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Ein „Hauch von denunziatorischem Eifer“ – Nachrichtenmagazin „Zuerst!” spaltet Deutschlands Rechte

 

Bereits im Dezember 2009 kam die erste Nummer des künftig monatlich erscheinenden Nachrichtenmagazins „Zuerst!“ (01/2010) auf den Markt. Es überflügelt mit einer Auflage von 86.000 Stück und etwa 10.000 Verkaufsstellen die Breitenwirkung aller relevanten Publikationsorgane von rechts – und führt genau dort wie auf Knopfdruck zu heftigen Abgrenzungsritualen.

Am Beginn des publizistischen Großangriffs des rechten Verlegers Dietmar Munier stand der Aufkauf des politischen Monatsheftchens „Nation&Europa“, von dem in jüngerer Vergangenheit keine politisch oder intellektuell entscheidenden Debatten mehr ausgegangen waren. Aus dessen Abonnenten sollte ein Kundenstamm für das neue verlegerische Produkt mit dem Namen „Zuerst!” generiert werden. Das Ziel ist so ambitioniert wie risikoreich zugleich: „Zuerst!” will – darin sind sich Chefredakteur Günther Deschner (Autor für JF und „Welt“) und Verleger Dietmar Munier einig – so etablierten Magazinen wie „Spiegel“, „Stern“ und „Focus“ Konkurrenz machen – nur eben von rechts und auf diese Weise „den eigenen deutschen Interessen“ eine publizistische Heimat mit Breitenwirkung geben.

Und diese Zielstellung ist mit der ersten Ausgabe, die sich schwerpunktmäßig der Banken- und Finanzkrise widmet, erstaunlich gut erfüllt: Die Aufmachung orientiert sich sinnfällig an der der Konkurrenzprodukte, das Lektorat ist tadellos, die Bildredaktion solide, die Schreibe durchaus gefällig. Und auch die Autoren und Interviewpartner machen einen – in Sachen „Rechtsextremismus“ – unangreifbaren Eindruck: So stellt sich der ehemalige Sozialdemokrat und regelmäßige Autor der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (JF), Prof. Dr. Wilhelm Hankel, einem Interview zur Finanzkrise, Deutschlandfunk-Moderator Jürgen Liminski kommentiert die aktuelle Familienpolitik, der ehemalige Vorsitzende Richter am Landgericht Hamburg und heutige JF-Autor Günter Bertram steht Deschner Rede und Antwort in Sachen „Jürgen Rieger gegen den § 130“ und Thomas Paulwitz, JF-Autor und Leiter der Monatszeitschrift „Deutsche Sprachwelt“, hilft in einem Interview zu begründen, warum man mit Bio-Produkten die deutsche Sprache retten kann. Harald Neubauer hingegen, der ehemalige Chef von „Nation&Europa“, durfte in der aktuellen Ausgabe offenbar nur noch einen einzigen Kommentar beisteuern und scheint auf’s publizistische Abstellgleis geschoben.

Bei soviel publizistischer Gediegenheit fällt es zunächst schwer zu verstehen, warum ausgerechnet dieses Monatsmagazin bereits zu Beginn seiner Karriere schwere Zerwürfnisse in der rechten Szene offenbart. Den Anfang machte dabei Munier selbst, der in einem Interview mit „gesamtrechts“ auf die JF und ihren Herausgeber Dieter Stein mit allen verbalen Mitteln einschlug. Der Grund: Am Hohenzollerndamm hatte man tatsächlich auf eine ganzseitige Anzeige von „Zuerst!” und damit auf Einnahmen in Höhe von 4.992 Euro verzichtet. Munier ließ dies keinesfalls unbeeindruckt. Er holte zum öffentlichen Schlagabtausch aus: „(Seufzt) Ach, die JF. Die findet sich selbst inzwischen so etabliert, daß sie eine bezahlte (!) Werbeanzeige von uns (…) abgelehnt hat.“ Der politische Kurs des JF-Chefredakteurs, so Munier, und die Meinung der Leser seiner Zeitung würden inzwischen ohnehin weit auseinander klaffen: „Viele spenden neben der JF auch für die DVU, die REPs oder die NPD oder haben irgendwann mal für eine Rechtspartei kandidiert. Mit Steins Steckenpferden haben die wenig am Hute.“

Nach dieser Entgleisung war es kein geringerer als Götz Kubitschek, der Stein – ihn in der Vergangenheit zwar ebenfalls von rechts kritisiert habend – nun vor Munier in Schutz nahm. Letzterer wolle doch nur „seine eigene Militaria- und Devotionalienklientel um jene Teile von rechts von der Mitte ergänzen, die sich nicht für Panzer und Reichsparteitage interessieren (…) (Zuerst! ist, M.B.) jedenfalls etwas, das wir nicht brauchen. Sehr schade.“ Kubitschek hatte damit eines der aufwendigsten publizistischen Projekte der deutschen Rechten frühzeitig in ungewöhnlich unversöhnlichem Ton endgültig abgeschrieben. Das sahen auch zahlreiche Kommentatoren der Erklärung Kubitscheks so. Er wolle sich doch nur ein Konkurrenzprodukt zu seiner „Sezession“ vom Halse halten – lautete ein mehrfach vorgetragener Vorwurf. Er hätte besser daran getan, „auf den Inhalt des Magazins“ abzustellen und sich den „Hauch von denunziatorischem Eifer“ in seinen Ausführungen zu sparen – meinte ein anderer, sich nicht dem rechten Lager zurechnender Kommentator. Ein gewisser „M.L.“ wies schließlich darauf hin, dass „unterm Strich“ die erste Ausgabe des Nachrichtenmagazins von rechts „trotz aller Befürchtungen von Stein auch nicht ‚rechter’, ja nicht einmal weniger gemäßigt (ist, M.B.) als die JF“.

