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Fünf rechtsextreme Brandanschläge in einer Nacht

 

Nur weil der Feuermelder im Hausflur anschlug, kamen die Bewohner eines alternativen Projekts im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg mit dem Schrecken davon. Als eine Mieterin gegen 3.15 Uhr das Alarmsignal hörte, stand bereits die Haustür des Wohnprojekts in Flammen. Geistesgegenwärtig löschte sie das Feuer. Insgesamt fünf Brandanschläge verübten Neonazis in der Nacht zu Montag in der Hauptstadt. Vermutlich handelt es sich dabei um eine gut koordinierte Vergeltungsaktionen für mehrere Angriffe auf NPD-Funktionäre am Wochenende.

Gegen 7.20 Uhr entdeckte ebenfalls ein Mieter Flammen an der Hauseingangstür im Hinterhof eines linken Wohnprojektes in der Lottumstraße. Vor dem Tommy-Weisbecker-Haus in Kreuzberg wurden wenige Stunden zuvor zwei an der Hauswand geparkte Autos angezündet. Die Flammen schlugen bis in die Höhe des ersten Stockwerks. Ein Bewohner wurde beim Versuch zu löschen verletzt.

In derselben Nacht wurde auch ein Brandanschlag auf das „Anton-Schmaus-Haus“, das Jugendzentrum der SPD-nahen Jugendorganisation „Die Falken“ in der Gutschmidtstraße in Berlin-Britz verübt. Die Sicherheitsleute eines anliegenden BVG-Depots hatten die Rauchschwaden am Schmaus-Haus gegen 0.15 Uhr bemerkt und die Feuerwehr gerufen. „Der Schaden ist sehr hoch“, sagte eine Falken-Mitarbeiterin. Die gesamte Fassade des Gebäudes stand in Flammen. Nur eine Nacht zuvor habe noch eine Kindergruppe in dem Haus übernachtet. Die Experten vom LKA gehen davon aus, dass Brandbeschleuniger benutzt wurde. Schon mehrfach war das Jugendzentrum in den vergangenen Jahren mit rechten Parolen beschmiert und beschädigt.

Der fünfte Anschlag richtete sich gegen den linken Laden „Red Stuff“ in Kreuzberg. Dort erlosch der Brand offensichtlich von selbst. Die Täter hatten zuvor erfolglos versucht die Hintertür des Geschäfts aufzubrechen, anschließend hebelten sie die Jalousien an der Eingangstür auf und setzten den Eingangsbereich in Brand.

Die Ziele der Brandanschläge haben alle Eines gemeinsam: Sie werden auf der Internetseite des „Nationalen Widerstand Berlin“ (NW-Berlin) aufgelistet, zum Teil mit Fotos und detaillierten Beschreibungen.

Am Samstag wurde über einen internen Email-Verteiler des NW-Berlin eine explizite Aufforderung verschickt, Anschläge auf alternative Projekte zu verüben. „Brecht den Terror der Roten! Linke Lokalitäten sind auf der Berliner Widerstandsseite zu finden“, heißt es in der Email. Auch Namen und Fotos von missliebigen Politikern, Journalisten, Gewerkschaftern und alternativen Jugendlichen werden auf der Seite veröffentlicht. Seit der Veröffentlichung der Adressen wurden viele der betroffenen Läden regelmäßig beschmiert und die Scheiben eingeschlagen. Im Oktober vergangenen Jahres ein Brandanschlag auf ein Wohnhaus in Kreuzberg, in dem ein links Geschäft seine Räume hat.

Während die Polizei es bislang nicht geschafft hat, die Webseite zu schließen, reagierte Anfang Mai die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien und stellte die Seite auf den Index. Bei großen Suchmaschinen wie Google und Yahoo taucht die Homepage nicht mehr auf. Wer die Webadresse kennt, kann die Seite jedoch weiterhin erreichen. Dass die Polizei trotz zahlreicher Anzeigen bislang nicht ernsthaft gegen die Webseite vorgeht, sorgt bei Politikern und Initiativen gegen Rechts für Unverständnis. Selbst als im April auf der Homepage ganz offen Demokraten ein „Strick um den Hals oder [eine] Kugel in den Bauch“ angedroht wurde, blieben die Betreiber unbehelligt.

Dabei ist es ein offenes Geheimnis, wer hinter dem NW-Berlin steckt. Als Betreiber der Seite gilt Sebastian Schmidtke, der im Landesvorstand der NPD sitzt und jahrelang führender Kopf der Nazigruppierung „Märkischer Heimatschutz“ war. Er sprach in einem Interview mit einer rechtsextremen Zeitschrift offen von „unserer Seite“. Auf mehreren auf der Homepage veröffentlichten Flugblättern wird er als Verantwortlicher im Sinne des Pressegesetzes genannt. Wählte man die zeitweise auf der Seite genannte Kontakttelefonnummer, nahm Schmidtke den Hörer ab. Zuletzt schrieb der niedersächsische Nazifunktionär Dieter Riefling nach einer rechten Veranstaltung in der Szenekneipe „Zum Henker“ in Schöneweide im April, dass er herzlich von „Sebastian Schmidtke vom NW-Berlin“ begrüßt worden sei.