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Engagierte Bürger im Visier des Neonazi-Netzwerks „Freies Netz Süd“

 

Tina Krause beim Protest gegen den NPD-Bayerntag 2011 © Rüdiger Löster

Mit einem Kommentar auf „Endstation Rechts. Bayern“ wollte Tina Krause auf die Situation in Oberprex aufmerksam machen und die Bürger zu mehr Zivilcourage gegen Neonazis ermutigen. Kurz darauf fand sie ihr Foto mitsamt eines diffamierenden Textes auf der Homepage des neonazistischen „Freien Netz Süds“ wieder. Doch einschüchtern lassen wird Krause sich davon nicht, ihr Engagement geht weiter.

Im Fokus des „Freien Netz Süds“

Tina Krause aus Bayreuth ist in Oberfranken vielfältig gegen Neonazis engagiert. Neben ihrem Amt als stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bayreuth wirkt sie nämlich auch im „Bündnis KUnterBunT – Bayreuth/Kulmbach“ als Sprecherin mit und schreibt für „Endstation Rechts. Bayern“, einen Informationsdienst der Bayern-SPD zur Neonazi-Szene im Freistaat. Krause leistet Zivilcourage, sieht nicht weg, beleuchtet die Machenschaften der Neonazis und versucht, auf die Problematik aufmerksam zu machen.

Vor kurzem schrieb sie deshalb einen Kommentar für „Endstation Rechts. Bayern“ zur Situation in Oberprex; einem kleinen Ort, der zur Gemeinde Regnitzlosau und zum Landkreis Hof gehört. Dort haben Neonazis bereits vor einiger Zeit den ehemaligen Gasthof „Zum Egerländer“ erworben und nutzen ihn seither nahezu ungestört für ihre Zwecke. Erst kürzlich feierten sie in dem kleinen Ort beispielsweise das Neonazi-Festival „Tag der Freundschaft“ mit Beteiligung aus Tschechien und Deutschland. Eine besondere Problematik, die sich in dem Ort ergibt, ist, dass die Neonazis in Oberprex bisweilen auf keinerlei Widerstand stoßen und teilweise sogar als nette Nachbarn gesehen werden.

Für Krause ist das nicht hinnehmbar, weswegen sie in ihrem Kommentar sehr eindeutig forderte: „Oberprex geht uns alle an!“ und die BürgerInnen dazu anhält, Widerstand gegen die Nazis zu leisten. Doch es dauerte nicht besonders lange, bis insbesondere die Neonazi-Szene auf den couragierten Text aufmerksam wurde. Vier Tage nachdem Krauses Text erschienen ist, schlug das „Freie Netz Süd“ zurück. In dem Text sprachen die Nazis dann von einer „Wirren SPD-Hetzschrift gegen die Oberprexer Bevölkerung“, unterstellten Krause ein „psychotisches Schreiben“ vorgelegt zu haben und illustrieren den Artikel mit einem Foto von ihr, dass sie bei der Gegenveranstaltung zu einem Neonazi-Aufmarsch in Bayreuth zeigt. Einen Tag später ging es weiter, der nächste Nazi-Text erschien: Die „Aktionsgruppe Bayreuth“, die wohl dem „Freien Netz Süd“ zugehörig sein dürfte, publizierte einen Text unter der Überschrift »Krause ganz freiheitlich«, indem sie unter anderem von einem „meinungsfeindliches Schriftwerk“ und „meinungsunterdrückenden Aktionen von Krause und Konsorten“ schreiben. Ein Foto veröffentlichte die „Aktionsgruppe Bayreuth“ indes nicht.

Abermals wiederholte sich das ganze, als Krause für „Endstation Rechts. Bayern“ über den neonazistischen „3. Tag der Freundschaft“ in Oberprex berichtete. Aufgrund dessen tauchte ihr Name wieder auf einer Nazi-Homepage auf. Zur Illustration des Textes wurde diesmal aber nur ein Foto verwendet, auf dem mehrere Personen abgebildet sind. In dem Artikel wird sie unter anderem als „sattsam bekannte Tina Krause“ bezeichnet und von ihr als „überdrüssige linke Anti-Rechts-Aktivistin“ gesprochen.