Und dieses Argument trifft den Nagel auf den Kopf. Dass man es bei „Zuerst!” mit einer durch und durch rechten Publikation zu tun hat, kann dabei selbst dem unaufmerksamsten Leser kaum verborgen bleiben, so penetrant zahlreich sind Reportagen und Artikelchen vertreten, in denen über „Unrecht an Deutschen“ und seine „fiesen Ausländer“ gejammert wird – und die böse etablierte Politik, die in diesem Gemenge handfest mitmische. Doch das alles weicht in Tonfall und Aufmachung kaum von dem ab, was man sonst auch in der JF finden kann. Mit einer kleinen Ausnahme: Natürlich konnte es sich der Verleger Munier nicht nehmen lassen, hier und da für die Bücher seiner Verlage „Arndt“ und „Pour le Mérite“ zu werben. Am Rande einer Reportage über Volksabstimmungen der Bevölkerung des Saarlandes über den Verbleib des Gebietes im Deutschen Reich und der Bundesrepublik Deutschland wird der geneigte Leser selbstverständlich über die Existenz von Büchern mit den Titeln „Stalingrad. Die große Kriegswende“ oder „Moskau 1941. Entscheidungsschlacht im Osten“ in Kenntnis gesetzt. Doch das alles kommt – im Verhältnis zu den restlichen 83 Seiten des vierfarbigen Hochglanzmagazins – regelrecht dezent daher. Das fällt auch rechten Kritikern sofort ins Auge: „Die Artikelauswahl ist breit gefächert, die Werbung für die einschlägigen Verlage ist mit Bedacht gewählt (hier hatte ich einen tieferen Griff in die Mottenkiste des Dritten Reiches befürchtet.)“ – heißt es hierzu im Blog der „Sezession“.

Auch in der Rechten wird also zunehmend darüber diskutiert, wo jemand schreibt und nicht was: „Was sagen die Thomas Paulwitz, Wilhelm Hankel und Jürgen Liminski zu dieser Positionierung (Muniers – siehe Zitat weiter oben, M.B.)? Alle drei sind im Interview oder sogar als Schreiber im ersten Zuerst! vertreten und doch vor allem seit langem der JF gewogen und verbunden (…)“, fragt Götz Kubitschek in den Cyberspace und hat damit ohne Zweifel zugleich das eigentliche Konkurrenzverhältnis offengelegt. Gerade in Zeiten des Internet verliert eine Wochenzeitung Jahr um Jahr an Aktualität. Informationen werden heutzutage in Echtzeit aufgenommen und verdaut. Dies kann die JF nur wettmachen, indem sie ihrem Publikum gründliche Zeitgeistanalysen und Reportagen vorlegt – eine Produktpalette, bei der es zumindest tendenziell zu Überschneidungen mit „Zuerst!“ kommen kann. Gerade die wohl auf Deschners Einfluss und Renommé zurückzuführende Überschneidung von JF- und „Zuerst!“-Autoren dürfte Stein daher ein erheblicher Dorn im Auge sein – nicht zuletzt, weil damit auch dessen politische Abgrenzungsstrategie nach rechts zu implodieren droht.

Dieter Stein ist stolz darauf, dass sich die Leser der JF überdurchschnittlich aus einem sozial gehobenen und akademisch gebildeten rechten Milieu speisen. Ein Nachrichtenmagazin hingegen, das sich an Bahnhofskiosken ebenso behaupten soll wie im Zeitschriftenfachgeschäft, muss intellektuell und politisch anders vorgehen. Auch hieraus erklärt sich – neben der Mitarbeit Günther Deschners und Manuel Ochsenreiters sowie weiterer konservativer Autoren – der eher gemäßigte Kurs des zutiefst parteiischen Blattes, den Deschner salomonisch als „im Zweifelsfall jedenfalls nicht links“ umschreibt. Dass dies nicht nur geschieht, um nicht auf den mit dem Magazin verbundenen erheblichen Kosten sitzen zu bleiben, sondern auch, um in aller Behutsamkeit weitere NS-Nostalgiker für die Bücher der eigenen Verlage zu gewinnen, kann kaum überraschen. „Zuerst!“ ist also in Sachen Professionalität und Ausrichtung eine nicht zu unterschätzende „Bereicherung“ der publizistischen Landschaft von rechts – gerade weil das Nachrichtenmagazin so gemäßigt daherkommt und sein Verleger dennoch keine Fragen über seine eigene politische Verortung offen gelassen hat. Spannend bleibt daher nur die Frage, ob und wie lange sich konservative Rechte zu diesem Zwecke instrumentalisieren lassen wollen. Munier jedenfalls sieht selbst dann keinen Grund auf „romantische Stauffenberg-Verehrer“ zu verzichten, „wenn sie vielleicht nur für eine Etappe des Weges hilfreich sind.“

ER
weitere Informationen: http://www.endstation-rechts.de