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Gewaltorgie gegen linke Fußballfans

 

Vermummte Neonazis während des Angriffs im Stadion von Pushkin

Gehirnerschütterungen, gebrochene Arme und herausgeschlagene Zähne. Gleich zwei blutige Angriffe durch organisierte Neonazigruppen auf antirassistische Fußballanhänger erschüttern Fangruppen in der Ukraine und Russland. Mit Messern, Äxten und Schreckschusswaffen gingen die Rechten auf ihre Opfer los, dutzende liegen mit schweren Verletzungen im Krankenhaus. Betroffene sagen, dass es nur durch viel Glück keine Toten gegeben habe und kritisieren die Polizei, die bei den Angriffen tatenlos zusah.

Hier die deutsche Übersetzung von Statements der Betroffenen:

Am 15. August 2010 griffen nach dem Spiel der Ukrainischen Bundesligisten Arsenal Kiew und Volyn Lutsk Neonazis die Fußballfans brutalst an. Während des Spiels entrollen Arsenal-Fans Transparente und Banner, die sich mit den seit Ende Juli inhaftierten Antifaschisten Alexej Gaskarov und Maxim Salopov in Russland solidarisierten. Es kamen Losungen wie „Steckt mehr Bäume in die Erde, statt unsere Freunde hinter Gitter“.

Schon während des Spiels kam es zu rechten Provokationen der Lutsker. Als zu Anfang Verhaltensregeln für Zuschauer verlesen wurden und die Passage kam, dass keine xenophoben Äußerungen gemacht werden dürfen, entrollten die Volyn-Fans ein Transparent mit der Aufschrift „Leibstandarte“, welches eine Einheit aus dem NS darstellt, die sich um den Schutz von Adolf Hitler gekümmert hat.

Mehr als zehn Minuten konnten die Rechtsextremisten auf ihre Opfer einprügeln ohne, dass die Polizei Eingriff


Direkt nach dem Schlusspfiff, als um die 30 Arsenal-Fans auf dem Weg zur Metrostation waren, wurden sie von 50 Neonazis, darunter Fans von Dynamo Kiew, angegriffen. Der Angriff geht über Attacken zwischen Fußball-Fans hinaus. Die Angreifer waren mit Messern und Schlagringen bewaffnet und riefen „Heil Hitler“ und „White Power“. Während des Kampfes drohten die Neonazis, die Arsenal-Fans umzubringen – ein bewusstlos auf dem Boden liegender Antifaschist erhielt erst Messerstiche in den Brustkorb, dann wurde er umgedreht und bekam drei Messerstiche in den Rücken. Seine Lunge wurde verletzt. Nach einer Operation ist sein Zustand zunächst stabil. Ein anderer Antifaschist wurde mit herausgeschlagenen Zähnen, vorübergehendem Gedächtnisverlust und Gehirnverletzung ins Krankenhaus gebracht. Andere Arsenal-Fans erlitten unterschiedlichste Verletzungen, unter anderem schwere Verbrennungen im Gesicht. Sie wurden teilweise auch mit Pfefferspray angegriffen.

Die Angreifer

Internet-Recherchen ergaben, dass die Attacke von der rechtsradikalen Hooligan-Gruppe „Terror Family“ organisiert wurde. Unter ihnen befinden sich aktive Neonazis, die bereits zuvor wegen Angriffen auf so genannte ethnische Minderheiten und andere Hooligan-Gruppen strafrechtlich aufgefallen sind. Die Gruppe ist für zahlreiche rassistische Symbole verantwortlich, welche in der Dynamo Kiew Kurve auftauchen – Hakenkreuze und Keltenkreuze. Sie würdigen Lazio Rom und übernehmen teils ihre Rechten Parolen á la „Duce“. Sie sind dafür bekannt, nicht in Kauf zu nehmen, wenn jemand ihre faschistoide Ideologie nicht akzeptiert. Auf ihren Websites sind Meldungen aufgetaucht, dass 60 Antifaschisten angegriffen worden seien. Einige dieser Postings wurden später wieder entfernt.

Die Fans von Arsenal Kiew

Der Kiewer Verein Arsenal bleibt der einzige seiner Art, dessen Fans sich in der Öffentlichkeit als Antifaschisten bekennen. Dies verursachte bereits Konfrontationen mit anderen Fußballklubs in der Ukraine, wo Neonazis dominieren. Es gab bereits zuvor bewaffnete Angriffe auf Arsenal-Fans, doch dieser übertrifft die anderen in seiner Intensität.

Patronenhülsen im Pushkin-Stadion

Das Verhalten der Polizei

Direkt nach der Attacke nahm die Polizei vier der Angreifer fest. Einer von ihnen hatte ein blutüberströmtes Messer bei sich, andere hatten Blutspuren an den Händen, die versucht wurden zu entfernen. Zudem will die Polizei die Festgenommenen entlassen und behauptet, die Attacke sei von beiden Seiten organisiert worden.

Einer der Antifaschisten wurde im Krankenhaus von der Polizei befragt, ohne sich eine Arzterlaubnis zu holen. Die Polizei versucht durch die Behauptung, der Kampf sei von Linken mitorganisiert worden, psychischen Druck zu erzeugen. Das zeigt deutlich, dass die Polizei versucht, die ideologischen Motive für den Angriff auf die Arsenal-Fans zu verschleiern. Die Regierung weigert sich zu erkennen, dass es faschistische, organisierte Gruppen in der Ukraine gibt, die einfach mal so einen Massenangriff im Zentrum der Ukrainischen Hauptstadt organisieren.

