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Piraten bezeichnen Sitzblockaden gegen Rechts als „Nazimethoden“

 

Massenblockaden gegen braune Aufmärsche - Für Nazigegner selbstverständlich, für die Piraten offenbar nicht © Matthias Zickrow

Gegen Hartmut Semken, Landesvorsitzender der Berliner Piraten, gibt es neue Vorwürfe in der Debatte um den Umgang mit Rechtsradikalen. Der Landeschef der Grünen, Daniel Wesener, hat am Freitag auf einen Blogbeitrag Semkens aus dem Oktober 2011 hingewiesen. Darin heißt es, wer zur Blockade von Nazi-Aufmärschen aufrufe, wende selbst „Nazimethoden“ an. Semken habe vom Kampf gegen Rechts nichts verstanden, sagte Wesener. „Die Piraten müssen wissen, ob er tragbar ist.“

Von Tagesspiegel-Autorin Karin Christmann

In dem Beitrag hatte Semken geschrieben: „Sorry, dass das so klar gesagt werden muss: wer Nazis mit Nazimethoden entgegentritt ist selber nicht besser; das mag dann kein brauner Dreck sein sondern lila Dreck, aber Dreck bleibt Dreck.“ Der Grüne Wesener sagte dazu, Semken sende „ein fatales Signal an alle, die sich gegen Nazis engagieren“.

Am Donnerstag hatten drei Berliner Piraten Semken in einem Offenen Brief zum Rücktritt aufgefordert.

Kritik am Piratenchef kommt auch aus der Berliner CDU. Generalsekretär Kai Wegner sieht die Piratenpartei mit ihrer neuen Rolle völlig überfordert. „Sie muss unverzüglich ihre Position zu rechtsextremen Tendenzen in den eigenen Reihen klären“, sagte er. „In diesem Zusammenhang sind die Piraten gut beraten, die Frage zu beantworten, ob sie den richtigen Mann an ihrer Spitze haben.“ Der Landesvorsitzende der Berliner SPD, Michael Müller, sagte: „Die Äußerungen von Hartmut Semken sind sehr irritierend und man kann nur hoffen, dass sie keinen Widerhall im Berliner Landesverband der Piratenpartei finden. Ich bin froh, dass er sich von seiner ursprünglichen Äußerungen distanziert hat. Auch das gehört im Übrigen zum seriösen und anspruchsvollen politischen Prozess – seine Worte stets zu überdenken.“

Der Landesvorstand der Piraten hat unterdessen auf die Debatte reagiert und eine Konferenz zum Thema Rechtsextremismus für Ende Mai angekündigt. In einer Erklärung heißt es auch: „Wir erkennen an, dass das Problem von Rassismus und Diskriminierung in der Gesellschaft und in der Piratenpartei existiert – von Einzelfällen zu sprechen ist falsch.“ Gleichzeitig stärkten die Vorstandskollegen Semkens Position, indem sie einen Rücktritt ausschlossen.

Auch Martin Delius, parlamentarischer Geschäftsführer im Berliner Abgeordnetenhaus, unterstützte Semken. „Ich möchte ihm gerne die Chance geben zu beweisen, dass er die klarstellende Stellungnahme jetzt auch ernst gemeint hat“, sagte er dem Nachrichtensender N24.

Unterdessen startete die Bundesgeschäftsführerin der Piratenpartei, Marina Weisband, im Internet einen Aufruf. Sie forderte, dass sich alle Piraten gegen Nationalsozialismus, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung wenden müssten. Wenn Rechte nicht aus der Partei ausgeschlossen werden könnten, so sollten sie politisch ausgegrenzt werden, schrieb Weisband in ihrem Blog. Sie sollten keine Ämter bekleiden und nicht öffentlich für die Partei sprechen dürfen. Innerhalb weniger Stunden unterzeichneten Hunderte Menschen Weisbands Aufruf.

In der Fernsehsendung „Studio Friedman“ des Nachrichtensenders N24 hatte Weisband auf Nachfrage einen Rücktritt Semkens ins Spiel gebracht, allerdings unter dem Vorbehalt, sie kenne noch nicht alle Aussagen und wisse nicht, ob Semken diese aufrecht erhalte. Mittlerweile hat sie klargestellt, nach Sichtung der Faktenlage fordere sie keinen Rücktritt Semkens.

Seit Tagen wird über die Frage diskutiert, wie sich die Piraten von rechtsradikalen Ansichten distanzieren sollen. Zuletzt war ein Parteiausschlussverfahren gegen den rheinland-pfälzischen Piraten Bodo Thiesen gescheitert. Er soll offen Verständnis für den Angriff Deutschlands auf Polen zu Beginn des Zweiten Weltkriegs gezeigt und Sympathien für einen Holocaust-Leugner gezeigt haben. Dazu sagte Martin Delius dem Sender N24 am Freitag: „Bodo Thiesen fliegt raus. Was jetzt passiert ist, war ein formaler Fehler. Wir werden aber dran bleiben.“