen oder Dschihadisten eingesetzt wurde, eben um eine militärische Reaktion des Auslandes in Gang zu setzen, wird derweil in dschihadistischen Internet-User-Kreisen wenig diskutiert.

Allerdings muss ich anstandshalber ergänzen, dass mein Einblick im Moment etwas getrübt ist: Einige der entscheidenden dschihadistischen Internetforen, wo die maßgebliche Debatten sonst stattfinden, sind derzeit inaktiv.