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Sechs Experten, fünf Länder, viele Ideen gegen den IS

 

Nach den Anschlägen in Paris habe ich eine ganze Reihe Terrorexperten auf Facebook kontaktiert und sie gebeten, mir innerhalb von drei Minuten drei umsetzbare Vorschläge zur Bekämpfung des „Islamischen Staates“ (IS) zu nennen. Einige haben ein bisschen geschummelt und vier Vorschläge gemacht, andere sich etwas mehr Zeit als 180 Sekunden genommen. Aber ich habe die Antworten trotzdem akzeptiert.

Wieso aber überhaupt diese reduzierte Form und diese strengen Regeln? Zum einen weil ich es gerne kurz und knapp haben wollte. Zum anderen aber, weil ich gerne wissen wollte: Was fällt diesen Experten, die sich ja den ganzen Tag mit dem IS beschäftigen, als Erstes ein – und zwar nicht nach reiflichem Überlegen. Hier sind ihre Antworten. (In der aktuellen ZEIT haben die Kollegin Andrea Böhm, der Kollege Marc Schieritz und ich übrigens unabhängig von diesen Experten zehn Ideen zur Bekämpfung des IS zusammengetragen.)

 

Prof. PETER NEUMANN, ICSR, King’s College, Großbritannien

1.- Schließen der türkisch-syrischen Grenze

2.- Einsatz von mehr Spezialkräften

3.- Europäische Regierungen dazu bringen, mehr Daten über potenziell gewalttätige Extremisten auszutauschen

4.- Und am wichtigsten: Sich klarmachen, dass man den IS nicht in 90 Tagen besiegen wird.

 

DANIEL GERLACH, Chefredakteur der Zeitschrift Zenith und Buchautor, Deutschland

Eine politische Zukunft für die Gebiete unter Kontrolle von Daisch (= IS) entwerfen und das auch klar sagen, um die „Bürger“ unter Daisch-Kontrolle zu erreichen; eine internationale Allianz von Bodentruppen inklusive Panzern zusammenstellen. (Und zenithCouncil anheuern, um herauszufinden, was danach zu tun ist.)

 

AYMENN AL-TAMIMI, Fellow am Middle East Forum, USA (derzeit im türkisch-syrischen Grenzgebiet)

Unterstützung für die Levante-Front und andere Rebellen-Gruppen in der Provinz Nord-Aleppo ausbauen, um den IS dort zurückzudrängen; Luftangriffe gegen IS-Hochburgen und Frontstellungen verstärken; die finanzielle Hilfe für die kürzlich von der (kurdischen) PYD-Miliz eroberten Gegenden ausbauen, um ökonomische Nachhaltigkeit herzustellen und um sicherzustellen, dass die Bewohner nicht länger in IS-Gegenden gehen müssen, um notwendige Waren einzukaufen. Dadurch kann der Geldfluss des IS eingedämmt werden.

 

RUDY ATALLAH, Senior Fellow The Atlantic Council und CEO bei White Mountain Research, USA

Ich würde:

1.- eine aggressive, globale Counter-Messaging-Kampagne ins Leben rufen, um das Kalifat, dessen Anführer Abu Bakr al-Baghdadi und den Terrorismus insgesamt zu diskreditieren. (Wir waren einmal gut auf diesem Gebiet, aber politisch korrekte Politiker haben uns ausgebremst. So verlieren wir Millionen junger Menschen an eine Kultur der Gewalt und des Wahnsinns.)

2.- Obwohl eine militärische Koalition unabdingbar ist, um den Kern der Führung des IS zu zerstören, bleibt eine Schwäche/ein Versagen des Westens der Wiederaufbau nach einem Konflikt. Libyen ist dafür ein perfektes Beispiel. Die Nato intervenierte, half dabei, Gaddafi zu stürzen, und verschwand wieder. Das Netto-Ergebnis ist ein Land voller extremistischer Gruppen, ein Nährboden für „Foreign Fighters“. Unter dem Strich heißt das: Unsere Pläne müssen langfristige Wiederaufbaupläne beinhalten, sodass es kein Vakuum gibt, keine Gegenden, die sich dann in Rückzugsorte für neue Terrorgruppen verwandeln.

 

ASSAF MOGHADAM, IDC Herzliya, Israel

1.- Zurückgekehrte Syrien- und Irakkämpfer, die desillusioniert sind, für Informationskampagnen, Medieninterviews etc. einsetzen.

2.- Sich umfassender auf Spione verlassen, die sich als Syrien- und Irakkämpfer ausgeben

3.- Mehr Unterstützung für die Kurden

 

SHIRAZ MAHER, ICSR, King’s College, Großbritannien

1.- Die finanziellen Kapazitäten des IS aggressiv ins Visier nehmen: Ölquellen zerstören, juristische Maßnahmen gegen IS-Kunden auf dem Schwarzmarkt

2.- Einrichten einer No-Fly-Zone und Einrichten eines „sicheren Rückzugsortes“ in Syrien für Zivilisten

3.- Internationale Unterstützung, unter Umständen militärischer Natur, um der Türkei zu helfen, ihre Grenze zu Syrien zu sichern

4.- Sobald ein sicherer Rückzugsort etabliert ist, die Zivilisten in Rakka (eine der Hauptstädte des IS-Kalifats, -Red.) dazu auffordern, sofort die Stadt zu verlassen – und Rakka anschließend ausgiebig bombardieren.