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Pleite für NPD-Wanderzirkus

 

Ein Teilnehmer in Thor Steinar Outfit mit NPD-Fahne © Theo Schneider
Die Wahlkampftour der NPD läuft mehr als schlecht © Theo Schneider

Die NPD-Wahlkampftour nahm an der Weser ohne einen einzigen Wortbeitrag ein abruptes Ende. Eigenes Versagen und massiver Gegenprotest sorgten dafür. Peinlich zudem: Die NPD wirbt mit Songs von Annett – die einstige Kultfigur aber distanziert sich von den Kameraden.

Von Andrea Röpke, zuerst erschienen bei Blick nach rechts

Ein „Heißer Sommer 2013“ soll die „Deutschlandfahrt“ der NPD werden. So verspricht es der Slogan auf den blauen Regenjacken, die auch der Parteivorsitzende Holger Apfel und sein Adlatus Matthias Faust tragen. In Bremen bewahrheitete sich die Prophezeiung. Am dritten Tag ihrer Bundestagswahlkampftour fuhr die Fahrzeugkolonne mit dem partei-eigenen LKW mit NPD-Werbung am Bahnhof im Stadtteil Vegesack in Bremen-Nord vor. Zuvor hatte sie am Vormittag eine Kundgebung vor rund 50 Gegendemonstranten und fünf Bauarbeitern in der niedersächsischen Stadt Oldenburg abgehalten. Kaum waren die Aktivisten nach der Mittagspause gegen 15.30 Uhr in Bremen ausgestiegen, empfing sie lautstarker Protest und weiches Gemüse. Demonstranten aus den Reihen des DGB, der Linken, den Grünen, mehrerer engagierter Stiftungen und antifaschistischer Gruppen hatten sich friedlich vor Ort versammelt. Viele Migranten waren anwesend. Parteichef Apfel kommentierte bei Facebook: „Absoluter Wahnsinn. In Bremen erwartete uns soeben ein Hagel von Eiern, Tomaten und anderen Wurfgeschossen“.

Für noch größeres Chaos und Verwirrung sorgte dann schnell der Überraschungsauftritt einer größeren Gruppe von Nazigegnern, die mit wehenden Fahnen vom Hafen her auf den Bahnhof zuliefen. Als die Einsatzkräfte der Polizei davoneilten, formierte sich schnell die kleine Ordnertruppe von Andy Knape und Maik Scheffler um ihre sichtlich verängstigten Präsentanten. Die muskelbepackten NPD-Bodyguards, gekleidet in schwere schwarze Schutzwesten, mit Regenschirmen in den Händen, stellten sich martialisch auf.

Am Vormittag hatte der niedersächsische NPD-Landeschef und Stadtrat aus Oldenburg, Ulrich Eigenfeld noch gefeixt: „Wir waren enttäuscht von den Linken im Landtagswahlkampf, weil wir so viele Plakate am Ende in der Stadt wieder abnehmen mussten. Wir hoffen, dass sie jetzt wieder etwas aktiver werden, damit wir weniger Aufräumarbeiten haben.“
„Badenweiler Marsch“ verstößt gegen die Auflagen

Vom forschen Auftritt war in Bremen am Mittwoch nicht mehr viel zu spüren. Dann setzte auch noch starker Regen ein. Fast trotzig stellte sich Apfel zwischen seinen Beschützern auf, während Helfer aus Mecklenburg-Vorpommern und anderen Bundesländern damit begangen, die beiden großen Lautsprecher vom LKW abzuladen. Diese Mühe lohnte kaum, denn nur wenige Takte Musik erklangen.

Der Wahlkampfeinsatz der Neonazis fand in Bremen ein schnelleres Ende als ihnen lieb war, denn die Einsatzleitung der Polizei löste die Kundgebung bereits nach den ersten lauten Klängen des umstrittenen „Badenweiler Marsches“ auf, weil der ihrer Meinung nach gegen die Auflagen verstoße. Dieser Marsch, der als „Lieblingsmarsch Adolf Hitlers“ galt, ist in der Bundesrepublik nicht verboten, wird aber von den Bundeswehrkapellen nicht mehr gespielt. Eine konsequente Haltung der Polizei, die die Neonazis dementsprechend in Rage brachte. Holger Apfel echauffierte sich bei Facebook über die Polizei: „Glorifizierung des NS-Regimes??? Was haben diese erbärmlichen Wichte nur für ein ungenießbares Zeug geraucht?“

