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Völkischer Mainstream-Rock – Frei.Wild und die extreme Rechte

 

Frei.Wild beim Wackenfestival 2011 © Getty
Frei.Wild beim Wackenfestival 2011 © Getty

Frei.Wild aus Südtirol sind eine der derzeit erfolgreichsten deutschsprachigen Rockbands. Ihr »patriotischer Deutschrock« hat sie in die ganz großen Konzerthallen gebracht – eine Entwicklung, die äußerst kritisch zu betrachten ist. Denn »unpolitisch«, wie Frei.Wild sich selbst bezeichnen, sind sie bei Weitem nicht. Mit ihren Songs tragen sie völkisch-nationalistische Positionen in den Mainstream, erteilen den Vorstellungen einer offenen und emanzipatorischen Gesellschaft eine Absage und erhalten dafür Applaus von Rechtsaußen.

Gastbeitrag von apabiz-Mitarbeiter Frank Metzger

In einer Sendung des neonazistischen Internet-Portals FSN-TV vom 14. Oktober diskutieren die beiden Moderatoren (darunter der NPDler PATRICK SCHRÖDER aus der Oberpfalz) mit zugeschalteten Gästen (u.a. der JN-Kader SVEN DIEM und der Potsdamer RechtsRock-Multiaktivist UWE »UWOCAUST« MENZEL) den politischen Gehalt von FREI.WILDS Songs und den möglichen Nutzen von deren Erfolg. Laut SCHRÖDER sei die Band »politisch vielleicht nicht 100% bei uns auf Linie, aber immerhin 80%. Und sie geben 30% davon zu«. Er sieht Sänger PHILIPP BURGER1 nach, zugunsten der Band-Karriere sein Engagement für die Südtiroler Rechtsaußenpartei DIE FREIHEITLICHEN beendet zu haben und sich seitdem mit Floskeln à la »Wir sind gegen jeden Extremismus!« von Nazis zu distanzieren. SCHRÖDER erkennt darin gar einen großen Vorteil. Denn so habe BURGER »die Südtirol-Frage zum Beispiel ums hundertausendfache mehr thematisiert oder in die Köpfe der Menschen, der Jugend gebracht als wie er das als Parteimitglied eben gemacht hätte« [sic!].

Darüber hinaus deuten die Diskutierenden den Song »Wahre Werte« keinesfalls als banales Statement pro »Heimatliebe«, wie FREI.WILD es verstanden haben wollen. Die Neonazis erkennen in Zeilen wie »Wo soll das hinführen, wie weit mit uns gehen. Selbst ein Baum ohne Wurzeln kann nicht bestehen. […] Sprache, Brauchtum und Glaube sind Werte der Heimat. Ohne sie gehen wir unter, stirbt unser kleines Volk« vielmehr die unmissverständliche Forderung nach »Volkserhalt«. Kritiker_innen hätten es nicht prägnanter ausdrücken können.2 Nicht zuletzt deshalb diskutieren die Nazis im weiteren Verlauf der Sendung die Möglichkeit, Teile der FREI.WILD-Fans für die eigenen Ziele zu gewinnen. Diese kämen zwar »als Null-Menschen an«, die sie »komplett neu schulen« müssten. Aber auch wenn sie »nicht ideologisch gefestigt durch FREI.WILD oder durch die ONKELZ« würden, sollte man »das Potential […] nicht verschenken«.

Auch die neurechte Schülerzeitung BLAUE NARZISSE zeigt sich höchst angetan von FREI.WILDS Erfolg, ebenso wie Teile der IDENTITÄREN.3 Auf einem diesem Spektrum nahe stehenden Blog aus Österreich erschien ein begeisterter Beitrag über ein Konzert in Wien. Erfreut wird darin berichtet, dass vor der Halle »WIENS IDENTITÄRE grüßen FREI.WILD!« und das für dieses Spektrum übliche Lambda-Symbol auf den Boden gemalt waren. Der euphorische Konzertbericht schließt mit den Worten: »Auch wir wünschen FREI.WILD noch eine erfolgreiche Tour, mögen sie noch so manche Bühne verwüsten und den Fans das bringen, was sie alle sehnsüchtigst erwarten: knallharte, identitäre Rockmusik ohne wenn und aber!«

Entgegen der Einschätzung ihres Sängers PHILIPP BURGER, dass »richtig überzeugte Nazis« mit FREI.WILD »eh nicht klarkommen würden«, beziehen sich Neonazis und neue Rechte sehr wohl positiv auf die Band.

