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Kommunalpolitik und extrem rechte Erlebniswelt

 

Nazirock als Publikumsmagnet
Nazirock als Publikumsmagnet - hier beim "Pressefest" der NPD © Kai Budler

In den kommenden Monaten wird sich die neonazistische Szene wiederholt zu RechtsRock-Klängen und menschenverachtenden Reden in Thüringen einfinden. Eine jahrelange Tradition haben der nunmehr zum zehnten Mal anstehende Thüringentag der nationalen Jugend am 4. Juni in Nordhausen– nicht zu verwechseln mit dem offiziellen Thüringentag des Freistaates sowie Rock für Deutschland, das in diesem Jahr am 6. August zum neunten Mal in Gera stattfinden wird. Erstmalig angekündigt ist der Eichsfelder Heimattag in Leinefelde, der am 3. September gefeiert werden soll. Von dem bis 2015 angemeldeten Fest der Völker hingegen ist bisher nichts bekannt.

Ein Gastbeitrag der Initiative Nazis in den Parlamenten Thüringen

Allen diesen Kundgebungen, die Festivalcharakter tragen, ist gemeinsam, dass sie von kommunalen NPD-Mandatsträgern angemeldet und somit veranstaltet werden. Dies zeigt, dass die Kommunalpolitiker der NPD, die vorgeben, sich für die Belange der Bürger vor Ort einzusetzen und sich beispielsweise gegen Schulschließungen und den Anbau von Genmais engagieren, gleichzeitig als Organisatoren auftreten, die RechtsRockbands, extrem rechten Liedermachern sowie NPD-Funktionären die Gelegenheit bieten, ihre rassistischen und menschenverachtenden Ideologien im öffentlichen Raum kundzutun. Zum Einen wollen die NPD-Organisatoren des nationalen Thüringentag wie dem NPD-Eichsfeldtag ein Familienprogramm anbieten zum Anderen richtet sich das musikalische Programm insbesondere an den subkulturell geprägten Teil der Szene. Mit Bands wie Sleipnir oder Kraftschlag in Nordhausen oder der Lunikoff-Verschwörung für Leinefelde werden sogenannte Szenegrößen aufgeboten, welche vorwiegend den jungen und vor allem gewaltbereiten und militant auftretenden Teil der Szene ansprechen.

Tag der nationalen Jugend

Den Anfang soll am 04. Juni der Thüringentag der nationalen Jugend in Nordhausen machen, welcher nunmehr zum zehnten Mal veranstaltet werden soll. Bereits am 25. August 2010 wurde durch das Nordhäuser NPD-Stadtratsmitglied Marco Kreutzer der Thüringentag der nationalen Jugend für “voraussichtlich 250 Personen” angemeldet. Auf der dazugehörigen Internetseite werden im Programm der Liedermacher Frank Rennicke, die Bands Sleipnir, Kraftschlag und Words of Anger angekündigt, während via Twitter noch die Band Nordglanz aufgezählt wird. Als Redner sollen unter anderem der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt, der sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Andreas Storr, sowie die Aktivistin Mareike Bielefeld von Free gender, einer national-feministischen Organisation zu den Anwesenden sprechen. Doch auch die kommunalen NPD-Mandatsträger sollen zu Wort kommen und so dürfen dann Patrick Weber (NPD-Mandat für den Stadtrat Sondershausen und Kreistag Kyffhäuserkreis) Tobias Kammler (NPD-Mandat Wartburgkreis), Patrick Kallweit (NPD-Mandat Stadtrat Vienenburg) und Marco Kreutzer (NPD-Mandat Stadtrat Nordhausen) das Wort ergreifen und berichten. Am 04. Juni sollen sich dann unter dem Motto Unsere Heimat wird verschenkt – und wir Deutschen bezahlen!!! die aufrechten Deutschen versammeln, die “gewillt sind, sich den Herrschenden entgegen zu stellen und trotz Schikanen und Verfolgung nicht kampflos aufgeben werden”. Sie können und sollen sich dann “bei Musik, Informationsständen und interessanten Redebeiträgen über die zahlreichen Möglichkeiten”, informieren wie der “schleichende Volkstod” und der “Verkauf der deutschen Heimat” aufzuhalten ist. Bisher ist allerdings noch nicht einmal ein genauerer Ort benannt, wie aus Nordhausen zu hören ist.

