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Neonazi-Kameradschaft „Frontbann 24“ verboten

 

Der Berliner Innensenator Ehrhart Körting hat am Morgen die Neonazi-Vereinigung „Frontbann 24“ verboten. Mit einer entsprechenden Verfügung rückte die Polizei heute früh um sechs Uhr beim mutmaßlichen Anführer der Gruppierung, Uwe D., an. Außerdem gab es eine weitere Razzia, deren Ziel nun auch bekannt wurde.

Von Tagesspiegel-Autor Frank Jansen

Die Auftritte waren gespenstisch. Schlagkräftige Kurzhaarkerle posierten in schwarzen Hosen und schwarzen Hemden, auf der Brust prangte ein Reichsadler und auf dem Kragen der Schriftzug „Frontbann 24“. Doch mit dem Mummenschanz der Klischee- und Kostümnazis ist jetzt Schluss: Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat den „Frontbann 24“ am Donnerstag verboten. Das Verbot sei „vor dem Hintergrund einer entschiedenen Bekämpfung rechtsextremistischer Bestrebungen“ zu sehen und „ein wichtiger Schritt zum Schutz unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung“, sagte Körting dem Tagesspiegel. Der Senator hatte schon länger geplant, dem Treiben der am 1. Oktober 2008 in Berlin gegründeten, vom Verfassungsschutz auf 40 bis 60 Mitglider geschätzten Vereinigung ein Ende zu setzen. Die Frontbann-Figuren hatten nicht nur auf der Straße Muskeln gezeigt, wie am 1. Mai vor der NPD-Zentrale in Köpenick. In einem Video beim Internetportal Youtube glorifizierte die Gruppierung die SS. Auf ihrer Homepage deklamierte ein „Ortsgruppenführer Marzahn-Hellersdorf“ am 20. April, dem Geburtstag Adolf Hitlers, „Auf in den Kampf, Kameraden!!!“

Die Vereinigung richte sich „gegen die verfassungsgemäße Ordnung und läuft nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider“, lautet Punkt eins der Verfügung. Der Frontbann weise „in Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ auf, heißt es weiter. Schon der Name gilt als deutlicher Hinweis auf die braune Gesinnung. Die Nazis hatten 1924 eine Organisation namens „Frontbann“ gegründet. Sie war ein Auffangbecken für die Mitglieder der SA und anderer rechtsextremer Verbände, die nach dem gescheiterten Putsch Hitlers vom 9. November 1923 in München verboten worden waren. Offenkundig hatte nun die Neonazi-Truppe die Jahreszahl 1924 mit dem Begriff Frontbann in einem Namen zusammengefasst.

Neben der Durchsuchung bei Uwe D. in Mariendorf gab es heute Morgen eine weitere Razzia in Lichtenberg. Die Polizei durchsuchte die Wohnung der ehemaligen NPD-Funktionärin Gesine H., die mit „Frontbann 24“ eng verbunden war. Im März 2005 hatte Körting bereits die Neonazigruppierungen „Kameradschaft Tor“ und „Berliner Alternative Südost“ verboten.

Ein weiterer, drastischer Beleg für die im Frontbann 24 herrschende Gesinnung ist das Material, das Polizeibeamte im August bei der Durchsuchung mehrerer Wohnungen fanden: Hitler-Bilder, Anstecker mit Hakenkreuz und SS-Runen, Reichskriegsflaggen und ähnliche Devotionalien. Über dem Bett von Gesine H. hing eine große Hakenkreuzfahne. Die Polizei entdeckte zudem teilweise noch verpackte Feuerzeuge und Kugelschreiber mit Hakenkreuzen. Es sei anzunehmen, „dass diese Propagandamittel bereits verbreitet wurden oder zumindest zwecks Verbreitung vorrätig gehalten wurden“, steht in der Verbotsverfügung. Die Polizei leitete ein Strafverfahren ein. Es kommt zu denen hinzu, die Anlaß für die Durchsuchung waren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Juli gegen elf Mitglieder des Frontbanns wegen des Verdachts, sie hätten bei öffentlichen Veranstaltungen „durch Tragen einer schwarzen Uniform als Ausdruck ihrer politischen Gesinnung“ gegen das Uniformverbot im Versammlungsgesetz verstoßen.

Als Treffpunkte der Frontbann-Leute galten die einschlägig bekannte Kneipe „Zum Henker“ in Niederschöneweide sowie ein Lokal in Mariendorf. Die selbst nach Maßstäben der rechten Szene altmodisch wirkende Gruppierung war das Produkt heftigen Streits in der Berliner NPD, der in einer bizarren „Porno-Affäre“ gipfelte und zum Abgang zahlreicher Mitglieder führte. Außerdem wollten die meist schon etwas älteren Frontbann-Figuren offenbar den Modetrends in der Szene, vor allem der Imitation linker Autonomer durch die „Autonomen Nationalisten“, das traditionelle Nazi-Brimborium entgegensetzen.