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Offenbar zehn Morde durch rechte Terrorgruppe

 

Feuerwehrleute und Polizisten stehen vor dem Wohnwagen der mutmaßlichen Täter (4.11.2011) © Carolin Lemuth/dpa
Feuerwehrleute und Polizisten stehen vor dem Wohnwagen der mutmaßlichen Täter (4.11.2011) © Carolin Lemuth/dpa

Die Tatwaffe einer Mordserie an Migranten wurde gefunden: Ausgerechnet bei jenen Neonazis, die die Polizistin in Heilbronn getötet haben sollen. Die Bundesanwaltschaft übernimmt die Ermittlungen.

Von Tagesspiegel-Autor Frank Jansen

Der schon unglaubliche Kriminalfall des Jenaer Neonazi-Trios Uwe M., Uwe B. und Beate Z., das bereits für den Mord an einer Heilbronner Polizistin und 14 Banküberfälle verantwortlich sein soll, hat am Freitag eine noch größere Dimension bekommen. Die Bundesrepublik wird offenbar erstmals seit der Wiedervereinigung mit dem Phänomen einer braunen Terrorgruppe konfrontiert, die zahlreiche Morde begangen haben soll. Am Freitag erfuhr die Bundesanwaltschaft, dass im Brandschutt des in Zwickau (Sachsen) explodierten Hauses eine Waffe gefunden wurde, die beim Mord an acht Türken beziehungsweise Deutschtürken und einem Griechen eingesetzt wurde.

Die Serie tödlicher Gewalttaten, in der Öffentlichkeit als „Döner-Morde“ bekannt, hält die Polizei bundesweit seit elf Jahren in Atem. Geklärt werden konnte bis zu dieser Woche kein einziges dieser Verbrechen – doch nun fand die Polizei in Zwickau mit der Pistole offenbar das entscheidende Indiz.

Auf der Homepage des Bundeskriminalamts ist die Waffe abgebildet und wird als Pistole „Marke Ceska, Typ 83, Kal. 7,65 mm Browning“ bezeichnet. Bei allen neun Morden sei die Waffe eingesetzt worden, mit aufgesetztem Schalldämpfer. Die Bundesanwaltschaft teilte am Freitag mit, es lägen nun „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die Mordtaten einer rechtsextremistischen Gruppierung zuzurechnen sind“. Damit ist das Jenaer Trio gemeint. Uwe M. und Uwe B. wurden, wie berichtet, vergangenen Freitag tot in einem brennenden Wohnmobil im thüringischen Eisenach gefunden. Beate Z. stellte sich am Dienstag in Jena der Polizei. Gegen sie besteht laut Bundesanwaltschaft „der Anfangsverdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Mord und versuchtem Mord sowie der schweren Brandstiftung“. Beate Z. soll vergangenen Freitag in Zwickau das Haus in Brand gesetzt haben, in dem das Trio seit 2008 gelebt hatte.

Die Mordserie begann am 9. September 2000. Der türkische Blumenhändler Enver Simsek wurde an seinem Blumenstand in Nürnberg mit acht Schüssen aus zwei Pistolen angeschossen. Eine der Waffen war die Ceska. Das Opfer starb zwei Tage später im Krankenhaus. Es folgten der Mord an dem Schneider Abdurrahim Özüdogru (13. Juni 2001, Nürnberg), an den Gemüsehändlern Süleyman Tasköprü (27. Juni 2001, Hamburg) und Habil Kilic (29. August 2001, München), am Dönerverkäufer Yunus Turgut (25. Februar 2004, Rostock), am Dönerbudenbesitzer Ismail Yasar (9. Juni 2005, Nürnberg), am Griechen Theodoros Boulgarides, Mitinhaber eines Schlüsseldienstes in München (15. Juni 2005), am deutschtürkischen Kioskbesitzer Mehmet Kubasik (4. April 2006, Dortmund) sowie an Halit Yozgat, ebenfalls Deutschtürke und Betreiber eines Internetcafés in Kassel (6. April 2006). Für Hinweise auf die Täter wurden 300 000 Euro Belohnung ausgesetzt.

Der zehnte Mord, der dem Trio zugeschrieben wird, war der an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn am 25. April 2007. Auch dazu soll die Tatwaffe in Zwickau gefunden worden sein.