Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Niederlande gegen Deutschland 1:2

 
  • Mario Gomez traf zweimal für Deutschland
  • Robin van Persie gelang nur der Anschluss
  • Die Niederlande sind so gut wie ausgeschieden
  • Deutschland reicht ein Unentschieden gegen Dänemark, um das Viertelfinale zu erreichen

Fazit

Es hätte so schön werden können, das Spiel der beiden großen Rivalen. Die Niederländer, nach der Auftaktniederlage mit dem Rücken zu Wand, hätten endlich das Offensivfeuerwerk gezündet, das man von ihnen erwartet. Die Deutschen hätten dagegen gehalten und wären mit einem 3:3 vom Platz gegangen. Mindestens. Kurz, es wäre ein Spiel für die Ewigkeit gewesen.

Vielleicht waren die Erwartungen etwas hoch. Es war schließlich kein zweites 1974, kein 1988, kein 1990 und am Ende sicherlich nicht der Klassiker, den sich viele erhofft hatten – was vor allem an den Gegnern in Orange lag. Die Niederländer mussten gewinnen und konnten einfach nicht. Am Ende hatten sie zwar mehr Ballbesitz, aber nur wenige herausgespielte Chancen. Der Anschlusstreffer durch Robin van Persie nach einer Einzelaktion ist bezeichnend für das Spiel der Elftal.

Stattdessen glänzte Mario Gomez. Ausgerechnet Gomez! Der Gomez, den die Kritiker nach dem Spiel gegen Portugal schon aus der Startelf mäkeln wollten. Er bewege sich zuwenig, würde sich wundliegen hieß es. Joachim Löw, ohnehin kein Freund großer Experimente, hielt an ihm fest und das zu Recht: Nach 37 Minuten hatte Gomez zwar wieder nur magere zwölf Ballkontakte – aber zwei Treffer auf dem Konto. Mehr Effektivität geht kaum. Schöner als die Tore waren nur die Pässe von Schweinsteiger. Damit dürfte sowohl die Stürmerdiskussion für den Rest des Turniers erledigt sein als auch die Frage, wie wichtig der Bayern-Block für diese Mannschaft ist.

Hoffen wir eben auf das nächste Pflichtspiel gegen die Niederlande. Vielleicht dauert es ja diesmal keine zwanzig Jahre.

93. Und dann ist Schluss, Schluss, Schluss! Deutschland gewinnt erstmals das zweite Gruppenspiel bei einem großen Turnier. Am Ende fuhr Gomez mit dem Motorboot durch die niederländischen Abwehrgrachten:

91. Lars Bender kommt noch einmal für Thomas Müller, der insgesamt etwas hinter den Erwartungen bliebt. Kennt man ja aus dieser Saison.

87. Boateng bekommt die gelbe Karte wegen Zeitspiels. Damit fehlt er im letzten Gruppenspiel. Taktik?

82. Robben dachte, es gibt Elfmeterschießen und hat sich vorsorglich auswechseln lassen. Dreht danach noch eine Stadionrunde, eher unfreiwillig wohl. Möchte vielleicht auch nur Bert van Marwijk aus dem Weg gehen, denn: Ein Robben lässt sich nicht so leicht auf die Sandbank setzen.

78. Die Niederländer werfen jetzt alles nach vorne: Bälle, Spieler, Gliedmaßen. Im deutschen Strafraum wird gewühlt wie bei der Tomatenernte. Toni Kroos kommt für Özil.

73. Na siehste, hat geklappt, die alte Taktik: Einfach so lange stänkern, bis was passiert. Robin van Persie versucht es mal alleine und schießt unhaltbar ins Tor, auch wenn Badstuber etwas passiv wirkte. Nur noch 1:2. Geht da noch was? Die Dänen haben es ja vorgemacht…

72. Klose jetzt für Gomez. Soll sich ja nicht überanstrengen bei der Hitze. Zum Glück hat er nicht Marcel Schmelzer gebracht, das hätte wohl niemand verantworten können.

68. Das Spiel ist jetzt ähnlich besinnlich wie ein Besuch im Rembrandt-Museum. Wo bleibt denn nun die orangene Revolution? Selbst unser Mann im Stadion findet Zeit, die deutschen Fans zu grüßen:

65. Königin Beatrix wartet schon auf die Spieler der Elftal. Vielleicht sollten sie besser in der Ukraine bleiben.

58. Zurück zum Spiel: Die Niederländer versuchen es doch noch einmal und drücken nach vorne. Erst versucht es Robben, dann Robin van Persie. Zehn zu sieben Torschüsse für Deutschland.

