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Neonazi-Portal Altermedia offline

 

Altermedia Deutschland © Screenshot

Seit Samstagnachmittag ist Altermedia Deutschland nicht mehr zu erreichen. Auf einer Neonaziseite ist seit der Nacht zu lesen, dass der amerikanischer Hoster das Szenenportal gesperrt und zeitgleich den Speicherplatz leergeräumt habe. Sollte sich diese Meldung bestätigen, verliert die extreme Rechte nach dem Thiazi-Forum und dem Deutschlandecho ihre zentrale Nachrichtenplattform.

Bereits vor einem Jahr wurde das gesamte Altermedia-Netzwerk gesperrt. Der deutsche Ableger ging daraufhin zu einem anderen Server-Anbieter in den USA und wechselte zu der Domain altermedia-deutschland.info. Die USA gelten als relativ sicher für deutsche Neonaziseiten, da Dienstleistungen anonym gekauft und Holocaustleugnung sowie das verwenden deutscher verfassungsfeindlicher Symbole dort nicht geahndet werden. Deutschen Sicherheitsbehörden wird aber auch fehlender Wille und wenig Nachdruck bei Amtshilfegesuchen an US-Amerikanischen Behörden nachgesagt.

Wie bei der Sperre von Altermedia vor einem Jahr informierte der Nutzer „Wolf“ auf der Webpräsenz der „Freien Kräfte – Schwarzwald-Baar-Heuberg“ über das weitere Verfahren. Von daher ist davon auszugehen, dass die Mitteilung von „Altermedia-Deutschland“ authentisch ist.

„Nachricht von altermedia-deutschland.info zur Sperrung!“ auf der Homepage der „Freien Kräfte – Schwarzwald-Baar-Heuberg“ © Screenshot

Altermedia ist ein internationales neonazistisches Internetnetzwerk. Der deutsche Blog ging aus dem 1997 gegründeten „Störtebeker Netz“ hervor, der 2003 vollständig in Altermedia aufging. Mit knapp fünf Millionen Zugriffen jährlich etablierte sich die „Weltnetzseite“ als bedeutendstes rechtsextremistisches Online-Nachrichtenportal hierzulande. Im Oktober 2011 wurde der 47-jährige Axel Möller als Seitenbetreiber vom Landgericht Rostock zu einer Strafe von 30 Monaten und der 30-jährige „Schriftleiter“ Robert R. zu einer Haftstrafe von 27 Monaten verurteilt.

Beide Angeklagten gestanden zumindest zeitweise als Administratoren redaktionell verantwortlich gewesen zu sein. In der 270 Seiten umfassenden Anklageschrift listeten die Ermittler insgesamt 50 Straftaten auf, darunter Volksverhetzung, Aufforderung zu Straftaten, Holocaustleugnung und das Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Alle Beiträge und Kommentare mussten von Möller oder den „Schriftleitern“ frei geschalten werden, auch die mit antisemitischen, rassistischen und volksverhetzenden Inhalt. Häufig wurden auch Namen und Adressen samt Fotos von missliebigen Politikern, Gewerkschaftern und Journalisten verbunden mit Gewaltaufrufen online gestellt.

Während sich Robert R. im Laufe des Verfahrens von der rechten Szene abwendete, verkündete Möller, er werde mit Stolz ins Gefängnis gehen. Die Solidaritätskampagne seiner Kameraden für den in Stralsund einsitzenden Möller läuft bis heute. Seit 1992 ist dieser in der rechten Szene aktiv. Er durchlief die Deutschen Volksunion (DVU), dann die Republikaner und verließ 2000 die NPD im Streit und bezeichnet sich seitdem als „freier Nationalist“. Dementsprechend war auch das Verhältnis von Altermedia zur NPD: Über Beiträge und Kommentare konnten „Freien Kräfte“ ihre Kritik und Ablehnung der NPD publizieren, während gleichzeitig aber auch interne Parteikonflikte öffentlich ausgetragen wurden. Der Blog hatte schnell den Ruf die „BILD“ für Neonazis zu sein. Nach jahrelangem Streit ging die NPD zuletzt wegen der großen Leserschaft auf Kuschelkurs mit dem größten Szenenportal.

Twitter-Account von Altermedia Deutschland, 09. September 2012, 11:25 Uhr © Screenshot

Nach dem Haftantritt Möllers verlor Altermedia Deutschland an Bedeutung in der Szene, war aber bis zur Sperre durch den amerikanischer Hoster gestern das meistgelesene Infoportal für das neonazistische Spektrum. Trotz der über dem Kurznachrichtendienst Twitter angekündigten Rückkehr der Website, dürfte einiges an Zeit in den Raum gehen. Neonazis werden bis dahin verstärkt auf regionale Plattformen zurückgreifen und sich über Twitter und in den „Sozialen Netzwerken“ wie Facebook bundesweit vernetzen.