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Erscheint die verbotene „Stimme des Gewissens“ unter anderem Namen weiter?

 

Die Bundesregierung sieht offenbar keinen Grund, gegen die rechtsextreme Zeitschrift „Stimme des Reiches“ rechtliche Schritte einzuleiten. Das geht aus der Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion hervor. Die SPD wollte damit prüfen lassen, ob der inzwischen verbotene Verein „Collegium Humanum“ seine indizierte Zeitschrift unter dem Namen „Stimme des Reiches“ fortführt. Nach Angaben des SPD-Bundestagsabgeordneten Stefan Schwartze geht die Anfrage auf eine Initiative des „Vlothoer Bündnis gegen das Collegium Humanum“ zurück. In der nordrhein-westfälischen Stadt hatte der Verein um die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck seinen Sitz.

Der „Collegium Humanum e.V.“ wurde im Mai 2008 verboten, rund ein Jahr später bestätigte das Bundesverwaltungsgericht das Verbot. In der Begründung hieß es, der Verein richte sich „gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland“ und verstoße durch die „fortgesetzte Leugnung des Holocaust gegen geltendes Recht“. Mit seinen Tätigkeiten und Zwecken laufe der Verein den Strafgesetzen zuwider und richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung. In Artikeln der Vereinszeitschrift „Stimme des Gewissens“ sei immer wieder der Holocaust geleugnet bzw. verharmlost worden.

Holocaustleugnung in Heftform

verbotene Zeitschrift "Stimme des Gewissens"
verbotene Zeitschrift "Stimme des Gewissens"

Unter dem Namen „Das Reich“ kam bereits wenige Wochen nach dem Verbot eine neue Publikation heraus, inzwischen erscheint sie im Zweimonatsrhythmus unter dem Titel „Stimme des Reiches“. Auch diese Zeitschrift müsse verboten werden, fordert Schwartze und weist auf die Autoren des Heftchens hin. Sie seien zum Großteil Mitglieder der inzwischen verbotenen Vereine gewesen wie dem „Collegium Humanum“, der „Bauernhilfe e.V.“ oder des „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten“. Auch die „Stimme des Reiches“ habe im wesentlichen antisemitische Inhalte und leugne den Holocaust – trotz dieser Überschneidung wurde bislang lediglich ein Ermittlungsverfahren wegen einer Ausgabe von Anfang des Jahres 2009 eingeleitet.

"Stimme des Reiches" - aus alt mach neu?
"Stimme des Reiches" - aus alt mach neu?

Ein Blick in die bisher erschienen Ausgaben der „Stimme des Reiches“ stützt diese Annahme nicht nur wegen des Layouts des 20-seitigen Heftchens, das dem der „Stimme des Gewissens“ aufs Haar gleicht. Gleiches gilt für die Verwendung des Begriffs Lebensschutz, dem sich die „Stimme des Reiches“ „besonders verpflichtet“ fühlt. Schon in der Vorgängerpublikation prangte der Begriff „Lebensschutzinformation“ direkt über dem Titel. Neben den Autoren, die sich größtenteils aus den Reihen der 2008 verbotenen Vereine speisen bleibt auch die inhaltliche Stoßrichtung die gleiche. So findet sich in einer Nummer der „Stimme des Reiches“ aus dem Jahr 2009 erneut ein Brief von der Hauptautorin Ursula Haverbeck an die damalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden, Charlotte Knobloch. Bereits kurz vor dem Verbot hatte die Holocaustleugnerin Knobloch unverhohlen gedroht: „Machen Sie so weiter wie bisher, dann könnte sich ein neues Pogrom ereignen, das entsetzlich würde“. In dem später abgedruckten Brief aus dem November 2008 heißt es nun im gewohnten Jargon: „Den Holocaust zu leugnen ist in der Bundesrepublik Deutschland strafbar, weil er das größte, singuläre Verbrechen darstellt, welches die Deutschen begangen haben sollen. Lange Zeit wurde das auf Auschwitz bezogen. Dort sollte nach Plan Völkermord haben, dem Juden Opfer fielen, die mit -B vergast sein sollten, Diese These aber wurde offiziell zurückgenommen: Der Plan war nicht zu beweisen. In den heute noch als echt gezeigten Gaskammern in Auschwitz konnten nach Aussagen von Experten aus drei verschiedenen Fakultäten nie Vergasungen von Menschen mit Zyklon-B stattgefunden haben.“ In der Antwort der Bundesregierung wird diese Holocaustleugnung lakonisch mit der Bemerkung kommentiert: „(es) ist zu bemerken, dass überzeugte Aktivisten verbotener Vereine häufig an ihren subjektiven extremistischen Überzeugungen festhalten und diese (…) zum Ausdruck bringen“.

Haverbeck zu Gast bei gewaltbereiten Neonazis

Ursula Haverbeck 2010 in Bad Nenndorf
Ursula Haverbeck 2010 in Bad Nenndorf

Hinweise darauf, dass Mitglieder der verbotenen Vereine „immer näher zum militanten Neonazismus rücken“ (SPD Anfrage), liegen der Regierung nicht vor: „Eine verstärkte Hinwendung zum militanten Neonazismus lassen sich daraus nicht ableiten“, heiß es in der Antwort. Dabei ist die mehrfach vorbestrafte Holocaustleugnerin Haverbeck inzwischen besonders dort gern gesehen, wo sich radikale und militante Neonazis die Klinke in die Hand geben. Ob beim geschichtsrevisionistischen Neonaziaufmarsch in Bad Nenndorf, bei einer Tagung der Jungen Nationaldemokraten im Niedersächsischen Landkreis Diepholz oder vor gewaltbereiten Rechtsextremen in Dortmund nach einem Aufmarsch in Remagen: die „braune Ikone“ (Andrea Röpke) verbindet das Lager alter Holocaustleugner mit dem der militanten Neonazis. Die Antwort der Regierung ist beim SPD-Abgeordneten Schwartze auf Enttäuschung und Kritik gestoßen. „Leider unzureichend“ nennt er die Ausführungen auf die Kleine Anfrage, auf manche Fragen werde gar nicht erst eingegangen. Ursula Haverbeck hingegen beruft sich in einem Kommentar auf die im Grundgesetz verankerte Pressefreiheit. Ausgerechnet die verurteilte Volksverhetzerin spricht angesichts der Forderung nach einem Verbot von einem „schwerwiegenden Eingriff in die Pressefreiheit“. Offensichtlich befürchtet sie aus Erfahrung eine neue Beschlagnahme eines der von ihr mit initiierten Projekte.

Collegium-Immobilien stehen zum Verkauf

Schulgebäude zu verkaufen
Schulgebäude zu verkaufen

Schon nach dem Verbot des „Collegium Humanum“ hatte die 1928 geborene Rechtsextremistin zusehen müssen, wie die Immobilien des verbotenen Vereins beschlagnahmt worden waren. Das Schulungsgebäude und die landwirtschaftlichen Flächen waren im Oktober 2010 zum Verkauf ausgeschrieben worden. Nach Angaben des Bundesamtes für Immobilienaufgaben hat es mehrere seriöse Interessenten für das Objekt gegeben. Über einen möglichen Verkaufszeitpunkt könne sie aber keine Angaben machen, sagte eine Sprecherin des Bundesverwaltungsamtes auf Anfrage. Das Amt hatte im Vorfeld „entsprechende vertragliche Regelungen“ angekündigt, um zu verhindern, dass das Haus wieder in die Hände von Rechtsextremen fällt.