57. Oliver Kahn hat inzwischen 2.099 Follower auf Twitter und damit mehr Fans als van Bommel gelbe Karten. Aber auch nur gerade so.

51. Vergesst die Zurückhaltung! Mats hält es nicht mehr in der Abwehr, er hat Hummels im Hintern und stürmt nach vorne, scheitert dann aber an Stekelenburg.

48. Béla Réthy radebricht sich einen Ast ab. Mehr sprachliche Ergüsse aus der Kommentatorenbox gibt es übrigens hier.

46. Es geht weiter. Bert van Marwijk bringt Huntelaar für Afellay und van der Vaart für van Bommel. Mehr Offensive geht kaum, aber so wie es aussieht, vanfahren die Niederländer damit allenfalls nach Hause.

Der Ball ist wund! Gomez zum 1:0 (Bild: Kim Ludbrook/dpa)

Halbzeit

Aus der Kategorie „Sätze, die man nie zu lesen glaubte“: Die Niederländer haben ein Sturmproblem. Noch immer sind sie das einzige Team im Turnier ohne Treffer. Robin van Persie, der Gunner, der Torschützenkönig der Premier League, scheint sein Zielwasser in London gelassen zu haben. Allerdings wird er auch nicht richtig in Szene gesetzt. Nach einigen Wacklern hat sich die deutsche Abwehr spätestens mit dem Führungstreffer stabilisiert. Laut Statistik gibt es zwar immer noch mehr Ballbesitz für die Oranje, das merkt man aber nicht.

Zugegeben, ein neuer Fußballklassiker sieht anders aus, dazu gehören nämlich immer zwei. Das findet auch Leser/in Mariuccia: „Das Ergebnis stimmt aber ein Spektakel ist das nicht.“ Na gut.

45. Halbzeit. 2:0 für Deutschland. Puh.

38. Szenen auf der Ersatzbank, die jede Soap-Opera bereichern würden: „Weinst du, Miro?“ -„Nee, ich hab nur was im Auge.“

37. Toooooor! Zunächst scheitert Badstuber per Kopf an Stekelenburg, dann ist es wieder Schweinsteiger mit einem Pass auf Gomez, der wuchtig von halbrechts in lange Eck einschießt. Stekelenburg schien etwas früh unten, aber das war schon stark gemacht.

31. Mehmet Scholl hat sich zuhause unter drei hässlichen Pullovern versteckt. Der hatte es schon früher nicht immer einfach, der Mehmet.

24. Tooooor! Da wollte ich gerade fragen, ob schon jemand Gomez gewendet hat und dann das: Schweinsteiger mit einem Traumpass in den Strafraum, Gomez dreht sich mit dem Ball als hätte er die Pina Bausch Dokumentation auf Blu-Ray zuhause und schiebt überlegt ein.

25. Und Jögi Löw so:

21. Robben bekommt einen von Teamkollege Badstuber auf die Marmel, muss blutend behandelt werden. Der Artenschutz ist für 90 Minuten aufgehoben.

18. Schiedrichter Jonas Eriksson ist übrigens Multimillionär und damit „die reichste Pfeife der Welt.“

13. Özil versucht es gegen Mathijsen, fällt im Strafraum. Aber, wie Kollege Fritsch weiß:

11. Der Kollege vermutet, Hummels spielt sich heute aus der Mannschaft. Ich als BVB-Fan halte natürlich dagegen, hoffe aber doch auf Besserung.

9. Und Özil an den Pfosten! Stekelenburg, ein Name wie ein Bier, kann noch klären. Auf einmal nimmt die Sache Fahrt auf. „Ein Spiel ohne Pausen“ fabuliert Béla Réthy schon jetzt.

7. Erste große Möglichkeit: van Persie schleicht sich von Hummels weg und steht vor Neuer, der kann gerade noch klären.

5. Es ist ein verhaltener Beginn, keine tschechischen Verhältnisse bis jetzt.

1. Das Spiel läuft!

20:41 Auch unser Mann in Charkiw ist von einem kommenden Klassiker überzeugt:

20:33 Oliver Fritsch ist in Danzig und beobachtet deutsche Verhältnisse unter irischen Fans:

20:30 Katrin Müller-Hohenstein trägt heute Raumanzug. Usedom ist der neue Mars. Oder, wie der Express schrieb, die neue Hohlfühl-Arena.

20:25 Die Aufstellungen beider Teams zeigen nur eine Änderung: Bei der Oranje rückt Mathijsen in die Abwehr.

