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Nach Attacke auf Pressevertreter: Amtsgericht München will Journalisten behindern

 

Bei dem Prozess gegen zwei Neonazis in München wurden Journalisten von Anhängern der Angeklagten mehrfach attackiert. Als Konsequenz denkt der Amtsgerichtspräsident jetzt darüber nach, Film- und Fotoaufnahmen künftig zu untersagen. Alleine die Idee ist ein Armutszeugnis für den demokratischen Rechtsstaat sowie das Amtsgericht München. Ein Kommentar.

Als vor dem Amtsgericht München gegen die beiden Neonazis Norman Bordin und Philipp G. wegen Belohnung und Billigung von Straftaten verhandelt wurde, spielten sich bisweilen bedrohliche Szenen ab. Immer wieder wurden anwesende Journalisten angegangen und bedrängt – auch Kameras haben die Rechtsextremisten beschmiert. Die zahlreich eingesetzten Justizbeamten sind oft erst sehr spät, nur auf Aufforderung – oder aber gleich gar nicht eingeschritten. Viele Kollegen – vom a.i.d.a.-Archiv über eine Autorin der Süddeutschen Zeitung – waren schockiert über dieses Verhalten. Der Bayerische Rundfunk prüft derzeit zudem eine Anzeige gegen die entsprechenden Neonazis, die ihre Kameras beschmiert haben. Eigentlich wäre zu erwarten gewesen, dass sich das Amtsgericht München im Nachhinein für dieses unerträgliche Verhalten entschuldigt. Doch weit gefehlt, das Gericht erkennt vielmehr einen anderen Feind: die Pressevertreterinnen und Pressevertreter.

In einem Interview mit dem NDR-Medienmagazin „Zapp“ erwägt der Amtsgerichtspräsident Gerhard Zierl nun eine Maßnahme, die nicht mehr als eine bodenlose Frechheit ist. Anstatt etwa gegen die gewalttätigen Rechtsextremisten in den Zuschauerräumen vorzugehen, soll nämlich die grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit eingeschränkt werden. Zukünftig, meint der Amtsgerichtspräsident, müsse man eben überlegen, ob Film- und Fotoaufnahmen überhaupt noch genehmigt werden sollen. Immerhin würde dies als Provokation aufgefasst werden – und könnte so zu einer Eskalation führen. Denn, so ist sich Zierl sicher, hätten die Berichterstatter keine Aufnahmen angefertigt, wäre es zu derartigen Szenen überhaupt nicht gekommen.

Wer in Bayern über Neonazis berichtet, ist durchaus einiges gewöhnt – insbesondere der Umgang mit der Polizei und deren Pressesprecher stellt sich oftmals überaus problematisch dar. Aber das, was das Amtsgericht München nun scheinbar ernsthaft in Erwägung zieht, ist eine neue Dimension, zumal dies die Erfüllung eines journalistischen Auftrags mitunter völlig verhindern kann. Wenn beispielsweise ein Fotojournalist einer Agentur damit beauftragt wird, Aufnahmen von den Angeklagten anzufertigen, wird er diesem Auftrag nicht nachkommen können. Ähnliches gilt für Fernsehteams, die für ihren Beitrag Aufnahmen aus dem Gericht benötigen. Das für sich genommen ist ein Skandal, der seinesgleichen sucht.

Viel schlimmer ist jedoch, dass das Gericht der rechtsextremen Szene damit auch noch förmlich in die Hände spielt. Kurz gesagt: die Neonazis wollen eine Einschränkung der Pressefreiheit erreichen, das Amtsgericht München will sie fortan höchstoffiziell umsetzen. Dass eine solche Forderung ausgerechnet von der Justiz kommt – die eigentlich dafür Sorge zu tragen hat, dass die im Grundgesetzt verankerten Grundrechte eingehalten werden – ist unverständlich.

Und zugleich stellt sich die Frage, wieso ausgerechnet gegen die Journalisten vorgegangen wird? Was ist denn mit den gewaltbereiten Neonazis im Zuschauerraum, von denen die Aggressionen zweifelsohne ausgegangen sind? Wieso will das Gericht nicht etwas gegen die Anhänger einer verfassungsfeindlichen Ideologie unternehmen, dafür aber gegen die Presse, die eine Kontrollfunktion in einer demokratischen Gesellschaft erfüllt. Wie bitte ist das zu verstehen?

Sollte diese Idee des Amtsgerichtspräsidenten am Ende tatsächlich umgesetzt werden, so ist das nicht mehr als eine Niederlage für die Demokratie – ausgehend von einem bayerischen Gericht. Das sagt viel aus: Über den Umgang der Behörden mit der Pressefreiheit ebenso wie über das Rechtsverständnis des Amtsgerichtspräsidenten in München…

Erstveröffentlichung bei: Endstation Rechts. Bayern