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Hamburger Schulreform: Primarschule gescheitert, Vernunft hat gesiegt

 

Mit einem Volksentscheid haben die Hamburger das Vorhaben des schwarz-grünen Senats (sowie der SPD und der Linkspartei) durchkreuzt, die Grundschulzeit von vier auf sechs Jahre zu verlängern und die Grundschulen in Primarschulen umzutaufen.

276.416 Bürgerinnen und Bürger der Hansestadt (endgültiges Ergebnis laut Statistikamt Nord) stimmten für einen dahin gehenden Antrag der Elterninitiative „Wir wollen lernen!“, lediglich 217.969 unterstützten den Reformkurs des Senats und der Bürgerschaft, wie Regierung und Parlament in Hamburg heißen. Für ein Gelingen des Volksentscheids, der in Hamburg verbindlich ist, war die Mehrheit der abgegebenen Stimmen nötig, sowie eine Mindeststimmenzahl von 247.335 (ein Fünftel der Wahlberechtigten). Auch das Recht der Eltern bleibt nun erhalten, zu entscheiden, auf welche Schulform ihr Kind nach der Grundschule wechselt.

Damit haben auch bundesweit die Befürworter des „längeren gemeinsamen Lernens“ einen Dämpfer bekommen. Die neue rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen etwa, die dreißig Prozent der Schulen bis 2015 in Gemeinschaftsschulen umwandeln will oder die schwarz-gelb-grüne Regierung des Saarlands, die die Grundschulzeit auf fünf Jahre verlängern will.

Keineswegs ist damit jetzt der Weg für weitere mutige Schulreformen versperrt, nur an übermütige Reformen wird sich so schnell keiner wieder heranwagen.

Auch in Hamburg ist nicht die Schulreform gescheitert, sondern nur eine Übertreibung. Der bedeutendste Teil der Schulreform – für den es einen breiten Konsens in der Stadt gibt – kann nun mit Macht in Angriff genommen werden: Die Vereinigung aller Schulformen neben dem Gymnasium zur sogenannten Stadtteilschule. Damit soll dem Trend entgegengewirkt werden, dass sich insbesondere Hauptschulen zu „Restschulen“ entwickeln, in denen sich die schwächsten zehn Prozent der Schülerschaft sammeln und an denen die Kinder kaum etwas lernen. An der Stadtteilschule sollen die Schüler alle Schulabschlüsse ablegen können, die leistungsstarken unter ihnen auch das Abitur – nach 13 Schuljahren, statt nach 12 wie am Gymnasium. Damit die Stadtteilschule sich zu einer attraktiven Alternative zum Gymnasium entwickeln kann, müssen Schulpolitik und Schulverwaltung viel Kraft und Ideen in sie investieren. Gut also, dass das kraftzehrende Primarschulabenteuer nun vom Tisch ist.

Auch andere Maßnahmen, mit denen den schwachen Schülern geholfen werden kann, können nun vorangetrieben werden: Die dringend nötige Sprachförderung schon vor der Schule und begleitend während der gesamten Schulzeit, im Unterricht, am Nachmittag, an den Wochenenden, in den Ferien. Zudem muss verstärkt in die frühkindliche Bildung investiert werden. Alle Bildungsforscher sind sich darin einig, dass dort für die Kinder aus bildungsfernen Schichten am meisten erreicht werden kann.

Die Einführung der Primarschule hätte viel Kraft gekostet und Unruhe verbreitet. Vor allem die Gymnasien und ambitionierte weiterführende Schulen hatten um ihre fünften und sechsten Klassen gebangt. Ob die längere gemeinsame Schulzeit von schwächeren und stärkeren Schülern aber mehr Bildungsgerechtigkeit gebracht hätte, wie die Verfechter der Primarschule anführen, wäre vollkommen ungewiss gewesen. Zwar weisen einige Statistiken vage darauf hin. Aber andere Untersuchungen zeigen, dass die Schule gegen die starke Rolle der sozialen Herkunft für den Schulerfolg recht machtlos ist. Auch schaffen Länder wie Holland oder Belgien oder das Bundesland Berlin mit ihren sechsjährigen Grundschulen nicht mehr Gerechtigkeit als Bundesländer mit vierjähriger Grundschulzeit, wie die Pisa-Studie und andere Untersuchungen zeigen.

Aber auch die Schüler, Eltern und Lehrer der Hamburger Gymnasien, die erfolgreich gegen die Primarschule gekämpft haben, sind nun in der Pflicht. Sie müssen sich überlegen, was sie zum sozialen Zusammenhalt der Stadt beitragen können – ganz besonders die humanistischen Gymnasien, wenn Humanismus nicht zu hohlen Phrase verkommen soll. Sie könnten Patenschaften für Schulen in sozial schwächeren Stadtteilen übernehmen, ihre Schüler, Eltern und Lehrer könnten den Schülern in Problemstadtteilen Nachhilfe geben oder ihnen als Mentoren dienen.

Es wäre schön, wenn sich die Elterninitiative „Wir wollen lernen!“ in die Initiative „Wir wollen helfen!“ umwandelte.