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Politik für den Ernstfall – „Edelfeder“ Hinz rüstet sein Milieu zum „Bürgerkrieg“

 

Thorsten Hinz gilt als wichtigster Autor der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (JF). Dem Mann, der so pointiert und bissig formuliert und gerade deshalb im rechtsintellektuellen Milieu über eine große Anhängerschaft verfügt, wird im Persönlichen Bescheidenheit und fast schon Schüchternheit nachgesagt. Dennoch warnt der äußerlich eher unscheinbare Mann in seinem Büchlein „Zurüstung zum Bürgerkrieg“ beharrlich vor ethnischen Konflikten.

Denn mit dem Untergang des Kommunismus, so Hinz, habe sich die Front verändert. Nicht mehr Kämpfe zwischen Ideologien beherrschten unsere Öffentlichkeit, sondern zunehmend Auseinandersetzungen „entlang ethnischer, religiöser und kultureller Trennlinien.“ (6) Der Autor spielt damit auf zunehmende Integrationsprobleme von Zuwanderergruppen insbesondere in westdeutschen Großstädten an, die Folge einer selbstverschuldeten „Zuwanderung der Negativ-Auslese und zivilisatorischen Inkompatibilität“ (13) seien. Er wirft dabei der verantwortlichen Politik nicht weniger vor, als selbst zur „Biologisierung des Politischen und des Sozialen“ (23) beigetragen zu haben: „Die Zuwanderung war und ist eine (in diesem Falle ungewollte) Zurüstung zum Bürgerkrieg.“ (ebd.)

Um den „Bürgerkrieg“ im Großmaßstab zu verhindern, plädiert Hinz für ein Ende der „multikulturellen Gesellschaft“ und – was immer das auch sei – für eine Strategie der kulturellen Selbstbehauptung der „Deutschen“. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die westliche Wertegemeinschaft nach Ansicht des Autoren derzeit an ihrer Selbstaufhebung bastelt. Denn es seien insbesondere junge Männer mit Migrationshintergrund, die die Liberalität des Westens und die Menschenrechtskultur ausnutzten, um sie schließlich zu unterhöhlen: „Der Menschenrechtsuniversalismus (…) kann sich schon bald als ein transitorisches Ereignis und eine bittere Ironie der Geschichte herausstellen. (…) Der avantgardistische Großversuch, den Universalismus im eigenen Land zu praktizieren, endet damit, daß sich das Land einem fremden Wertesystem unterordnet, welches das westlich universalistische verneint.“ (56) Dass es sich hierbei indes um mehr als eine, in der Sache allerdings wichtige, rhetorische Figur handelt, fällt vor dem Hintergrund der Tatsache schwer zu glauben, dass ausgerechnet Hinz in der Vergangenheit nicht unbedingt als Anwalt des „Menschenrechtsuniversalismus“ publizistisch in Erscheinung getreten ist. Es handelt sich also wohl eher um einen Gruß an das andere politische Lager.

Mag sein, dass Hinz’ Denken nicht frei ist von bürgerlicher Miefigkeit und kulturell-ethnischen Ressentiments. Ein Abbild hiervon ist z.B. die Tatsache, dass man Vorschläge zur Förderung der Integrationswilligkeit ausländischer Mitbürger und zur Förderung der Integrationsbereitschaft der Mehrheitsgesellschaft in seinem Text vergeblich sucht, obwohl es sich doch um ein Problem handelt, das auch Rechtskonservative lösen müssten. Allerdings wird auch ein Linker ohne Scheuklappen ihm nicht versagen können, dass er die Finger mit Recht in Wunden legt, deren Entstehen auch Linke zu verantworten haben:

Ja, es gibt ihn, ethnischen Rassismus gegen „Deutsche“. Und gerade Antirassisten haben keinen Grund, diesem gegenüber Milde walten zu lassen. Wer damit Ernst machen will, ethnische Diskriminierungspraktiken zum Verschwinden zu bringen, kann Rassismus auch dann nicht dulden, wenn er von „Nicht-Deutschen“ gegen „Deutsche“ kultiviert wird. Umgekehrt: Mit einer falsch verstandenen Nachsicht gegenüber derartigen Erscheinungen machte man sich de facto selbst einer „rassistischen“ Diskriminierung schuldig – nur eben gegen „Deutsche“.

