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Deutschland – Schweden 4:4

 

Toni Kroos gegen Andreas Granqvist Foto: Boris Streubel/Getty Images
Toni Kroos gegen Andreas Granqvist Foto: Boris Streubel/Getty Images

Fazit

So, durchatmen, nachdenken, und mal ganz langsam. Spieler und Trainer waren nach diesem Spiel völlig ratlos. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, war am Häufigsten zu hören. Das trifft es. An dieses Spiel wird man sich noch lange erinnern, steht es doch für die zwei Seiten der derzeitigen Nationalelf. Für großartigen Fußball und für Kopflosigkeit, Verzagtheit. Nach 60 Minuten führte die DFB-Elf mit 4:0, spielte besser als je zuvor in diesem Jahr, berauschte, kombinierte, doppelpasste – ach, wie war das schön. Dann fiel das erste Gegentor, dann das Zweite und es ging dahin. Die deutsche Mannschaft bekam es mit der Angst zu tun, machte einfache Fehler, gewann keine Zweikämpfe mehr, fing das dritte Tor und in der Nachspielzeit fast folgerichtig den Ausgleich. Viermal schossen die Schweden aufs Tor, viermal trafen sie. Punktetechnisch tut das nicht weh, die Mannschaft wird sich sicher für Brasilien qualifizieren, dafür ist sie einfach zu gut. Aber das 4:4 wird die Charakterdiskussion wieder anheizen, so viel ist sicher.

Selbst der große Gary Lineker fühlt sich genötigt, seinen berühmten Satz zu modifizieren.

Schluss, vorbei, aus 4:0 ein 4:4. Ein Spiel, das in die Geschichtsbücher eingehen wird.

93. Minute Es kommt wie es kommen muss. Tor für Schweden. Rasmus Elm macht das 4:4. Kann völlig frei aus elf Metern abschließen. Und die deutsche Abwehr schaut zu, bevor sie verstört zu Boden sinkt. Ich glaub das nicht, ich kann nicht mehr.

88. Minute So schlimm steht es schon. Philipp Lahm bekommt eine Gelbe Karte wegen eines verzögert ausgeführten Einwurfes. Zittern nach einer 4:0-Führung. Wie absurd.

85. Minute Riesenchance für die Schweden. Neuer bekommt den Ball im Strafraum nicht zu fassen, Sana kommt frei zum Schuss, haut aber übers Tor. Glück.

83. Minute Die deutsche Elf scheint sich wieder zu fangen. Kroos schießt an den Außenpfosten, Özil trifft auf das Tor. Herr Bartels von der ARD weiß, dass eine deutsche Mannschaft noch nie einen Vier-Tore-Vorsprung hergegeben hat. Aber was ist in diesem DFB-Jahr schon normal?

76. Minute: Tor für Schweden, 4:3, kaum zu glauben. Boateng steht schlecht, Mertesacker eskortiert seinen Gegenspieler nur und Johan Elmander macht den Anschlusstreffer. Die werden doch nicht… Ich wollte ihn ja heute echt nicht bringen, aber jetzt geht es nicht anders: Alter Schwede!

71. Minuten Bei schwedischen Ecken geht es im deutschen Strafraum zu wie in der Villa Kunterbunt.

68. Minute Gerade wollte ich die große Eloge auf das deutsche Spiel schreiben, da fällt fast das dritte Gegentor innerhalb von vier Minuten. So etwas wäre einer alten deutschen Mannschaft nicht passiert. Die vier Tore davor allerdings auch nicht. Also alles kein Problem. Noch. Götze kommt.

64. Minute: Wieder Tor für Schweden, 4:2, Lustig, der Rechtsverteidiger. Alles sehr seltsam hier. Der zweite schwedische Torschuss dieser Halbzeit, das zweite Tor. Badstuber unterschützt einen langen Ball. Lustig trifft, Mikael, nicht Peter – Neuer kann gar nicht lachen.

62. Minute: Tor für Schweden, 4:1, natürlich Zlatan Ibrahimovic. Müller verliert den Ball im Mittelfeld, sah es wie ein Foul, und dann geht es schnell. Flanke aus dem Halbfeld, Ibrahimovic, bis dahin abwesend, köpft ihn rein. Das obligatorische Gegentor der deutschen Mannschaft. Reicht dann auch.

56. Minute: Tooor für Deutschland, 4:0, Mesut Özil. Die Schweden sind nun etwas aufgerückt, aber Deutschland kann auch kontern. Müller flankt auf Özil, der im Strafraum Zeit hat, sich den Ball runter zu nehmen, den Torwart zu fragen, in welche Ecke er den Ball haben will, um ihn dann neben den langen Pfosten zu setzen.

