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Kommentar: Kultusminister Althusmann muss nicht zwangsläufig zurücktreten

 

Der neueste Plagiatsverdachtsfall zwingt alle, neu nachzudenken – auch wenn die Dinge im „Fall“ Althusmann anders liegen als bei zu Guttenberg oder Koch-Mehrin. In einem Aufsehen erregenden Artikel meines Kollegen Martin Spiewak in der ZEIT, werden schwere Vorwürfe gegen den niedersächsischen Kultusminister Bernd Althusmann erhoben, der in diesem Jahr turnusgemäß auch Präsident der Kultusministerkonferenz ist: In seiner Doktorarbeit habe er entweder unsauber zitiert und damit wissenschaftliche Standards verletzt, oder er habe sogar systematisch unsauber zitiert, um zu verschleiern, dass er von anderen abgeschrieben habe. Das sind Vorwürfe ganz unterschiedlicher Qualität. Ersteres wäre eine Schlampigkeit, die der Wissenschaft abträglich ist. Letzteres würde die Doktorarbeit des Ministers als Plagiat qualifizieren; dann hätte er betrogen.

Wenn die Universität Potsdam, die den Minister seinerzeit promoviert hat, bei einer Nachprüfung nun feststellen sollte, dass er bei der Arbeit betrogen hat, dann muss sie ihm den Doktortitel aberkennen – und dann muss der Minister von seinen Ämtern zurücktreten. Da kann es keinen Zweifel geben.

Anders verhält es sich, wenn Althusmann „nur“ unsauber zitiert hat. Denn dann trifft die Universität ein gehöriges Maß an Mitschuld. In seiner Doktorarbeit bedient sich der Minister sehr oft des schwammigen Hinweises „vergleiche“. Damit verweist er „irgendwie“ darauf, dass andere Wissenschaftler sich auch mit dem Thema beschäftigt haben. Ob Althusmann deren Argumentation teilt oder ob er sie ablehnt, ob er sie zur Kenntnis genommen hat oder abgeschrieben hat, das ist unklar. Viele Doktorväter „verbieten“ ihren Doktoranden deshalb das „Vergleiche“. Die Prüfer an der Uni Potsdam haben es durchgehen lassen. Althusmann kann daraus also durchaus geschlossen haben, dass diese Zitierweise in Ordnung sei. Dass die Arbeit inhaltliche Schwächen hat, war den Prüfern klar und wird auch von Althusmann nicht geleugnet. Die Arbeit wurde mit „rite“ (ausreichend) benotet, die Note, mit der die Arbeit gerade noch als bestanden gilt und die äußerst selten vergeben wird. Dennoch: Auch Politiker haben das Recht auf eine schlechte Doktorarbeit. Ob es sie schmückt, ist eine andere Frage.

Es kann nun passieren (immer unterstellt, dass Althusmann nicht betrogen hat), dass die Universität bei einer nochmaligen Überprüfung der Arbeit zu dem Schluss kommt, dass sie doch keinen wissenschaftlichen Ertrag hat und/oder, dass die Zitierweise nun doch nicht wissenschaftlichen Standards genüge. Vielleicht (so genau kenne ich mich im Promotionsrecht nicht aus) entzieht sie ihm dann aus diesen Gründen den Titel – und macht sich so einen schlanken Fuß.

In diesem Fall wäre der Entzug des Titels für Althusmann zwar unangenehm, aber kein Rücktrittsgrund. Denn er hat sich, nachdem die Vorwürfe in der ZEIT bekannt wurden, so verhalten, wie man es von einem Politiker erwarten muss. Er hat weder den Guttenberg-Fehler gemacht („die Vorwürfe sind abstrus“), noch den Koch-Mehrin-Fehler („die Uni ist schuld“).

Er hat die Vorwürfe ernst genommen und sich für mögliche Fehler entschuldigt. Er stellt sich dem Verfahren der Universität Potsdam und verspricht vollkommene Transparenz.

Minister Althusmann hat erklärt, dass er seine Doktorarbeit „nach bestem Wissen“ angefertigt und nicht bewusst plagiiert habe.

Bis zum Beweis des Gegenteils muss auch bei Politikern die Unschuldsvermutung gelten. Als überführter Schummler müsste Althusmann zurücktreten. Als Doktorand am Rande des Scheiterns könnte er mit einem blauen Auge im Amt bleiben. Und vielleicht anderen sogar ein Beispiel geben.