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Haftstrafe nach Naziangriff auf Journalisten

 

Vermummt und gewaltätig: Stefan Liedtke (links mit Palituch) griff aus dem rechten Mob heraus einen Fotografen an © Theo Schneider

Prozess um einen Angriff auf einen Journalisten offenbart tiefen Einblick in die gewalttätige Karriere von Rechtsextremist Stefan Liedtke. Er hatte vor den Augen der Polizei am Rande einer Nazi-Aktion in Berlin einen Journalisten niedergeschlagen.

Von Theo Schneider

Als am 21. Januar 2012 mehrere tausend Menschen auf einer Demonstration unter dem Motto „Wir haben es satt“ für eine nachhaltige Landwirtschaftspolitik vor dem Bundeskanzleramt demonstrierten, versuchte auch eine 20-köpfige Gruppe Berlin-Brandenburger Neonazis mit einem Transparent anzudocken. Zunächst kaum wahrgenommen, führten die rechten Parolen der Gruppe um Björn W., Christian B. , Tim W. und Marco Oe. schnell zu einem Tumult. Rund hundert Teilnehmer drängten die teilweise vermummten Neonazis, die mit Fahnenstöcken um sich schlugen, von der Demonstration. Schließlich führte die Polizei die Gruppe über den Platz der Republik zum nächstgelegenen U-Bahnhof, um weitere Zusammenstöße zu vermeiden. Dennoch wurde kurz darauf ein Pressefotograf zu Boden geschlagen.

Am Mittwoch musste sich der 28-jährige Stefan Falk Liedtke vor dem Berliner Amtsgericht dafür verantworten, und offenbarte seine gewalttätige Karriere. Optisch ein typischer Autonomer Nationalist, mit Tunnelohrringen, Kapuzenpullover und Wadentattoos, machte aus seiner Tat keinen Hehl und räumte ein, zugeschlagen zu haben. Allerdings wollte er damals nur aus Sorge um seinen Job als Altenpfleger-Assistent verhindern, dass Fotos von ihm angefertigt werden. Die Kamera sei das Ziel gewesen und nicht der Kopf des Journalisten. Zudem hätte es ihn provoziert, weil der Fotograf zu nahe an die Gruppe herangekommen sei und nicht als Journalist erkennbar gewesen sei.

Das sahen der Betroffene und ein Polizist, der Zeuge der Tat war, anders. Ein gezielter Schlag mit der Faust auf den Kopf, infolge dessen der Journalist zu Boden ging, erinnerten sich beide übereinstimmend an die Tat. Zudem war eine „Presse“-Aufschrift am Rucksack des Fotografen und der Presseausweis hing um den Hals. Auch die Staatsanwaltschaft war verwundert über die Einlassung des Angeklagten. Bei der Polizei war er kurz nach der Tat noch vollumfänglich geständig, jetzt komme er mit „merkwürdigen Ausflüchten.“

Auch ganz allgemein gab Liedtke keine gute Figur vor Gericht ab. Erst wollte er das Alter seiner vier Kinder nicht mehr wissen, weil er keinen Kontakt mehr zur Mutter habe . Als später seine Vorstrafen zur Sprache kamen – insgesamt zwölf Verurteilungen zu Geld-, Bewährungs- und schließlich Haftstrafen zwischen 2002 bis 2009, die meisten aufgrund von Gewaltdelikten – entgegnete er nur, dass er sich geändert hätte und immerhin seit sechs Jahren trocken sei. „Nichteinmal alkoholisch enthemmt“, wertete das Gericht die Aussage. Denn immerhin lief erst im November 2011 sein letzte Bewährungsstrafe ab, nur zwei Monate später schlug er bei der Agrar-Demo schon wieder zu.

Entsprechend deutliche Worte fand der Staatsanwalt in seinen Abschlussplädoyer zu dem Angeklagten aus Reinickendorf: Er habe „nicht den allergeringsten Zweifel“, dass er den Journalisten habe schlagen wollen, denn wer so zuschlägt, geht nicht gegen die Kamera vor und nimmt Verletzungen bewusst in Kauf. Dieser Prozess sei nur ein weiterer Teil einer „üblichen Karriere eines gewalttätigen Straftäters“, dessen Taten nicht am Alkohol zu liegen scheinen, sondern offenbar an „einem Hang zur Gewalt“ liegen. Seine Version der Tat sei „völliger Unfug“, und bei seinem „imposanten Vorstrafenregister“ müsse der Angeklagte „zur Räson gebracht werden“. Er forderte 8 Monate Haft ohne Bewährung.

Liedtke konnte seine Tränen nur noch schwer unterdrücken: „Wissen sie eigentlich wie schwer es ist als Ex-Knacki einen Job zu bekommen?“, fragte er den Staatsanwalt. Aber von Reue keine Spur: „Ich habe nur geschlagen, weil ich Angst um meinen Job hatte.“

Das überzeugte den Richter in keinster Weise und er verurteilte den gebürtigen Leipziger zu 6 Monaten Haft. Die Aussage Liedtkes wertete das Gericht als Versuch, das „Geständnis abzuschwächen.“ Mit der Störaktion wollten sie provozieren, und geraten somit „durchaus ins Interesse der Presse. Und das Wissen sie auch“, deutete er zum Angeklagten. Die Entscheidung, ob er seinen Job riskieren wolle oder nicht, treffe er schon vor seiner Teilnahme an diesen Aktionen. Zudem stellte das Gericht klar, unabhängig ob die fotografierende Person nun Journalist oder Hobbyknipser sei, „gibt es ihnen nicht das Recht, dass so zu unterbinden.“ Seine bisherigen Verurteilungen bescheinigen ihm „ein hohes Maß an Gewalttätigkeit“, und der Job habe ihn offenbar von der Tat nicht abgehalten, wohingegen sich seine „Gesinnungsgenossen offenbar zusammenreißen konnten.“