50. Minute Es geht dann mal weiter. Wieder beginnt die Hälfte mit einer Müller-Chance. Deutschland also bestimmt die Partie, Schweden sucht noch immer nach der Aufbauanleitung für das eigene Spiel. Und dann haben sie scheinbar auch noch die kleinen Inbusschlüssel aus ihren Möbelhäusern vergessen.

Lukas Podolski macht sich einen Spaß und drischt die Pausenbälle auf den kommentierenden Mehmet Scholl. Mario Gomez ist noch nicht dabei.

Halbzeit Ja, hallo! Die deutsche Elf macht da weiter, wo sie in Dublin vor allem in der zweiten Hälfte aufgehört hat. Sie spielt nach vorne, sie spielt schön, sie trifft. Ein großartiger Marco Reus bereitet Kloses Tore vor, dann trifft auch noch Per Mertesacker. Die Schweden etwa so brav wie Tommy und Annika. Kleiner Schönheitsfehler: Klose scheint vor dem 3:0 den Ball mit dem Arm berührt zu haben. Ausgerechnet heute. Wird ihm der Fair-Play-Preis gleich wieder weggenommen?

39. Minute: Da ist es! Tooor für Deutschland, 3:0, Per Mertesacker, was?, ja, Per Mertesacker! Der lange Ball kommt auf Müller, also Thomas, der legt ab und Mertesacker prügelt den Ball ins Netz. Sein zweites Länderspieltor im 84. Länderspiel. Ja hier ist ja was los! Trifft nachher noch der Busfahrer?

Der Kollege im Stadion ist reif für das nächste Tor.

32. Minute Schweden hat nun erkannt, dass sie so hier keinen Blumenkasten gewinnen, wenn sie so weitermachen. Sie greifen jetzt früh an, und schon muss die deutsche Abwehr den langen Ball auspacken. Nur Ibrahimovic presst nicht mit, kratzt sich lieber am Kopf.

25. Minute Und nun klärt Klose an der eigenen Eckfahne. Als Stürmer! Was passiert als nächstes? Özil grätscht? Badstuber verliert einen Zweikampf? Ballack wird eingewechselt?

23. Minute Die deutsche Mannschaft bislang fast fehlerlos. Sie spielt so gut, dass selbst Boateng sich in die Offensive einschaltet. Schon gegen Irland lungerte er öfters vorne am gegnerischen Strafraum rum. Er will sein ersten Länderspieltor.

15. Minute: Wieder Toooor für Deutschland, 2:0, wieder Miroslav Klose. Und was für eines. Reus-Kroos-Reus-Müller-Reus-Klose. Ein doppelter Doppelpass und dann wieder Reus‘ Rückpass auf Klose. Fußball wie aus dem Lehrbuch. Schweden staunt. Und nur noch ein Tor bis Gerd Müller.

12. Minute Schönes Zusammenspiel von Lahm und Reus da vor dem Tor. Wenn der Hoeneß-Uli das gesehen hat, muss ihm doch das Herz geblutet haben. Und dann trifft auch noch Klose, obwohl es gar nicht gegen Liechtenstein geht.

8. Minute: Tooor für Deutschland, 1:0, Miroslav Klose. Reus kommt völlig blank über links, spielt zum Elfmeterpunkt auf Klose. Der macht sein 66. Länderspieltor. Noch zwei bis Gerd Müller.

2. Minute Gleich einmal eine dicke Chance für das DFB-Team. Müller mit der Hacke an den Torwart, dann noch mal richtig an den Pfosten. Vorarbeit übrigens von Boateng.

Gedenkminute für Helmut Haller.

Unser Mann im Stadion ist Oliver Fritsch, und er scheint in guter Gesellschaft:

20.44 Uhr Gottseidank. Die Hymnen doch heute wieder von der üblichen Militärmusikkapelle. Keine Dudelsäcke, keine Alphörner, keine Schifferklaviere.

20.42 Uhr Nun wird Miroslav Klose geehrt. Er bekommt den Fair-Play-Preis dafür, dass er zugab, ein Tor mit der Hand erzielt zu haben. Was macht eigentlich Thierry Henry gerade?

20.37 Uhr Heute hat Mehmet Scholl Geburtstag. 42 Jahre alt, alles Gute! Aber ihr Löws, Lahms und Schweinsteigers! Falls Mehmet nach dem Spiel wieder etwas zu schlau daherredet, fragt ihn einfach, was da los war vor kurzem gegen den VfL Frohnlach.