Rock für Deutschland

Das diesjährige Rock für Deutschland, angemeldet von NPD-Stadtrat Gordon Richter, steht unter dem Motto Nie wieder Kommunismus – Freiheit für Deutschland, das die Todesopfer des Aufstandes vom 17. Juni 1953 für ideologische Zwecke instrumentalisiert: Laut der Arbeitsstelle Rechtsextremismus “interpretieren Neonazis [den Protest des 17. Juni 1953] als historischen Aufstand gegen Besatzung und für Souveränität, aus welchem sie ihr heutiges Handeln legitimiert sehen.”[1] Sie inszenieren sich in Anlehnung an die Opfer des Aufstandes als Opfer des “Systems BRD”.
Auch das musikalische Programm der Veranstaltung in Gera zeigt Höhepunkte auf: Angekündigt ist unter anderem ein Klassiker des RechtsRock aus Großbritannien, Brutal Attack. Die Bandmitglieder stehen seit dreißig Jahren auf der Bühne und absolvierten schon Auftritte mit der legendären neonazistischen Band Skrewdriver. Bei der Gestaltung ihres Profils auf dem Online-Musikportal myspace lassen sie keinen Zweifel daran, dass sie bei dem in Deutschland verbotenen extrem rechten Musiknetzwerk Blood & Honour organisiert sind.

Eichsfeldtag

Mit dem Eichsfelder Heimattag möchte am 3. September der langjährig aktive und seit 2009 für die NPD im Kreistag sitzende Thorsten Heise eine weitere Nazi-Veranstaltung in Thüringen etablieren. Die Veranstaltung soll in Leinefelde stattfinden und wird von dem 41-jährigen Familienvater bewusst auf der eigenen Internetseite als familienorientiert beworben. Heise ist seit Jahren im Eichsfeld und vor allem in der Region um seinen Heimatort Fretterode kommunal verankert und wird dort eher als Familienvater denn als hetzerischer und gewaltbereiter Nazi wahrgenommen. So ist es kein Wunder, dass er auf eben jener Schiene ein Familienfest für den Nachmittag anbietet, welches für die Kleinen mit einem Karussell, einer Eisenbahn und Hüpfburgen sowie Kinderschminken lockt. Weiterhin soll es Vorführungen im Volkstanz zu sehen geben und die extrem rechten Liedermacher Torstein und Fylgien stellen ihre neuen Alben vor.
Für den Abend sieht das Programm dann viel weniger familienorientiert aus. Nach eigenen Angaben hat Heise mit den Kameraden aus Dortmund, welche am gleichen Tag eine Demonstration zum Antikriegstag durchführen, abgesprochen, dass der Konzertbeginn der Szenegröße Michael Regener alias Lunikoff und seiner Band Die Lunikoff-Verschwörung sich nach der Ankunft der Kameraden aus Dortmund richtet. Regener, welcher wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung mit seiner Band Landser verurteilt wurde, genießt in der extrem rechten Szene Kultstatus, was unter anderem sein Auftritt beim Rock für Deutschland in Gera im Jahr 2009 mit an die 5.000 Besucher eindringlich zeigte.

Die NPD und deren kommunale Mandatsträger versuchen den Spagat: Sie versuchen sich bürgernah zu geben und sich als patenter Ansprechpartner vor Ort zu inszenieren und trotzdem den subkulturellen und aktionsorientierten Teil der Szene an sich zu binden. Ob ihnen dieser Spagat auf lange Sicht gelingen wird ist schwer zu sagen. Schaut man sich die derzeitigen internen Szenestreitigkeiten an, vor allem zwischen der Thüringer NPD und weiten Teilen der sog. Freien Kameradschaftsszene, dann könnte man zu dem Urteil gelangen, dass sich die NPD viel Sympathie in der stark subkulturell geprägten extrem rechten Kameradschaftsszene verspielt hat. Aber vielleicht tragen eben jene Konzerte zu einer neuen Stärkung bei, denn im Wechselspiel der extrem rechten Szene sind die Parteinazis von der NPD auf die Freien wie eben diese auf die NPD und deren Parteienstatus, vor allem mit Blick auf Demonstrationsanmeldungen und Konzerte, angewiesen. Denn bei den Konzertveranstaltungen darf man nicht vergessen, sie sind integraler Bestandteil der extrem rechten Szene und deren Erlebniswelt und dienen der Festigung nach Innen und in erheblichen Maße zur Finanzierung der Szene.

[1] Arbeitsstelle Rechtsextremismus bei Miteinander e.V., Hintergrundpapier 2/2009: Warum Neonazis versuchen, sich den 17. Juni 1953 als historisches Datum anzueignen.