Das alte Spiel

Die Diskussion um FREI.WILD ist nicht neu. Bereits 2008 hatten die Geschichte der Band und vor allem die Aktivitäten BURGERS für einen zwischenzeitlichen Karriereknick gesorgt. Nach halbgaren Distanzierungen läuft es nunmehr nach Erfolgsmaßstäben des Music-Business blendend. Anfang Oktober 2012 stieg das aktuelle FREI.WILD-Album »Feinde deiner Feinde« – wie schon 2010 der Vorgänger »Gegengift« – auf Platz zwei der deutschen Charts ein. Die Headliner-Tour durch große Hallen vor bis zu 15.000 Leuten pro Show war an etlichen Orten bereits im Vorfeld ausverkauft. Im Vorprogramm spielte eines ihrer Idole – das ehemalige BÖHSE ONKELZ-Mitglied MATTHIAS »GONZO« RÖHR. Dass FREI.WILD mit Songs wie »Wahre Werte« Blut-und-Boden-Ideologie kolportiert, ist offensichtlich nicht hinderlich. Weder Fans, noch Teile der Medien und schon gar nicht diejenigen, die an der Band verdienen, stören sich daran. Seit einer Günther Jauch-Sendung am 28. Oktober 2012 hat die kritische Diskussion um die Band jedoch wieder Fahrt aufgenommen und auch ins Feuilleton der großen Zeitungen Einzug erhalten. Zur besten Sendezeit hatte der Undercover-Journalist Thomas Kuban (Film und Buch »Blut muss fließen…«) auf die Frage, wo denn heute noch Neonazi-Konzerte stattfänden, unter anderem Bezug auf die derzeitige FREI.WILD-Tour genommen. Er kam zu der provokanten wie diskussionswürdigen Einschätzung, mit dem aktuellen Album würde sich die Band »klassisch in RechtsRock-Gefilden« bewegen.

FREI.WILD reagierte prompt mit dem gleichen Beißreflex, mit dem die Band seit Jahren jeglicher Kritik begegnet: In einem Video-Statement gerierte sich Sänger PHILIPP BURGER zum Opfer einer »große(n) Anti-Frei.Wild-Liga«, von der die Band angetrieben von Böswilligkeit mit Lügen »volle Pulle unter Beschuss genommen« und »beschmutzt« wird. In einer schriftlichen Erklärung wird zudem Thomas Kuban bezichtigt, »kein Journalist im eigentlichen Sinne« zu sein. Auf die inhaltliche Kritik wird in beiden Fällen nicht einmal ansatzweise eingegangen. Was FREI.WILD von ihren Kritiker_innen halten, bringen sie gleich in mehreren aktuellen Songs zum Ausdruck. So heißt es beispielsweise in einem: »Ich scheiß auf Gutmenschen, Moral¬apostel. Selbsternannt, political correct. […] Ich hasse sie wie die Pest«. An anderer Stelle werden Musiker-Kollegen wie Die Ärzte, die sich ebenfalls kritisch gegenüber der Band geäußert hatten, martialisch mit »Wir gehen wie Bomben auf euch nieder« bedacht. Zu BURGERS Aussage, dass FREI.WILD »wirklich zu 100% lebensbejahende und aufbauende Songs« machen würden, mag das nicht passen.

Kritisch bleiben!
Abschließend bleibt festzuhalten: FREI.WILD sind zwar keine Nazis und auch nur in den wenigsten Fällen scheinen Nazis bei den Konzerten aufzutauchen, da den meisten eine konkrete Unterstützung dann doch zu weit geht. Allerdings wird trotz aller Abgrenzungsversuche seitens der Band die ideologische Anschlussfähigkeit an die extreme Rechte von deren Akteur_innen sehr wohl erkannt. Denn Neonazis, Neue Rechte wie auch die Identitären erfreuen sich daran, dass FREI.WILD ihren völkisch-nationalistischen, reaktionären und antiemanzipatorischen Inhalten treu bleiben und trotzdem oder gerade deswegen Massenerfolge feiern. So sind und bleiben die inhaltlichen Positionierungen von FREI.WILD das eigentliche, fortbestehende und sich verfestigende Problem. Es ist daher weiterhin zwingend notwendig, die Band und deren Etablierung im Mainstream zu kritisieren.

Der Artikel erschien zuerst in Monitor Nr. 57 (Dezember 2012)

1. Hervorgegangen ist FREI.WILD aus der RechtsRock-Band KAISERJÄGER. PHILIPP BURGER war nicht nur deren Sänger, sondern zu jener Zeit einige Jahre Teil der neonazistischen Skinhead-Szene Südtirols. Außerdem wurde 2008, als FREI.WILD auf dem Sommerfest von DIE FREIHEITLICHEN in Südtirol spielen sollten, bekannt, dass PHILIPP BURGER Mitglied von deren Jugendorganisation ist. Erst nach Protesten sagten sie den Auftritt zugunsten ihrer Karriere ab und BURGER verließ die Rechtsaußenpartei, betonte jedoch sich keinesfalls inhaltlich zu distanzieren.

2. Auf genaue Textanalysen soll in diesem Text verzichtet werden, da diese an anderer Stelle bereits ausreichend erfolgten. Es sei daher auf die folgenden Texte verwiesen:
1) Sieber, Roland: Frei.Wild: Gehasst, Verdammt, Vergöttert!
2) Kuban, Thomas: Alles nur Fassade? Oder: Wie »rechts« sind Frei.Wild wirklich? (Gastbeitrag auf www.endstation-rechts.de);
3) »Frei.Wild«: Zwischen Kitsch und Subkultur, in: Antifaschistisches Infoblatt Nr. 89

3. Bei den Identitären handelt es sich um eine in Deutschland relativ neue, ursprünglich aus Frankreich kommende Erscheinungsform der extremen Rechten. Es handelt sich um keine homogene Gruppe. Teilweise sind die Identitären eher neurecht, in anderen Fällen offen neonazistisch geprägt.