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Tod und Hass beim Ruhrpottderby

 

Das Ruhrgebietsderby zwischen den Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund und FC Schalke 04 gilt als eines der Emotionalsten in ganz Deutschland und hat auch in diesem Jahr wieder hohe Wellen geschlagen. Die Rivalität der Schwarz-Gelben und Blau-Weißen wird in den Medien gerne romantisiert, in Fernsehbeiträgen werden zumeist Fangruppen vorgestellt, die die gegenseitige Abneigung zwar zelebrieren, jedoch mit Selbstironie und einem Augenzwinkern versehen. Weniger bekannt und mediengeeignet ist die Rivalität zwischen Fangruppierungen mit hohem Anteil von Jugendlichen, die über weniger kritische Distanz verfügen und auf der Suche nach immer schlimmeren Beleidigungen auch auf menschenverachtendes Nazi-Vokabular zurückgreifen. Nicht selten führt die verbale Scharfmachung vor Ort zu Handgreiflichkeiten. Vor allem aber führt sie zur Etablierung rechten Gedankenguts.

Zentrale Inhalte dieser „Fangesänge“ sind Gewaltphantasien. Schilderungen von Prügeleien oder anderen physischen Demütigungen sind dabei oft nur der Einstieg zu Weiterführendem. „Tod und Hass“ wünscht man dem Gegenüber, aber nicht nur den Tod allein. In den Leichen „sollen Messer stecken“, die die Aufschrift „wir waren besser“ tragen und das Grab von Leichen soll bepinkelt werden. „Zecken“ und „Parasiten“ müssen aus dem Ruhrpott verschwinden, wird auf beiden Seiten gefordert. In einem BVB-Gesang heisst es „Kein Scheißer hat das Recht zu leben. Die Luft zum Atmen ist viel zu schade für sie, und sind sie erstmal ausgerottet, so werden wir zu ihrem Begräbnis zieh’n!“. Auf Schalker Seite heisst es fast synchron: „Und ist der Feind gestorben, so ist noch lang nicht Schluss. Die Grabstätte, die Grabstätte muss geschändet werden.“

Vertreibung und Ausrottung von unwertem Leben, die vollständige Vernichtung des Feindes, das Schänden von Toten und Gräbern. Dies alles ist unverkennbarer Nazi-Jargon. Einer großen Anzahl von Jugendlichen ist das entweder nicht bewusst, oder sie wollen es nicht wahrhaben. Selbst beim Erkennen von expliziten NS-Begriffen tun sich viele schwer. Die schleichende Etablierung der rechten Geisteshaltung, gepaart mit der Ablehnung bestimmter Fangruppen, sich mit dem rechtsradikalen Hintergrund ihrer Gesänge auseinanderzusetzen, führt dazu, dass Parolen wie „Blut und Ehre“, die Losung der Hitlerjugend und Abwandlungen des verbotenen Nazi-Schlachtrufs „Rotfront verrecke“ immer wieder durch Internet-Foren und Stadien geistern.

Offener Nazismus und Antisemitismus, wie er in den Ausrufen „Eine U-Bahn bauen wir, von XY bis nach Auschwitz“ oder „Zyklon B für XY“ zum Ausdruck kommt, wird in Fankurven der Stadien in der Regel aktiv abgelehnt. Allgemein sollte die Fankultur nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden. Der oft unmerkliche Eingang rechtsradikalen Inhalts in die Fansprache sollte jedoch stärker erkannt und unterbunden werden, um zu verhindern, dass der Fußball eine Plattform für Nazis wird und Jugendliche dabei ihre Handlanger werden.