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Revisionistische „Tage Deutscher Gemeinschaft“ in Nordthüringen

 

„Das war ja ganz wunderbar. Einmalig! Die ganze Gegend rundherum. Im Harz ist es wunderschön“, schwärmt Familie G. im Gästebuch des Hotels Hufhaus im thüringischem Ilfeld. Doch nicht nur Familien schätzen die abgelegene Lage des Hauses mitten im Wald. Auch alte und neue Nazis treffen sich auf dem weitläufigen Gelände im Landkreis Norhausen regelmäßig zu den sogenannten „Tagen deutscher Gemeinschaft“. Vom 4. bis zum 6. Juni findet die nächste „Begegnung der Generationen“ mit bundesweiter Beteiligung statt.

Bereits seit 1997 finden die Treffen mit bis zu 120 Personen aus dem rechtsextremen Spektrum in Nordthüringen statt und firmierten bis vor kurzem als „Lesertreffen“ der von der „Deutschen Freiheitsbewegung“ (DDF) herausgegebenen Zeitschrift „Recht und Wahrheit“. Die von dem Altnazi Otto Ernst Remer gegründete DDF hatte sich zum Ziel gesetzt, die „nationalen Kräfte“ außerhalb der NPD zu sammeln und geiz dabei nicht mit nationalistischem, rassistischem und antisemitischen Gedankengut. Als ihr Organ erscheint seit 1984 die anfangs von Remer herausgegebene Zeitschrift „Recht und Wahrheit“, fünf Jahre später wird Georg Albert Bosse aus Wolfsburg der Herausgeber. Gemeinsam mit dem wegen Volksverhetzung verurteilten Holocaustleugner und ehemaligen NPD-Bundesvorsitzenden Günter Decker begründet er die Tradition der sog. Lesertreffen. Nach einer Einschätzung des „antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums Berlin“ sind sie „bundesweite Treffpunkte für neofaschistische Führungspersonen und gelten als Schnittstelle der verschiedenen Generationen“.

Stefan Wollenschläger

Geleitet werden sie inzwischen von Deckert und dem als sein Ziehsohn geltenden Neonazi Stefan Wollenschläger aus Weinheim. Nach seiner Zeit bei den Jungen Nationaldemokraten war Wollenschläger als Führungskader in der NPD Rhein-Neckar tätig und wechselte nach der Spaltung des Kreisverbandes in das kommunalpolitische Projekt „Deutsche Liste“ (DL), für die er 2007 in Bietigheim für das Amt des Oberbürgermeisters kandidiert. Inzwischen ist Wollenschläger Mitglied der rechtsextremen Folgeorganisation „Aufbruch freies Deutschland“ (AFD), aus dessen Reihen auch Dennis Bartl stammt, einer der Referenten der „Tage deutscher Gemeinschaft“ am kommenden Wochenende. Hatte er beim AFD-Gründungstreffen noch über das „Grundwesen nationaler Arbeit“ referiert, stellt er im Hufhaus „Überlegungen zum Selbstverständnis eines jungen Deutschen“ an. Auf der Liste der sieben Referen stehen auch der Holocaustleugner Friedrich Stelzel aus München und der stellvertretende Vorsitzende des NPD-Landesverbandes Schleswig-Holstein, Ingo Stawitz. Aus Köln reist Beatrix Ullrich ins Hufhaus, um eine Einführung in „Germanische Neue Medizin“ zu halten. Sie sitzt im Vorstand des „Wilhelm Kammeier Verein“, der die geschichtsrevisionistische Zeitschrift „Deutschland – Schrift für idealistische Ordnung“ herausgab, die später in „Der freie Mensch“ umbenannt wurde. Auch der Blick auf die Referenten der vergangenen Treffen zeigt: führende Neonazis und Revisionisten sind stets dabei, wenn Deckert zu den Tagen deutscher Gemeinschaft in den Südharz ruft.

Jürgen Rieger 2009

Doch nicht nur die DDF schätzt die Abgeschiedenheit des Veranstaltungsortes, auch die neonazistische sog. „Artgemeinschaft Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V.“ zieht es noch nach dem Tod ihres ehemaligen Leiters Jürgen Rieger nach Nordthüringen. So berichtet der Verfassungsschutz von dort durchgeführten Sonnenwendfeiern und Tagungen, „die wegen der zentralen Lage und der örtlichen Gegebenheiten des Veranstaltungsobjekts seit 2000 regelmäßig in Nordthüringen durchgeführt werden“.

In diesem Jahr aber regt sich vor Ort Protest gegen das braune Treiben bei Ilfeld. Unter dem Motto „Kein ort für Nazis!“ will das Bündnis gegen Rechtsextremismus Nordhausen dem Spuk im Hufhaus ein Ende machen. In einer Pressemitteilung heißt es, es könne „nicht sein, dass sich dort Jahr für Jahr Antisemiten, Revisionisten und Holocaustleugner treffen. (…) Sie bereiten den Boden für menschenverachtende Einstellungen und stärken mit ihren Treffen und Veranstaltungen die Ideologie innerhalb der extrem rechten Szene“. Das Bündnis fordert den Hotelbetreiber auf, „sich von den Personen und Organisationen zu distanzieren und Ihnen keine Örtlichkeiten mehr zu vermieten“. Auch im Landkreis Nordhausen sei kein Platz für rechtsextreme Gruppierungen, ihre Einstellungen und Ideologien.