Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Post von Breivik

 

Anders Bering Breivik hat aus dem Gefängnis heraus internationale Medien angeschrieben, darunter DIE ZEIT. Er beklagt sich über angebliche Folter und berichtet, dass er sich eine Playstation erstritten hat.  

Bei Veröffentlichungen von Terroristen und Extremisten muss man immer abwägen, ob man, wenn man darüber berichtet, seinen Lesern oder den Verfassern den größeren Dienst erweist. Das insgesamt 35 Seiten lange Schreiben, das Anders Bering Breivik an mehrere nicht-norwegische Medien versandt hat, und das heute auch bei der ZEIT ankam, besteht vor allem aus Propaganda. Auf diese werde ich hier nicht näher eingehen; Breiviks Ideologie ist ausgiebig genug beschrieben worden, unter anderem in diesem Blog und in diesem Dossier aus der ZEIT. Vielleicht so viel: Reue zeigt er nicht; das wäre in der Tat berichtenswert gewesen.

Trotzdem ist Breiviks Brief nicht vollkommen uninteressant. So scheint Breivik sich vorgenommen zu haben, alles, was ihn an Rechten und Freiheiten zustehen könnte, zu erstreiten. Und zwar im Großen, wie im Kleinen. So hat er versucht, eine Partei registrieren zu lassen, allerdings erfolglos. Und er hat sich offenbar als Student an der Universität von Oslo im Fach Politikwissenschaften eingeschrieben, musste aber bereits Prüfungen absagen, wie er schreibt, wohl weil er wegen seiner Auflagen die Studiengebühren nicht zahlen kann. Auch einen Zugang zu einem Studienraum im Gefängnis hat er sich erkämpft, wie er berichtet; außerdem einen Fernseher, eine Playstation und einen Plastikbecher für seine Zahnbürste.

Seit 27 Monaten lebt Breivik hinter Gittern, in Einzelhaft. Er sieht sich als Folteropfer, das ungeschützt der Willkür der Justiz ausgeliefert ist, beklagt sich etwa über die Vielzahl an Sicherheitskontrollen, denen er unterliegt, und darüber, dass er nicht frei und ungehindert mit Sympathisanten korrespondieren dürfe.

Was die Sicherheitskontrollen angeht, führt Breivik eine besonders merkwürdige Argumentation. Diese seien nämlich deshalb sinnlos und unnötig, weil es für ihn gar kein Problem wäre, zu fliehen: „Ich habe die Möglichkeit, zwischen 10 und 15 tödliche Waffen zu bauen, wenn ich das wollte. Ich habe Zugang zu zwei Kugelschreibern, über 40 Schrauben, einem langen Lineal, bis zu 10 bis 15 Plastikmessern, -gabeln und -löffeln, … zahllosen potenziellen Stich- und Hiebwaffen aus den Bauteilen des Fernsehers, eine Schreibmaschine, eine große Thermoskanne, etc. Das ist mehr als als genug…. Ich bräuchte nicht einmal Objekte, um das Team der drei Beamten zu neutralisieren, die mich derzeit außerhalb der Zelle begleiten, und zwar wegen meiner Martial-Arts-Erfahrungen…. Die Handschellen verhindern gar nichts, solange die Arme nicht im Gürtel fixiert sind. Mit einem schnellen, gut gezielten Schlag auf den Kehlkopf hätte ich ganz einfach den stärksten Beamten ausschalten können, ihn entwaffnen können, und hätte es dann mit großer Wahrscheinlichkeit hinbekommen, auch die anderen beiden zu neutralisieren und ihre Schlüssel wegzunhemen. Wenn ich den Wunsch hätte, das zu tun.“

Überhaupt werde nur deshalb ständig durchsucht, weil er in seinem nach den Anschlägen veröffentlichten Manifest stehe, Gefangene müssten versuchen zu fliehen. Die Justizbeamten seien aber wohl die einzigen, die sein „Copy-und-Paste-Werk“ noch ernstnehmen. Er habe schließlich fast alles abgeschrieben.

Ob diese beiden Argumente die beste Strategie ergeben, sich über Handschellen und Körperdurchsuchungen zu beschweren, sei einmal dahingestellt.

Ansonsten erwähnenenswert ist noch, dass Breivik behauptet, mit einer Deutschen befreundet zu sein, mit der er aber seit Frühjahr 2013 nicht mehr telefonieren dürfe. Wer sich dahinter verbirgt, ist ungewiss. Bekannt ist nur, dass während seines Prozesses eine Deutsche aus Stuttgart angereist war, die behauptet hatte, ihm damals schon geschrieben zu haben, und die von den norwegischen Behörden ausgewiesen worden war. Vielleicht geht es um diese Frau. Einen Namen nennt Breivik nicht.

Für sich selbst stellt sich Breivik derweil eine Existenz als Autor vor. Er habe schon zwei Bücher verfasst, seit er einsitze (eines heißt angeblich: „The Breivik Diaries“), aber man lasse ihn sie nicht publizieren. Sein Plan sehe dennoch vor, dass er, nach Erreichen seines Universitätsabschlusses, „zehn bis zwanzig Jahre“ als Autor leben werde.

Der Rest ist, wie gesagt, vor allem rechtsextreme Propaganda, sich selbst bezeichnet er als Faschisten. Es ist nicht das erste Mal, dass Breivik sich aus dem Gefängnis heraus meldet. Und gewiss wird er es wieder tun. Ob es sich lohnt, darüber zu berichten, muss man im Einzelfall enstscheiden. In diesem Fall ist es gerechtfertigt, weil man sich so ein Bild über seine Verfassung machen kann.