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Vom Tontaubenschießen: Wie Götz Kubitschek versucht, die Frontlinien zu verschieben

 

Am 8. März 2010 rieben sich einige verwundert die Augen: Prompt als die Nachricht die Runde gemacht hatte, dass Erich Vad zum General befördert werden soll, wies Götz Kubitschek im Netztagebuch der „Sezession“ auf die Tatsache hin, dass eben dieser zu den ersten Autoren der eigenen Zeitschrift gehörte. Ein wenig sah es danach aus, als ob er die Antifa-Arbeit zumindest im Bereich „Recherche“ nun selbst übernehmen wollte.

Fraglich war angesichts dieses so wohlfeil präsentierten Häppchens auf einem ohnehin üppig gefüllten Info-Buffet lediglich, wer sich an diesem vermeintlichen Leckerbissen gütlich tun würde. Es dauerte ganze drei Wochen, bis es so weit war: Wolf Schmidt berichtete für die „taz“ unter dem Titel „Merkels rechte Hand“ über Vads Autorenschaft für die „Sezession“ sowie seine Vortragstätigkeit für das neurechte „Institut für Staatspolitik“ (IfS).

Vad, immerhin „Merkels wichtigster Militärberater“, tut das heute alles furchtbar leid: Er habe die „Sezession“ doch gar nicht gekannt, würde das „aus heutiger Sicht“ nicht mehr tun, beteuert er gegenüber der „taz“. Und vor allem: „Ich bin kein Rechter.“

Dann kam natürlich, was einfach kommen musste: Am 7. April 2010 zeigte sich Kubitschek über Vad enttäuscht und teilte dies in einem eigens dafür verfassten Beitrag der Öffentlichkeit mit. Er verstehe es „weder die Angriffe auf sich selbst noch die auf Schmitt angemessen abzuschlagen“. Stattdessen flüchte er sich in eine „Ausweichbewegung“: „Nun, so müssen wir beide, er und ich, uns gründlich über einander getäuscht haben auf jener Winterakademie Anno 2003 in Heiligenstadt, wo Vad über Schmitt referierte (…)“

Allerdings blieb dies keinesfalls unwidersprochen. Ein gewisser „Martin“ warf Kubitschek in einem Kommentar vielmehr vor, Vad für die eigenen Interessen instrumentalisiert zu haben: „Sie haben mit Ihrer Internetmeldung über die Beförderung Vads unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Artikel in der Sezession den Ball ins Spielfeld geschossen, wohlwissend, dass die Sezessions- Internetseite mittlerweile Antifa-Tageslektüre genauso wie pi-news etc. ist. (…) Also, keine Krokodilstränen: Der Verdacht liegt eindeutig auf der Hand, dass der Fall von Ihnen bewusst provoziert wurde “ Kubitscheks Antwort fiel treuherzig offen aus: „Sie treffen etwas Richtiges, Martin. Aber Sie verkürzen die Problematik und verstehen nicht, wie wichtig es für mich/uns ist, Mechanismen offenzulegen.“

Und in der Tat: Kubitschek hat sich bereits vor geraumer Zeit entschieden, dem Weg des „politischen Existenzialismus“ zu folgen. Er steht am Rande der Bundesrepublik, weil er genau dort stehen will – nicht ohne Grund wählte er jüngst als Motto des Netztagebuchs der „Sezession“ den Ausspruch „Auch wenn alle (mitmachen), ich nicht“ (etiam si omnes, ego non.). Für ihn ist genau dies die einzige authentische Existenzform eines Rechten in der multikulturellen Bundesrepublik: Nicht mitmachen im großen Geschäft der persönlichen Karrieren, schon gar nicht, wenn es nur auf der Schleimspur der Anpassung und des Opportunismus zustande kommen kann.

Und so steht er da – auf freiem Felde, Zigarillo im Mundwinkel, gegen die Sonne blinzelnd und bedient lässig die Wurfmaschine, die die Tontauben in die Lüfte hebt. Kubitschek selbst schießt nicht, sondern er testet dreierlei: 1. ob die „Antifa“ über seine Stöckchen springt und schießt, 2. ob die Tontaube standhaft ist und 3. ob der Gegner wirklich trifft oder die Tontaube die feindlichen Linien überschreitet. Der Gewinner bei diesem Spiel heißt immer Kubitschek: Zerbröselt die Tontaube während des Fluges von selbst, war sie aus schlechtem Material. Wird sie vom Gegner zur Strecke gebracht, wurden wieder einmal „Mechanismen“ offen gelegt. Und wenn die Tontaube widerständig die feindlichen Linien erreicht, kann die Truppe die Klamotten packen und die Frontlinie Richtung politische Mitte verschieben – ein Vorgang, der im Milieu als Vorgang der „Normalisierung“ gilt. Von Sympathisanten, die selbst gefahrlos unter Pseudonym schreiben, wird er im „Fall Vad“ hierbei durchaus unterstützt: „Sollte der ‚Mann‘ tatsächlich stolpern und fallen, nun, dann wird es um ihn nicht schade gewesen sein.“ (Quovadis) Kubitschek selbst ist bei diesem Spiel der einzige, der nichts mehr zu verlieren hat.

Und die nächste Tontaube ist schon im Anmarsch. Sie heißt Richard Wagner, ist Schriftsteller und schreibt u.a. für die „Achse des Guten“. Kubitschek kam mit Wagner in Kontakt, weil dieser den „Antaios-Verlag“ in seinen Büchern in kritischer Absicht verarbeitet hatte. Gestern nun wies Kubitschek in einem Rundbrief darauf hin, dass die aktuelle Ausgabe der „Sezession“ (Nummer 35) einen Briefwechsel zwischen Wagner und Kubitschek über den „Mut zum widerständigen Wort“ beinhalte. Und er vergisst nicht zu betonen, dass Wagner immerhin der Ex-Mann der Nobelpreisträgerin Herta Müller sei.

Kubitschek wollte Wagner dazu bewegen, einen Beitrag für die „Sezession“ über die „Hygiene“ des Schreibens zu verfassen, über die Gefahr also, sich an einem bestimmten Ort und nicht über eine bestimmte Sache zu äußern. Doch Wagner lehnte ab, weil er – wie Kubitschek ein Gespräch wieder gibt – nicht wüsste, inwiefern ihm dies selbst und möglichen weiteren „Publikationsmöglichkeiten guttäte“. Wagner hatte damit genau diejenigen Stichworte für dasjenige Phänomen geliefert, um das es dem politischen Existenzialisten aus Schnellroda geht: Authentizität. Paradoxerweise lehnte Wagner zwar als Autor ab, willigte aber dennoch ein, einen Teil des Briefwechsels mit Kubitschek, der noch immer andauern soll, in der aktuellen Ausgabe der „Sezession“ zu veröffentlichen. Aus diesem Ausschnitt geht nichts anderes hervor als das, was Kubitschek sich von einem „Sezession“-Beitrag erhofft haben dürfte: dass wir in einer konformistischen Gesellschaft der „inneren Zensur“ lebten und die Freiheit im „Ergebnis der freiwilligen Selbstkontrolle“ nicht mehr viel wert sei. Die nächste Tontaube also fliegt. Wer wird schießen?

ER
weitere Informationen: http://www.endstation-rechts.de