Von den Angreifern zurückgelassene Axt

Gleiches Muster in Russland

Parallel zu dem Angriff passierte ein ähnlicher Vorfall in der russischen Stadt Pushkin. Am 14. August wurden im Stadion „Zarskoe Selo“ beim Spiel des Pushkin-Cups Nord-West-Region zwischen den Amateurligisten FC Karelien-Discovery Petrozavodks und Phosphoritt Kingisepp die als bekennende Antifaschisten bekannte Unterstützer des Karilien-Discovery von rund 100 rechten Hooligans angegriffen. Sie waren mit Messern, Schreckschusswaffen und Reizgas bewaffnet. „Die Nazis kamen nicht, um sich zu prügeln, sondern um zu töten“, sagte ein Betroffener.

Für die Fans von FC Karielien ist es besonders schwierig, sich in einer Region, welche von Nazis in und um die Stadien dominiert wird, als antifaschistischer Verein durchzusetzen. Generell gibt es in den postsowjetischen Ländern nur eine Handvoll Vereine oder Fanszenen, die sich offen antirassistisch engagieren. Dazu gehören FC Partizan Minsk aus Weißrussland, die ständig mit dem von Rechten dominierten Club Dynamo Minsk in Auseinandersetzungen verwickelt sind; Zwezda Irkutsk aus Russland, Arsenal Kiew aus der Ukraine, FC Ozean Nakhodka und der FC Karelien-Discovery aus Petrozavodsk.

Diese Vereine gibt es seit ungefähr 2000. Nicht alle haben Kontakte zu linken Gruppen, sind aber im Stadion offen antirassistisch. Da liegt es auf der Hand, dass solche Fans zur Zielscheibe für rechtsradikale Fußballhooligans werden. „Es ist sehr schwierig, Widerstand gegen die Rechten aufrechtzuerhalten. Der Kampf geht jeden Tag weiter – auf den Straßen. Die Nazis kämpfen unter dem Motto „Fair Play nur für Gleichgesinnte“, erzählt ein Unterstützer des FC Karilien.

Gut organisierter Angriff

Am besagten Tag ahnten viele Fans, dass es einen Überfall geben würde. Am gleichen Tag hat in der Nähe von Pushkin Zenit St. Petersburg gespielt, dessen Fanszene definitiv rechts ist und mit den Kareliern stark verfeindet. Sie bekamen einen Anruf, dass um die 50 Hooligans auf dem Weg ins „Tarksoe Selo“-Stadion sind. Von großen Zahlen war keine Rede. Als die SMS mit anderen Informationen kam, war es leider schon zu spät.

Die Nazis schossen auch Gummigeschosse auf ihre Opfer

Bereits am Anfang des Spiels wurden Späher entdeckt, die telefoniert haben und die Zahl der anwesenden Karielien Fans durchgegeben haben. Als die Fans die Angreifer von der Tribüne aus vor dem Stadion erblickten, versperrte die Polizei diesen den Haupteingang. Ihnen war klar, dass die Angreifer sich davon nicht abhalten lassen würden. Die Fans sind zum Teil nach oben gerannt, als sich die ersten Rechtsradikalen ins Stadion zwängten. Sie rannten nach oben zu den Karielern, wobei sie die unten stehenden Frauen, die die Transparente abnahmen, zusammengeschlagen haben. Sie haben Tränengas versprüht und aus Pistolen auf die Fans geschossen. Von hinten wurde die Gruppe mit Flaschen und Ziegelsteinen angegriffen. Später wurden Sitze herausgerissen, mit denen auf die Karelier eingeschlagen wurde.

Helfer tragen einen schwer verletzten Fan aus dem Stadion

Polizei griff nicht ein

Wie Videoaufnahmen eidneutig beweisen, haben die anwesenden neun Polizisten nicht eingegriffen. Ein Zeuge berichtet jedoch gehört zu haben, dass einer von ihnen im Vorfeld ahnte, dass es eine Schlägerei geben wird, aber keine Verstärkung geholt hat. „Es ist nicht so, dass wir Hilfe von der Polizei erwarten“, sagte ein Antifaschist. Die Polizei hat weder die Angreifer festgehalten noch in den Kampf eingegriffen. Mehrere Zeugen berichteten später, sie haben gesehen, wie einer der Angreifer einem Polizisten die Hand geschüttelt hat. Als die Verletzten nach dem 10-minütigen Angriff in die Krankenwagen getragen wurden, versuchten die Nazis erneut die am Boden liegenden Frauen anzugreifen. Die Polizei stand daneben und schaute dezent weg.

Nun befinden sich ungefähr sieben Menschen mit schweren Verletzungen im Krankenhaus. Dutzende erlitten Hämatome, Brüche, Kopfverletzungen und Gehirnerschütterungen. Am meisten haben die Leute was abgekriegt, die in den vordersten Reihen gestanden haben, und Frauen. Auch auf Seiten der Angreifer gibt es Verletzte. Die Spieler und der Vorstand des Vereins haben den Fans Genesungswünsche zukommen lassen und die Aktion der Nazis aufs schwerste Verurteilt.

In Deutschland hat der Angriff in den Medien keine Nennung gefunden. Doch rechte Internetseiten wie righthools.net berichteten zynisch von dem Angriff. „Als Folge schickte mehrere Vier-Buchstaben-Männer ins Krankenhaus – das ist definitiv der beste Platz für sie, anstatt Stadien“, schreiben die Betreiber. Am Ende des Textes steht „Gute Nacht Antifa-Abschaum!“

Die Angreifer wurden als Mitglieder der Zenit St.Petersburg Firm „Snake Firm“ und der aus Petrozovodsk stammenden Gruppe „Crazy Kajala“ erkannt. Ebenso wie in der Ukraine wird ihnen wohl kein Prozess gemacht. Die Polizei verhielt sich in beiden Fällen passiv.