Und ja, die Gegenwartspolitik hat ein Legitimations- und Sinnproblem. Von Beginn an war die politische Linke janusköpfig: Kein geringer als Karl Marx sehnte eine Welt herbei, in der die „Springquellen des (…) Reichtums voller fließen“. Und kein geringer als Marx sah den kapitalistisch geprägten Menschen durch bloßen Konsum als verkümmert und entfremdet an. Er setzte der bürgerlichen Welt den Menschen der „Entwicklung der reichen Individualität“ entgegen. Was genau das sein sollte, konnte Marx aufgrund einer schmalbrüstigen und negativen Anthropologie nicht sagen. Und so träumt sich die politische Linke bis heute in die „reiche Individualität“ genau das hinein, was sie individuell darin selbst am liebsten finden möchte. Das einigende Band und die materielle Basis dieser Form von Individualität bleibt dabei wiederum der materielle Konsum. Links zu sein bedeutet demnach, so sekundierte Gregor Gysi unlängst dem Kaviarkommunisten Oskar Lafontaine, nicht Wasser zu predigen und Wein zu saufen, sondern Wein für alle zu predigen.

Es gab indes noch Zeiten, in denen es „links“ war, den Konsumismus zu kritisieren. Zeiten, in denen kritische Theoretiker den Massenkonsum und die Kulturindustrie als Instrumente der Massensuggestion und -ablenkung geißelten. Zieht man davon die üblichen Verschwörungstheorien ab, zeigt sich die Lage als noch viel vertrackter: Wir werden nicht abgelenkt, sondern bejahen und feiern die Selbstablenkung durch den Massenkonsum. Und an genau dieser Stelle stellt Hinz, auch an uns, eine gewichtige Frage: „Anstatt durch die Überzeugungskraft der Staatlichkeit wurden Zusammenhalt und Stabilität durch die Sozialsysteme und durch die soziale Ausgeglichenheit, die sie möglich machten, garantiert. (…) Der Staat schrumpft zum Adressaten von individuellen Ansprüchen und zur Wohlfahrtsagentur. (…) Das ist deshalb fatal, weil das Politische sich zwar nicht im Staatlichen erschöpft, der Staat aber die Form ist, in der ein Volk sich zu politischem Handeln befähigt.“ (29f)

Was also, wenn die Konsumparty sich einst ihrem Ende zuneigt, also der „Ernstfall“ eintritt? Was hält bürgerliche Gesellschaft und parlamentarische Demokratie dann noch zusammen? Welche staatspolitische und staatsbürgerliche Substanz vermöchte im Falle der Krise den politischen Durchmarsch eines autoritären linken oder rechten Populisten zu verhindern, der Brot und Spiele für alle verspricht? Die Tatsache, dass eine Antwort auf diese Frage schwer fällt, verweist nicht nur auf ein kulturell-politisches Vakuum der zeitgenössischen liberalen Demokratie, sondern nicht zuletzt auf die Aktualität der Kritischen Theorie: Der Lack der „Zivilisation“ ist verdammt dünn.

Man kann daher verstehen, dass Hinz in der letzten Ausgabe der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ des Jahres 2008 ausgerechnet seiner Begeisterung für Altbundeskanzler Helmut Schmidt Ausdruck verliehen hat. Schmidt sei noch ein Mann gewesen, der „sich in Sorge um Land und Leute“ verzehrt hätte – ein „preußische(r) Pflichtmensch“. „Betrachtet man seine Nachfolger, wird einem bange.“, so Hinz.

ER
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