Niederlande: Stekelenburg – van der Wiel, Heitinga, Mathijsen, Willems – van Bommel, N. de Jong – Robben, Sneijder, Afellay – van Persie

Deutschland: Neuer – Boateng, Hummels, Badstuber, Lahm – Schweinsteiger, Khedira – Müller, Özil, Podolski – Gomez

20:18 Mollige 31 Grad sind es zur Zeit in Charkiw. Viel zu heiß, sagen die Deutschen. Etwas seltsam ist das ja schon, schließlich hat sie niemand gezwungen, im 15 Grad kühleren Danzig ihr Quartier zu beziehen und die 1300 Kilometer zu reisen. Und überhaupt könnte man es doch als Probe für die Weltmeisterschaft 2022 in Qatar sehen. Aber vermutlich spielt dann ohnehin nur noch Miroslav Klose.

20:10 Wer es nicht mitbekommen hat: Portugal gewinnt in letzter Minute 3:2 gegen Dänemark. Das heißt, Deutschland kann selbst mit einem Sieg heute noch nicht das Viertelfinale sichern. Und Oliver Kahn ist jetzt bei Twitter.

Oranje-Fans in Charkiw

19:55 Steffen Dobbert, unser Reporter in Charkiw ist verstört. Die Holländer sind viel zu nett, um gegen sie zu sein. Gemeinsam mit Anna Kemper ist er vom Stadtzentrum in Charkiw, dort wo Lenin über alles wacht, bis zum Stadion gelaufen. Etwa eine Stunde, bei 40 Grad. Es war wie ein orangener Marsch bei einem Kulturfestival so etwas wie eine Loveparade ohne blöde Musik. Die Hollandfans sangen Ukraina-Ukraina, die Ukrainer standen an den Straßenseiten oder schauten von ihren Balkonen, winkten und warfen Handküsse über die Menschen. Drei deutsche Fans waren auf dem ganzen Weg auch dabei, mehr nicht.

Vorbericht

Wie viele Höhepunkte hätte das Duell Niederlande gegen Deutschland ohne seine Geschichte? Weniger als der Amsterdamer Pegel. In den vergangenen zwanzig Jahren gab es lediglich ein Pflichtspiel der beiden Mannschaften. Es war ein spannendes, aber unspektakuläres 1:1 bei der EM 2004. Torsten Frings traf damals, schlimmer geht es eigentlich nicht. Das letzte Spiel im vergangenen November, ein 3:0 Sieg der DFB-Elf gegen dezimierte Niederländer bot zwar reichlich Grund zum Feixen, hatte sportlich aber wenig Aussagekraft.

Nein, die großen Fußball-Momente, die heute gerne beschworen werden, liegen lange zurück: Das Finale von 1974 in München, Koemans Hinternputzer bei der EM 1988 und Frank Rijkaards Spucker zwei Jahre später in Italien. Damals, als der „totale Fußball“ der Oranje als die Antithese deutschbiederer Spielkultur galt und die Fans als große Rivalen.

Das war einmal. Heute sind sich die Systeme und Spieler ähnlich. Die Niederländer haben endlich so etwas wie eine Verteidigung entdeckt, die Deutschen dafür das schöne Offensivspiel. Selbst den gleichen Herrenausstatter scheinen die Trainer zu haben:

"Schicker Schal, Bert" "Dank je wel, Jogi!"

Langweilig wird das Spiel heute Abend dennoch nicht. Dafür hat uns der Zufall zu ungewohnte Voraussetzungen beschert. Die Niederländer, die Mitfavoriten, müssen gewinnen. Eine zweite Niederlage im zweiten Spiel würde wohl das Aus bedeuten. Im ersten Spiel gegen Dänemark ackerten die Oranje-Stürmer neunzig Minuten, trafen keinen Tulpentopf und robbten nach Abpfiff van dannen. Werden sie auch gegen Deutschland noch einmal so schlecht treffen? Unwahrscheinlich.

Und die Deutschen? Sie spielten nicht schön, nicht rund, aber effektiv wie zu Zeiten als die Shorts noch short waren. Mario Gomez, der wundersame Wundgelegene, stand gegen Portugal einmal auf und traf zum Siegtreffer. „Auf dem falschen Weg zum richtigen Ergebnis“, nannte der Kollege Oliver Fritsch das. Werden sie sich auch gegen die Niederlande noch einmal durchrumpeln? Abwarten.

Man merkt: Die Konstellation macht Mut für das Spiel heute Abend. Es macht Mut, dass es nicht nur ein weiteres Spiel wird, sondern endlich wieder ein Klassiker deutsch-niederländischer Geschichte. Ein Klassiker wie dieser: