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Iiih, wie sehen Sie denn da unten aus!

 

Vor kurzem trudelte folgende Pressemitteilung bei uns ein. Genießen Sie die erst mal: (Hervorhebungen von mir.)

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WEIBLICHER INTIMBEREICH: FÜR ÄSTHETISCH-PLASTISCHE CHIRURGIE KEIN TABU
Schonende und schmerzlose Eingriffe helfen bei Scheidenanomalien

Nahezu jeder Körperteil stand in den letzten Jahren im Fokus der Medienberichterstattung über die Schönheitschirurgie. Ausgenommen: Ästhetische Eingriffe im weiblichen Intimbereich. Ein Tabu, das nach Ansicht des Vorstandsmitglieds der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) Dr. Hermann Solz nicht mehr zeitgemäß ist.

„Keiner kann sich den Leidensdruck von Frauen vorstellen, deren Genital nicht so gestaltet ist, wie es natürlich wäre“, sagt Dr. Hermann Solz, Facharzt für Plastische Chirurgie. „Dazu gehören Frauen, die beispielsweise unter angeborenen oder erworbenen Veränderungen ihrer Schamlippen oder ihres Schamhügels leiden. Solche Anomalien gehen häufig mit sehr großen seelischen und körperlichen Belastungen einher.“ Für diese Frauen ist es kaum möglich, lange zu sitzen, Fahrrad zu fahren, zu reiten oder enge Kleidung zu tragen, ohne dass Schmerzen oder unangenehme Entzündungen aufträten.

Aber auch Lifestyle bedingte Handicaps entsprechender Genitalanomalien lassen die Nachfrage nach den so genannten Intim-OPs in Deutschland aktuell empor schnellen. „Die Gründe dafür liegen u.a. in der fast schon selbstverständlichen Intimrasur bei jungen Frauen oder im gemeinsamen Sporterlebnis in öffentlichen Fitnessclubs. So kommen z.B. immer mehr Frauen mit einer Schamlippen-Asymmetrie – d.h. bei ihnen ist eine Schamlippe weitaus größer als die andere – aus ästhetischen Gründen zu mir, um einen Korrektureingriff vornehmen zu lassen“, sagt Frau Dr. Regina Wagner, Fachärztin für Plastische Chirurgie aus Hamburg. „Diese Frauen sind einfach nicht mehr bereit, durch diese Veränderungen Nachteile in Kauf zu nehmen oder sich auf Dauer mit neugierigen Blicken abzufinden.“

Bei der Verkleinerung der inneren oder äußeren Schamlippen handelt es sich um einen Eingriff, der mit Hilfe eines Skalpells, eines CO2-Lasers oder der Radiowellenchirurgie und ambulant unter örtlicher Betäubung, d.h. schmerzfrei durchgeführt wird. Die Narben sind nach der Heilphase kaum sichtbar.

„Wie bei allen ästhetisch-plastischen Eingriffen sollten entsprechende Korrekturen des weiblichen Intimbereichs aber ausschließlich von Ärzten mit entsprechender Fachkompetenz und Erfahrung durchgeführt werden, damit die Funktionalität und Sensibilität des Intimbereichs nicht beeinträchtigt wird“, sagt DGÄPC Vorstandsmitglied Dr. Hermann Solz.
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Wow.

Lassen Sie uns das der Reihe nach durchgehen:
„Tabu“: Die abgegriffenste Methode, um sich interessant zu machen. Man erfindet ein Tabu, das man dann heldenhaft enttabuisieren kann.

„… nicht so gestaltet, wie es natürlich wäre“: Hallo? Wenn es an einem Menschen dran hängt, ist es natürlich. Erst wenn man mittels CO2-Lasern dran herumschnipselt, wird es unnatürlich, weil vom Menschen manipuliert.

„eine Schamlippe weitaus größer als die andere“: Definiere „weitaus“. Mädchen (und Buben) lernen bei Dr. Sommer bereits in der ersten Lektion eine der wichtigsten Grundregeln über den Menschen: Kaum einer ist perfekt symmetrisch, jeder sieht anders aus, der eine Schniedel biegt sich nach rechts, die andere Brust hängt etwas mehr nach links. NA UND? Erst wenn der Schniedel so stark gebogen ist, dass er nicht mehr reingeht, ist vermutlich Handlungsbedarf gegeben. Oder wenn eine Frau ständig auf ihre rechte Schamlippe tritt.

„Nachteile“: Welche Nachteile hat eine Frau durch ungleich große Labien? Weniger Gehalt? Kriegt im Supermarkt immer nur die abgelaufene Milch? Muss im Fitnessstudio Entschädigungszuschlag zahlen, weil die anderen Frauen sie unter der Dusche ansehen müssen? All die „Nachteile“, die hier insinuiert werden, sind zu 90 % lächerlich:

Keine enge Kleidung: Frauen tragen nicht einmal bestimmte Kleidungsstücke, nur weil die ihren Oberkörper zu lang/ihren Busen zu groß/ihre Augen zu eng beieinander stehend erscheinen lassen. Da werden sie es wohl über sich bringen, einfach keine engen Hosen anzuziehen, wenn da ständig was zwickt.

Mit anderen duschen: Ich weiß ja nicht, in welcher Position Frau Dr. Wagner duscht – aber in meinem Fitnessstudio kann ich in den seltensten Fällen überhaupt Schamlippen erkennen (auch nicht bei intimrasierten Frauen), geschweige denn, ob eine größer als die andere ist.

Das einzige Argument, das eigenartigerweise in dieser Aussendung nicht einmal angedeutet wurde, ist der Sex. Dass Frauen Angst haben könnten, wie ihr „da unten“ einem Mann gefällt. Immerhin. Abgesehen davon, dass es sogar ausgesprochene Liebhaber großer/ungleicher Labien gibt (entsprechende Links auf Anfrage) und dass es sogar Frauen gibt, die ihre Labien mit Gewichten extra in die Länge ziehen (und zwar in eine Länge, wo das Fahrradproblem wirklich langsam eines wird), ist es doch so: Die wenigsten Männer werden sich durch einen weiblichen Genitalbereich, der nicht dem Schönheitschirurgen-Ideal entspricht, irritieren lassen. Und wenn doch, dann haben sie das Problem, nicht die Frau.

Ja, natürlich gibt es „Anomalien“, die solche Beschwerden bereiten, dass sie korrigiert werden sollten. Ich vermute allerdings stark, dass die Anzahl der betroffenen Frauen um ein Vielfaches geringer ist, als die DGÄPC hier weiszumachen versucht.

In Wirklichkeit geht es doch darum, die potenziellen Unsicherheiten, die zweifellos bei manchen Frauen vorhanden sind, zu einem neuen Marktsegment zu machen, und das unter dem Deckmäntelchen, doch nur „den Leidensdruck“, die „großen seelischen und körperlichen Belastungen“ mindern zu wollen. Das ist so hinterrücks-fies, dass es sprachlos macht.

Die besten ästhetisch-plastischen Chirurgen sind die, die sich selbst um einen Großteil ihrer Jobs bringen. Und einfach sagen: „Das sieht alles völlig normal aus. Lassen Sie den Schwachsinn.“