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Mit der Tora nach Rostock

 

Alexej ist 27 Jahre alt und orthodoxer Jude. Mit 15 Jahren zog er mit seinen Eltern aus Weißrussland nach Deutschland. Mittlerweile arbeitet er neben seinem Studium für die Lauder Foundation. Gegründet von Ronald S. Lauder, Sohn von Kosmetikmagnatin Estée Lauder, hat es sich die amerikanische Organisation zur Aufgabe gemacht junge Juden in Deutschland und Osteuropa über jüdische Geschichte und ihre Identität aufzuklären.
Mit Hilfe der Spenden von Privatleuten hat die Stiftung jüdische Kindergärten und Schulen in Osteuropa gebaut, viele auch in Deutschland.
Alexej organisiert mit der Lauder Foundation regelmäßig Jugendcamps in den Schulferien. Zuletzt in Österreich. Vor Schneeballschlachten und Snowboardfahren steht hier jeden morgen das freiwillige büffeln der Tora auf dem Programm. Können die Schüler zwar auch schwänzen, wird aber von den Leitern nicht so gerne gesehen. Denn neben dem durchaus gewollten Freizeitspaß soll ernsthaft jüdische Geschichte und ihr Glauben studiert werden. Zur Diskussion kommen dabei auch die Vereinbarkeit der alltäglichen Dinge des Lebens in Deutschland mit dem jüdischen „Lifestyle“, z.B. wie man sich kosher ernährt, wenn man nicht die geeigneten Lebensmittel zur Hand hat.
Aber wie lebt es sich als junger Jude in Deutschland? Welche Reaktionen bekommt man, wenn man mit der Kippa, der traditionellen jüdischen Kopfbedeckung, über die Straße geht?
“Es gibt vereinzelt Bezirke in Deutschland, z.B. Prenzlauer Berg in Berlin oder in Frankfurt die Gegend um die Westend-Synagoge herum, da ist es kein Problem an Sabbat mit der Kippa aus dem Haus zu gehen, aber es gibt durchaus andere Gegenden, da würde ich meinen Glauben nicht so offen zeigen.“ sagt Alexej. Zu häufig, so seine Aussage, wird er Opfer von unterschwelligen Beleidigungen oder auch offenen Anfeindungen. Ganz anders seine Erfahrung in London oder New York. Hier gehören die Menschen mit den traditionellen jüdischen Gewändern zum Straßenbild, wie Starbucks oder H&M.
„Ich glaube, in Deutschland ist man einfach nicht so daran gewöhnt, das mehrere Kulturen friedlich nebeneinander existieren können. Das sieht man doch an der Diskussion um die Moschee-Neubauten. Ich denke, wir haben als Juden unsere Synagogen, die Christen ihre Kirchen, also sollen doch auch die Muslime ihre Moschee bauen dürfen. Wo ist das Problem? Jeder sollte seinen Glauben frei leben dürfen.“, so Alexej.
Für Menschen jüdischen Glaubens geht das seit einigen Jahren auch wieder in Rostock und Leipzig, beides Zentren der sehr aktiven rechtsradikalen Szene in Ostdeutschland. In beiden Großstädten gab es schon zu DDR-Zeiten kleine jüdische Gemeinden, welche aber erst durch den Zuzug der Juden aus der ehemaligen Sowjetunion weiter angewachsen sind.
Über 2 Jahre hat die Lauder Foundation in Rostock mit den knapp 600 jüdischen Bewohnern vor Ort die jüdischen Feiertage gefeiert, wofür jedes Mal extra ein Rabbi anreiste. Das zeigte Wirkung.
Mittlerweile gibt es in Rostock sogar wieder eine eigene Synagoge, auch in Leipzig soll die Einrichtung bald erweitert werden, um den ca. 1000 Gläubigen Platz zu bieten.
„Auf den paar Straßen um unser Zentrum herum kann man mit der Kippa auf dem Kopf rumlaufen, sobald man diese verlässt sollte man allerdings aufpassen. Aber man kennt das ja mittlerweile“, weiß Alexej zu berichten, „Wir haben den Erhalt einer Tora-Rolle für unser Zentrum in Leipzig mit einer Parade von der Synagoge zu unserem Gemeindehaus gefeiert. Es gab Musik und wir haben getanzt.“ Allerdings unter Polizeischutz. Wie die Polizei vor allen jüdischen Einrichtungen in Deutschland 24 Stunden präsent sein muss, um Anschläge zu verhindern. Das jüdische Leben hat seinen Umgang damit gefunden. „Normal ist es nicht, aber man hat sich angepasst“, sagt Alexej.


(Falls ihr mehr über das Leben junger Juden in Deutschland erfahren wollt, checkt mal diesen Link: Die Judenschublade)