Einschüchterungstaktik hat keinen Erfolg

Tina Krause selbst, die ihren Namen bereits mehrfach auf Nazi-Homepages fand, spricht zwar von einem „massiven Angriff“ seitens der Neonazis, zeigt sich davon allerdings sichtlich unbeeindruckt: „Meine erste Reaktion war dieses Mal eher amüsiert, weil der Text der Nazis wirklich eine unfreiwillige Komik enthielt und schlecht recherchiert und geschrieben war.“ Die sehr heftige Reaktion des „Freien Netz Süds“ deutet Krause hingegen als Zeichen der „Angst“, da sich die Nazis in Oberprex zwecks des „fehlenden Widerstands“ bislang „ziemlich sicher fühlen“ können. „Ihre größte Angst scheint zu sein, dass sich an dem momentanen Zustand etwas ändert“, erklärt Krause.

Geärgert hätte sich sich jedoch darüber, dass ein Bild von ihr veröffentlicht wurde: „Die Vorstellung, dass man dann von vielen Nazis angeschaut wird, die sich mein Foto einprägen, ist natürlich alles andere als schön. Vor allem wenn man weiß, was anderen AntifaschistInnen schon im Nachhinein passiert ist. Dieses Gefühl ist nicht unbedingt angenehm“, führt Krause aus. Einschüchtern lassen wird sie sich davon aber dennoch nicht, zumal sie gewissermaßen schon Erfahrung damit hat. Denn bereits zuvor wurde sie zweimal auf Nazi-Websites thematisiert, einmal sogar mit Foto. Allerdings verschwand das Bild damals sehr schnell wieder, da die Rechte bei einem Redakteur der Lokalzeitung lagen. Als das erste Mal ein Foto von ihr erschienen ist, wäre Krause „sehr verunsichert“ gewesen, heute aber nicht mehr: „Ich weiß mittlerweile um die perfiden Methoden der Nazis, das Internet als Drohplattform für AntifaschistInnen zu verwenden und habe gelernt, damit verantwortungsbewusst umzugehen“, sagt sie.

Ihre Freunde und Bekannten hätten Krause sehr unterstützt, wie sie erzählt. So habe sie viel „positives und aufbauendes Feedback“ bekommen, einige hätten sie gefragt, wie es ihr gehe oder ob man ihr helfen könne. Andererseits wurden innerhalb des „engen Familien- und Freundeskreises“ natürlich auch „Sorgen und Bedenken“ zur Sprache gebracht. Krause spielt das nicht herunter; im Gegenteil, sie nimmt sich dessen an, spricht darüber und will „Öffentlichkeit erzeugen“, denn das diene als Schutz. Besonders wichtig ist es auch, damit nicht „alleine dazustehen“ und andere darüber in Kenntnis zu setzen. „Ein Netzwerk ist für antifaschistische Arbeit von hoher Bedeutung!“, legt Krause dar.

„Anti-Antifa-Arbeit“ ist ein großes Problem

Doch alleine ist Tina Krause mit ihrem Problem keineswegs. Das, was die Szene „Anti-Antifa-Arbeit“ nennt, ist für viele Nazi-Gegner nämlich eine sehr ernstzunehmende Problematik. Unzählige couragierte Bürger können ähnliche Geschichten erzählen, viele fanden ihr Gesicht und/oder ihren Namen bereits ebenfalls auf Nazi-Homepages. Oftmals reicht es aus, sich schlicht gegen Neonazis zu engagieren, um in den Fokus selbiger zu geraten. Die Szene professionalisiert ihre Arbeit, baut diese aus und will ihr Gegner systematisch einschüchtern.

