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Keine Geschäfte mit dem Militär von Sri Lanka

 

Seit es dieses Blog gibt, war geplant, Kollegen, denen ich viel Inspiration und Motivation verdanke, ebenfalls zu Wort kommen zu lassen. Heute schreibt Andreas Schüller. Er leitet den Bereich Völkerstraftaten und rechtliche Verantwortung des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und arbeitet unter anderem zu den Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Bürgerkrieg in Sri Lanka.

Berlin vergangene Woche: Deutsche Wirtschaftsverbände haben zum Sri Lankan-German Business Forum geladen. Die sri-lankische Delegation besteht aus dem Präsidenten Maithripala Sirisena sowie drei seiner Minister. Kräftig rühren Sirisena und seine Begleiter die Werbetrommel für den Standort Sri Lanka, dem Land, das einen jahrzehntelangen Bürgerkrieg erst 2009 beendet hat, auf ziemlich blutige Art und Weise. Zur Frage der Aufarbeitung des Konflikts und der Versöhnung spult der sri-lankische Außenminister brav die Versprechen seiner Regierung an den UN-Menschenrechtsrat ab: Einrichtung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission (es gab bereits 2011 eine Kommission, die aber schwerste Menschenrechtsverletzungen in ihrer Arbeit ausließ), ein Sondergericht (aus dem die Regierung internationale Richter und Ankläger fernhalten möchte), eine Kommission zu Vermissten aus der Zeit des Bürgerkriegs.

Wer wie wir beim European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) schon lange zu Sri Lanka arbeitet, kann bei diesen Versprechungen nur skeptisch sein. Meint es die sri-lankische Regierung dieses Mal wirklich ernst? Werden nun wirklich alle Verantwortlichen für Kriegsverbrechen belangt? Das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Die stärkste Partei des Landes, die United National Party, die auch den Präsidenten unterstützt, hat gerade den Oberkommandierenden der Streitkräfte während des Bürgerkriegs, Sarath Fonseka, ins Parlament aufgenommen.

Und die Wirtschaft? Das sri-lankische Militär, momentan größter wirtschaftlicher Akteur im dicht militarisierten Norden und Nordosten des Landes, dem ehemaligen Konfliktgebiet, erwähnte die Delegation rund um Sirisena mit keinem Wort. Wie wird sichergestellt, dass Handelsaufträge und Wirtschaftsinvestitionen nicht dem Militär zugutekommen, und damit dessen Stellung in den betroffenen Regionen stärken und der rückgesiedelten tamilischen Bevölkerung jegliche Möglichkeit zur Entwicklung nehmen? Die starke Militärpräsenz ist seit Ende des Konflikts ein erhebliches Sicherheitsproblem – vor allem für die Kriegswitwen. Sie berichten immer wieder von sexualisierter Gewalt. Dabei müssten gerade die Verwitweten und die Waisen des Bürgerkriegs Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten bekommen. Von Projekten zu Tourismus, Fischerei oder Einzelhandel profitieren sie bisher nicht.

Das Bundeswirtschaftsministerium und das Auswärtiges Amt aber vermitteln bei Sirisenas Berlinbesuch nicht den Eindruck, als würden diese andauernden Probleme zu ihren Prioritäten hinsichtlich Sri Lanka zählen. Der Gegenbesuch der deutschen Wirtschaft ist für diesen Mai geplant. Unwahrscheinlich, dass sich Unternehmen und Verbände mit den Konfliktfolgen im Norden beschäftigen werden. Dabei böten die aktuellen Verhandlungen der Europäischen Union mit Sri Lanka über Zollvergünstigungen (GSP+) eine Gelegenheit, Standards einzufordern und die Resultate der letzten Verhandlungen von 2010 zu evaluieren. Ohne intensive Auseinandersetzung mit den Konfliktursachen drohen Investitionen aus Deutschland und anderen europäischen Ländern, die ethnische Diskriminierung zu stärken und eine Versöhnung in Sri Lanka zu erschweren.