Bei der Auswahl „patriotischer Begleitmusik“ für die „Deutschlandfahrt“ suchte Holger Apfel nach eigenen Angaben nach Liedern, die „nicht zu langweilig“ und textlich „peppig“ sein sollten. Seine Wahl fiel auch auf „Wenn der Wind sich dreht“ der nationalen Liedermacherin Annett Müller. Das Lied wurde am Mittwoch während der NPD-Kundgebung auf dem abgelegenen Berliner Platz in Oldenburg gespielt, obwohl sich der langjährige Kultstar der Szene längst öffentlich von der NPD und ihrem Umfeld distanziert.
Heute „sorgsamer mit der Auswahl meiner Weggefährten“

Auf ihrer Homepage schreibt die gebürtige Brandenburgerin, sie habe „keinen Bock mehr, Musik für eine Schublade zu machen, die mich mehr enttäuscht hat, als ich es je ausdrücken könnte“. 2009 war Müllers Ehemann, der antisemitische Sänger Michael Müller, an Krebs gestorben. Nach außen propagierte die „Bewegung“ starke Unterstützung für die Witwe. Müller, die 2008 noch für die NPD in Niedersachsen als Wahlkandidatin zur Verfügung stand, zählte zur Spitze des Rechtsrock. Heute ist sie wieder verheiratet, Schalke-Fan und will nicht mehr mit den Kameraden reden: „Es ist alles gesagt, ihr braucht mir nichts mehr zu erklären und auch nichts mehr zu erzählen …“. Doch so richtig kritisch mag sich die ehemalige Vorzeige-Nationalistin anscheinend nicht mit ihrer Vergangenheit auseinander setzen, wenn sie schreibt: „Ich bereue nichts … mit einer Ausnahme“, sie wäre heute „sorgsamer mit der Auswahl meiner Weggefährten.“

Angesprochen auf die peinliche Musikauswahl und den Austritt ihres Szene-Stars reagierten die NPDler widerwillig. Dann winkte Ronny Zasowk ab und betonte Müllers „Musik und Texte“ seien „natürlich weiterhin wichtig“.

Der Kurzauftritt der NPD in Bremen verlief ohne lokale Unterstützung. Anders als in Oldenburg und den anderen Städten hatte sich kein einziger Parteivertreter aus der Hansestadt zum rechten „Wanderzirkus“ gesellt. Dabei kündigten sowohl Sascha Humpe als auch Jörg Wrieden die Kundgebung im Internet an. Apfel wollte das nicht kommentieren. Insgesamt scheint es hinter den Kulissen der Parteispitze gehörig zu rumoren, in Lüneburg wurde beobachtet, wie der Brandenburger Ronny Zasowk die eigenen Kameraden wild gestikulierend anbrüllte.
Erkennungsdienstliche Behandlung an der Landesgrenze

Auch mit der propagierten „Gewaltfreiheit“ der Szene scheint es bei der Wahltour nicht weit her: Bei der Abfahrt aus Bremen-Vegesack trafen einige Eier die Scheiben des 7,5 Tonners mit riesigem NPD-Logo. Sofort sprang ein Magdeburger Ordner aus einem der weißen Begleitfahrzeuge und rannte wütend auf die Demonstranten zu. Andy Knape, Bundeschef der Jungen Nationaldemokraten, folgte ihm mit einem roten Feuerlöscher in der Hand. Eilig drängten die Einsatzkräfte die aufbrausenden Neonazis zurück in die Wagen.

Zur guten Stimmung innerhalb der NPD-Wahlkämpfertruppe trug dann schließlich auch der letzte Kontakt mit Bremen nach dem Rückzug wohl nicht bei. So wurden die drei Fahrzeuge auf einem kleinen Rastplatz an der A 27 vor der Landesgrenze von der Polizei festgehalten und alle Teilnehmer der Kundgebung erkennungsdienstlich behandelt und abgefilmt, darunter auch der sächsische Landtagsabgeordnete Apfel. Hintergrund der Maßnahme soll der Verdacht einer gefährlichen Körperverletzung, begangen aus den Reihen der Neonazis, sein.