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Bedrohte Nazi-Gegner fühlen sich allein gelassen

 

Auf dieses Kreuzberger Geschäft wurde 2010 ein Brandanschlag verübt, nachdem die Adresse auf der Nazi-Hetzseite des "Nationalen Widerstands" auftauchte

Seit Monaten werden Berliner Politiker, Gewerkschafter, Journalisten und linke Aktivisten auf einer rechtsextremen Internetseite bedroht. Die Neonazis veröffentlichen in ihrer Hassliste Fotos und private Informationen über die Personen. Einige wurden bereits zusammengeschlagen, andere fanden im eigenen Hausflur an die Wand geschmierte Morddrohungen. Jetzt erhielten viele der Betroffenen einen Brief von der Polizei, der für Empörung sorgt. In dem Schreiben wird den Empfängern mitgeteilt, dass sie auf der Seite auftauchen. Nach Aussage des Staatsschutzes gibt es aber „keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung“.

„Diese Einschätzung der Polizei ist ein absoluter Skandal“, sagt Sebastian Wehrhahn von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR). Menschen, die von Neonazis mit dem Tod bedroht werden in einem standardisierten Brief mitzuteilen, dass sie angeblich nicht gefährdet sind, sei „nicht nur falsch, sondern zynisch“. Dutzende Betroffene haben Anzeige erstattet, doch die Verfahren wurden alle eingestellt. Den Betreiber der Seite zu identifizieren sei nicht möglich, weil der Server im Ausland liegt.

Was für gefährliche Folgen die rechte Hetze im Internet hat, zeigt jetzt die Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Clara Herrmann. Mindestens 23 Personen, die auf der Seite genannt werden, wurden demnach in letzter Zeit Opfer von Gewalttaten. Bei 13 Angriffen ist die Polizei sich sicher, dass es sich um rechtsextremistisch motivierte Übergriffe handelte. Auch alternative Jugendzentren, Cafés und Geschäfte tauchen auf der Seite auf. Die Polizei zählt inzwischen 19 Angriffe auf diese Gebäude, darunter mehrere Brandanschläge.

„Von dieser Seite geht eine ganz konkrete Gefährdung aus“, sagt Herrmann. „Die Behörden müssen endlich die Betreiber ermitteln und zur Verantwortung ziehen.“ Der Lesben- und Schwulenverband und die Grünenfraktion haben erst vor wenigen Tagen Anzeige wegen Volksverhetzung gegen die Seite gestellt, weil dort „Lesben und Schwule beschimpft, böswillig verächtlich gemacht und verleumdet werden“.

Unter dem Titel „Es brennt! Wer stoppt Neonazis in Berlin?“ lädt die MBR am 31. Januar zu einer Podiumsdiskussion in den Festsaal Kreuzberg. Neben Rechtsanwalt Sven Richwin, der mehrere Opfer der rechten Drohungen vertritt, sitzt auch Mirjam Blumenthal von der Jugendorganisation „Die Falken“ auf dem Podium. Deren Zentrum in Britz wurde bereits zwei Mal von Neonazis angezündet, seitdem das Gebäude als „gutes Anschlagsziel“ auf der rechten Internetseite mit Foto gezeigt wurde.