Lesezeichen
‹ Alle Einträge

1. Mai: Nazis wollten zum Holocaust-Mahnmal

 

Eine E-Mail von Rechtsextremisten belegt: Die Szene plante für 1. Mai mehrere Aufmärsche jenseits der angemeldeten Route in Prenzlauer Berg. Entweder wollte man zum Holocaust-Mahnmal oder in Charlottenburg über den Kaiserdamm marschieren.

Von Frank Jansen

Sie attackierten Passanten und prügelten sich mit Polizisten. Denen gelang es nur mit Mühe, am 1. Mai den Aufmarsch von etwa 320 Neonazis auf dem Kurfürstendamm zu stoppen und 286 vorläufig festzunehmen. Doch es hätte noch schlimmer kommen können. Nach Informationen des Tagesspiegels hatten die Rechtsextremisten mindestens zwei derartige Aktionen jenseits der für Prenzlauer Berg angemeldeten Demonstration geplant. Entweder wollte man zum Holocaust-Mahnmal, Brandenburger Tor und Bundestag marschieren oder in Charlottenburg über den Kaiserdamm.

In einer E-Mail aus dem Neonazi-Spektrum, die dem „Antifaschistischen Infoblatt“ vorliegt, hatten die Veranstalter des für den 1. Mai angemeldeten Aufmarsches schon am 29. April detaillierte Karten mit den Routen für andere Umzüge an die anreisenden Neonazigruppen verschickt. Die Ansage lautete: Sobald über eine bestimmte Handynummer eine SMS mit dem Wort „Plan B“ kommt, sollten die Gruppen von ihren Treffpunkten zum Potsdamer Platz oder zum S-Bahnhof Messe Nord fahren und losmarschieren. Die Neonazis stiegen jedoch schon an der Station Halensee aus, zwei Stationen vor Messe Nord. Statt über den Kaiserdamm liefen die Rechtsextremisten über den Kurfürstendamm. Möglicherweise war auch dieses Ziel schon geplant. In der E-Mail ist auch von einem „Plan C“ die Rede, allerdings ohne Details. So bleibt offen, ob in Plan C der Kurfürstendamm erwähnt oder zumindest angedeutet wurde. Der E-Mail selbst ist kein Hinweis auf den Ku’damm zu entnehmen.

Ausschnitt aus der gemailten Karte für die angeblichen Spontanaufmärsche

Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz droht

Die Neonazis bereiteten sich offenbar gezielt auf Gewalt gegen Polizisten vor. „Es ist auch bei Plan B mit einer gewissen Polizeipräsenz zu rechnen, Entschlossenheit ist also das A und O“, heißt es in der Mail. Es kam dann auch zu kurzen, aber heftigen Auseinandersetzungen mit Polizisten. Doch den Beamten, vor allem der Berliner Spezialeinheit PMS (Politisch Motivierte Straßengewalt), gelang es rasch, sich Respekt zu verschaffen. Mit den 286 vorläufigen Festnahmen wurden die aufmarschierten Neonazis beinahe komplett eingesammelt. Außerdem erging kürzlich ein Haftbefehl gegen einen 18-jährigen Rechtsextremisten aus Frankfurt (Oder), der auf dem Kurfürstendamm einen Polizisten mit einer Fahnenstange attackiert hatte.

Von der Polizei beschlagnahmtes Pfefferspray und China-Böller

Sollten die Sicherheitsbehörden belegen können, dass der Anmelder der rechtsextremen Demonstration in Prenzlauer Berg, der NPD-Funktionär Sebastian Schmidtke, für die E-Mail verantwortlich ist, droht ihm ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Im Kopf der Mail steht „Demoleitung Berlin“. Am 1. Mai hatte Schmidtke an der Bornholmer Straße auf Nachfrage des Einsatzleiters der Polizei behauptet, von den Neonazis auf dem Kurfürstendamm keine Ahnung zu haben. „Ich soll mal nachfragen, ob jemand weiß, welche 350 Kameraden gerade über den Ku’damm laufen. Weiß das jemand?“, rief er den lachenden 600 Rechtsextremisten zu.

Die Sicherheitsbehörden wussten allerdings schon vor dem 1. Mai, dass die Neonazis über spontane Aktionen zusätzlich zur angemeldeten Demonstration in Prenzlauer Berg nachdachten. Es sei bekannt gewesen, dass die Rechtsextremisten über Ausweichorte diskutierten, sagte am Montag Innenstaatssekretär Ulrich Freise im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Beim Verfassungsschutz hieß es jetzt, der Veranstalter der Demonstration habe das „primäre Ziel“ verfolgt, „in Berlin wieder Flagge zu zeigen“. Dazu habe es „offene Hinweise“ auf der Homepage des Anmelders gegeben.

Informationen, dass die Neonazis über den Kurfürstendamm laufen wollten, lagen den Sicherheitsbehörden aber offenkundig nicht vor. Und sie äußern sich nicht zu ihren Kenntnissen über die E-Mail und die dort genannten Routen, darunter die zum Holocaust-Mahnmal.