Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Seehofers Sprüche

 

In einem Interview hatte CSU-Chef Horst Seehofer gesagt: „Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen, wie aus der Türkei und arabischen Ländern, (mit Integration) insgesamt schwerer tun.“ Deshalb „brauchen wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen“. Auch aus der eigenen Partei wurde er für seine Äußerungen kritisiert.

Ein Kommentar vom ehemaligen Regierungssprecher und Chef von Gesicht zeigen! e.V. Uwe-Karsten Heye

Auch das noch. MP Seehofer hofft offenbar, sein angekratztes Image mit rechtspopulistischen Sprüchen wieder zum Glänzen zu bringen und die Kanzlerin springt ihm noch bei. Es wird ihm nichts nützen, da müsste er schon mit der NPD und ihrem „Rückführungsbeauftragten“ für Migranten konkurrieren. Das würde er aber nicht durchhalten, weil es auch in seiner Partei noch Mitglieder gibt, die ein christliches Menschenbild haben, das derartige „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ nicht zulässt. Wer wie Seehofer weitere „Zuwanderung aus fremden Kulturen“ ablehnt, der befeuert eine Debatte, in deren Folge die Gefahr besteht, dass Integration und Vielfalt aus Deutschland auswandern werden. Denn wir haben bereits eine millionenfache Einwanderung aus „fremden Kulturen“. Dabei geht es um Menschen, um Junge und Alte, die vor allem aus ökonomischen Gründen und als Folge demografischer Selbstbescheidung ins Land geholt wurden.

Was sich da entwickelt und vom Boulevard geradezu lustvoll befördert wird, das könnte die mühselig gewonnene Kultur weltoffener Vielfalt im Land des Exportvizeweltmeisters Deutschland im Kern beschädigen. Die Gewaltspirale ist im Gang, erste Übergriffe etwa auf Kopftuchträgerinnen werden bereits berichtet. Die Gleichsetzung von Einwanderung, die dieses Land dringend braucht, mit dem, was von rechtskonservativen Politikern als Einwanderung in „unsere Sozialsysteme“ denunziert wird, kann üble Reflexe einer nicht nur bildungsfernen Minderheit in der Mehrheitsgesellschaft auslösen. Was sich da auf Schulhöfen entwickelt zwischen deutschen Schülern und solchen mit Migrationshintergrund, mag noch die Ausnahme sein. Die Aufklärung und die durch sie erworbene Gleichheitsgarantie von Mann und Frau in der Verfassung werden wir schon zu behaupten wissen. Nur Morgen schon könnten aufgehetzte und dazu noch religiös motivierte Gruppen zu gewalttätigeren Äußerungen greifen. Und rechtsextremistische Kameradschaften könnten sich veranlasst fühlen, dem zu entsprechen, was sie unter dem Mehrheitswillen verstehen. Sie glauben ja ohnehin, dass ihre rassistischen Denkschablonen von einer Mehrheit der Bevölkerung getragen würden, die nur zu feige sei, das auch offen zu äußern.

Nur um klarzustellen, was sich an den Zuwanderungsstatistiken ablesen lässt: Wir sind leider derzeit Auswanderungsland. Aus dem Einwanderungsland Deutschland gehen mehr weg als zu uns kommen. Und wie sich zeigt, gehen vor allem solche, die durch hier erworbene Schulbildung und mit Studium oder Berufsausbildung alle Voraussetzungen hätten, sich zu integrieren, die es aber in einem fremdenfeindlichen Klima nicht aushalten wollen. Auch ihnen wurde leider all zu oft eine berufliche Perspektive verweigert. Die Kurzsichtigkeit der deutschen Wirtschaft, die gleichzeitig den Mangel an Fachkräften bejammert, ist bemerkenswert. Bleibt zu hoffen, dass der Bundespräsident es bei seiner Rede vom 3. Oktober nicht belässt. In einem Land, das Religionsfreiheit garantiert, hat er nicht mehr als einer Selbstverständlichkeit Ausdruck gegeben.