Nicht selten mit Erfolg. Tina Krause aber warnt und rät, sich davon nicht einschüchtern zu lassen: „Und ich rate jeder und jedem, der Angst hat, mutig zu sein und sich einmal daran zu erinnern, was jedeR Einzelne von uns unserer Demokratie zu verdanken hat. Und wie unglaublich wichtig es ist, sich dafür einzusetzen, dass das so bleibt. Und dazu brauchen wir jedeN, und wir brauchen keine Angst zu haben vor Neonazis, wenn wir nur genug sind, die sich engagieren. Öffentlichkeit und Masse, das schützt auch vor Angst. Und wir alle wissen dann, dass wir nicht alleine kämpfen!“

Problematisch ist in Bayern vor allem, wie viel Freiraum die Anti-Antifa-Fotografen der Neonazis bekommen. Zumeist können sie ungestört, oftmals weit außerhalb der Polizeikette herumlaufen und GegendemonstrantInnen und JournalistenInnen ablichten. Beispiele hierfür geben ein Neonazi-Aufmarsch am 31.03 in Schwandorf oder der großangelegte Aufmarsch zum 1. Mai 2012 in Hof, wo die Neonazis teilweise hunderte Meter außerhalb ihres Zuges laufen und – stellenweise unbeobachtet von der Polizei – GegendemonstrantInnen und JournalistInnen ablichten konnten. Und auch Tina Krause hat damit schon ihre Erfahrungen gemacht. „Das Foto von mir entstand am 31.3.2012 in Bayreuth, als Nazis des ‚Freien Netz Süd‘ bei uns eine Kundgebung durchführten. Die Polizei ließ den namentlich bekannten Neonazi bis auf knapp einen Meter an uns heran und so konnten wir nicht verhindern, dass der vorbestrafte Anti-Antifa-Fotograf uns exzessiv ablichtete“, schildert sie die Entstehung des Fotos, mit dem man später den Artikel über sie illustrierte.

Das Ziel, das sich hinter der „Anti-Antifa-Arbeit“ der Szene verbirgt, ist für Krause hingegen eindeutig. „Die Strategie, unliebsame AntifaschistInnen im Internet an den Pranger zu stellen, mit Namen und zum Teil sogar Adressen, ist ein Versuch, unseren Widerstand gegen Nazis zu schwächen und Angst zu erzeugen.“ Die Gefahren sind ihr allerdings durchaus auch bewusst, insbesondere die Nutzung von Anti-Antifa-Daten für die Planung von Straftaten sei „gefährlich“, warnt sie. „Deswegen ist es wichtig, dass man, wo immer möglich, mit Anzeigen gegen diese Art der Bedrohung und Einschüchterung vorgeht.“ Deshalb war auch Krause bei der Polizei und hat den Vorgang gemeldet, da sie aber eine Person des öffentlichen Lebens ist, hat sie wohl keine großen Chancen, dagegen vorzugehen. Darum gehe es vorrangig aber gar nicht, eher ein anderer Effekt ist ihr hierbei besonders wichtig: Die Dokumentation der Vorfälle, um für den Fall der Fälle „abgesichert“ zu sein. „Dann kann hinterher auch niemand sagen, dass man die Bedrohungssituation nicht gewusst habe.“

Wie geht es für Tina Krause weiter?

Einen Einschnitt stellt diese Anprangerung für Krause nicht da, es wird so weiter gehen, wie zuvor – vermutlich sogar noch intensiver. „Ich mache da weiter und versuche die Menschen in meinem Umfeld aufzuklären und zu sensibilisieren. Ich möchte auch, dass die Menschen genau hinschauen, mit welchen Methoden Nazis versuchen, uns einzuschüchtern und uns Angst zu machen. Das mobilisiert Menschen, uns zu unterstützen und sich zu engagieren.“ Die Angst, mit der die Neonazi-Szene auf ihren Kommentar reagiert hat, bestärkt sie dabei. Das mache deutlich, wie viel Angst die Nazis haben, so Krause.