20.15 Uhr Wer sich die Zeit bis zum Anpfiff etwas verkürzen will, kann etwas über den Gegner lesen, ein paar Schwedenhappen sozusagen:

Die 11 Freunde versuchen elf wissenwerte Dinge über Schweden zusammentragen, ohne Ikea zu sagen und scheitern schon im Untertitel.

Hier ein Stück aus der Frankfurter Rundschau über Zlatan Ibrahimovic, in dem sogar seine Rektorin zitiert wird: „„Er war der Prototyp eines Jungen, mit dem es böse endet. Er war einer der unruhigsten Schüler, die ich je hatte, einfach ein Krawallbruder.“

Es wird Ibrahimovic egal sein, solange sie weiter Lieder für ihn singen.

Auch ganz nett, wenn auch unschwedisch, das Interview heute mit Philipp Lahm in der Süddeutschen Zeitung (leider nicht online). Er sagt, die Mannschaft muss sich wieder an die Basis, die Spielkontrolle nämlich erinnern. Er sagt, die Stimmung im Team war schon mal besser als bei der EM und räumt aber mit dem Vorurteil auf, Dortmunder und Bayern könnten sich nicht riechen. „Bayern- und Dortmund-Spieler sitzen hier sogar gemeinsam am Katzen Kartentisch.“

Noch ohne Karte? Gibt noch Tickets, twittert der DFB. Wer in Berlin-Charlottenburg wohnt, schafft es auch noch bis zum Anpfiff um 20.45 Uhr.

20.03 Uhr So wollen sie spielen. Deutschland: Neuer – Lahm, Badstuber, Mertesacker, Boateng – Schweinsteiger, Kroos – Reus, Özil, Müller – Klose

Schweden: Isaksson, Lustig, Olsson, Granqvist, Elm, Larsson, Ibrahimovic, Elmander, Wernblom, Safari, Holmen

#19.50 Uhr Kleiner Exkurs in die Welt der Jüngeren: Die U21 hat gerade in der Schweiz 3:1 gewonnen und sich damit für die EM 2013 in Israel qualifiziert. Die Torschützen: Lewis Holtby (8.), Lasse Sobiech (20.) und Sebastian Polter (45.).

Vorbemerkungen:

Zum ersten Mal seit dem Märchensommer 2006, residiert die Nationalelf wieder im Grunewald, Schlosshotel, Brahmsstraße. Damals herrschte im noblen Südwesten Berlins Ausnahmezustand, in diesen Tag verirren sich nur ein paar Fans in die Gegend, wie der Tagesspiegel zu berichten weiß. Es hat sich eben einiges geändert in den vergangenen sechs Jahren. Nicht nur personell, damals war Joachim Löw ja nur zweiter Mann hinter dem Motivatorentrainer Jürgen Klinsmann.

Wunderschönen Fußball hat die Mannschaft in der Zwischenzeit gespielt, blieb in den drei Turnieren unter Löw aber stets ohne Titel. In Brasilien 2014 folgt der nächste Anlauf, vielleicht ja sogar Joachim Löw letzter? Es wurde viel geredet und geschrieben in den vergangenen Wochen über die Nationalelf. Jeder durfte mal, und wenn Beobachter über eine eventuelle Amtsmüdigkeit des Bundestrainers schrieben, dann konnte man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass Löw spätestens amtsmüde werden musste, wenn er alle Aussagen und Berichte gelesen hat.

Es wird also Zeit für Fußball. Gegen Irland ging es ja nach den dürftigen Auftritten gegen Färöer und Österreich wieder aufwärts. Auch wenn die Iren spielten wie Guinessglas leer. Nun also geht es gegen Schweden (Anpfiff: 20.45 Uhr), ein Team, dass schon nach der EM-Vorrunde nach Hause fahren musste. Es gibt einen neuen Trainer, Erik Hamren, und die alten fußballerischen Probleme. Die Siege gegen Kasachstan (2:0) und Färöer (2:1) waren ein ziemliches Gewürge. Ihre Hoffnungen ruhen auf der vielleicht letzten Diva des Weltfußballers, dem Hochbegabten Zlatan Ibrahimovic. Laut Süddeutscher Zeitung ähnelt er dem Italiener Mario Balotelli. Was insbesondere für den deutschen Kapitän Philipp Lahm keine gute Nachricht sein dürfte.