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Berliner Neonazis demonstrieren für „Satansmörder“ und gegen NSU-Gedenken

 

Plakat gegen Neonazis im Berliner Ortsteil Plänterwald
Plakat gegen Neonazis im Berliner Ortsteil Plänterwald

Eine für morgen geplante Antifa-Protestkundgebung vor einem Neonaziversand in Berlin-Plänterwald provoziert eine rechte Gegendemo. Der Versandhändler ist kein Unbekannter, sondern genießt als „Satansmörder von Sondershausen“ Kultstatus in der Szene.

Im ruhigen Berliner Ortsteil Plänterwald betreibt der langjährige Neonazi Hendrik Möbus seit 2007 mit einem Gefolgsmann den sogenannten „Merchant of Death“-Versand, ein Vertrieb für rechte Musik aus dem Spektrum des NSBM (Nationalsozialistischer Black Metal). In dieser Neonazi-Subkultur genießt Möbus hohes Ansehen, weil er Anfang der 1990er Jahre in Thüringen – als sich diese rechtsextreme Spielart des Black Metal herausbildete – mit Kollegen seiner damaligen Band „Absurd“ einen Mitschüler als „Volksschädling“ ermordete. Alle Täter bekamen mehrjährige Haftstrafen, Möbus durch die Medien den Titel „Satansmörder von Sondershausen“. Seitdem genießen sowohl die Band als auch Möbus Kultstatus in rechten Kreisen. Nach seiner vorzeitigen Haftentlassung blieb Möbus jedoch nicht untätig, gründete den rechten Verein „Deutsche Heidnische Front“, baute seinen Versand aus und beging mehrere rechte Straftaten, die zu einem Bewährungswiderruf führten. Diesmal setzte er sich allerdings ab und floh 1999 in die USA zu dem Neonaziführer der National Alliance William Pierce. Doch die Flucht währte nicht lange, US Marshals nahmen ihn im August 2000 fest und Möbus wurde 2001 nach einem erfolglosen Antrag auf Asyl schließlich nach Deutschland abgeschoben und musste seine Haftstrafe antreten.

Nach seiner Entlassung zog Hendrik Möbus nach Berlin, führte seinen Versand nun mit seinem ehemaligen Mitinsassen Christian Sch. von Berlin aus relativ unbehelligt fort. Zwar beschlagnahmte die Polizei 2009 bei einer Razzia im „Merchant of Death“ 12.000 Tonträger mit rechter Musik, die Möbus erneut eine Bewährungsstrafe einbrachten, sonst blieb es aber ruhig um den braunen Händler. Zusätzlich verdingt er sich als Musikproduzent mit dem Label „Darker than Black“ im Bereich des NSBM und organisiert deutschlandweit und in Nachbarstaaten rechte Black Metal Konzerte. Ein internationales Netzwerk haben sich Möbus und Sch. dabei über die Jahre aufgebaut. Erst vor zwei Monaten war durch eine Broschüre das umfangreiche Treiben detailliert aufgedeckt worden.

Dagegen wollen Antifaschisten aus Berlin nun am Freitagnachmittag vor dem Versand protestieren. Anlass sei der dritte Jahrestag der NSU-Selbstenttarnung, schreiben die Organisatoren, um „auf einen Neonazi aufmerksam zu machen, der aus demselben Thüringer Dunstkreis entstammt, damals in den selben Kreisen aktiv war und bis heute in der Szene – mittlerweile in Berlin – wichtige Funktionen übernimmt“. Um 17 Uhr soll die Versammlung in der Köpenicker Landstraße beginnen, die auch im Gedenken an die Opfer des NSU stattfindet.

Doch offenbar kann Möbus auf die Unterstützung der Berliner Neonaziszene setzen und will nicht kampflos das Feld räumen. Ebenfalls für Freitag ist nämlich eine Kundgebung angemeldet worden, die sich gegen die Antifa-Veranstaltung richtet. 15 Teilnehmer sind laut einem Polizeisprecher angekündigt, die sich bereits um 16.30 Uhr treffen wollen und bis 21.30 Uhr ihre Versammlung angemeldet haben. Sie wollen sich an der Köpenicker Landstraße/Dammweg treffen. Die Antifa sieht sich durch die Entwicklung bestätigt. Eine Sprecherin sagte:„Getroffene Hunde bellen. Allein die Ankündigung unseres Protestes stört das Treiben der Neonazis“, was die Gegenkundgebung beweise. Sie sehen darin auch ihre Einschätzung, dass Möbus eng mit der militanten Berliner Neonaziszene kooperiert ein weiteres Mal belegt und empfinden die Problematisierung dieser Neonazistruktur im Ortsteil umso dringender: „Wie so oft in der Neonaziszene treffen hier nämlich ideologisches Agieren und wirtschaftliches Interesse zusammen. Seit einigen Wochen nun werden die NSBM-Strukturen in Berlin stärker in den Fokus genommen. Das geht an diesen natürlich nicht spurlos vorüber. Und so soll’s ja auch sein“, so die Sprecherin weiter.