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Freital: Der Marsch aufs Heim

 

Im ehemaligen Hotel Leonardo in Freital sind derzeit 30 Flüchtlinge untergebracht. Foto: Marcus Fischer
Im ehemaligen Hotel Leonardo in Freital sind derzeit 30 Flüchtlinge untergebracht. © Marcus Fischer

Ohne Anmeldung versammelten sich am Freitagabend ca. 130 Menschen in Freital bei Dresden, um gegen Flüchtlinge in ihrer Stadt zu demonstrieren. Dabei versuchten sie wie in der Vorwoche, direkt zum Asylsuchendenheim zu gelangen.

Als die Asylgegner die Polizei bemerken, verstreuen sie sich. Über Treppen und kleine Gassen versuchen sie, die Beamten zu umgehen und zum ehemaligen Hotel Leonardo zu gelangen. Dort sind momentan etwa 30 Asylsuchende untergebracht. Etwa 20 der Asylgegner, die sich an diesem Abend versammelt haben, schaffen es auf das Grundstück. Dort stehen sie zunächst ratlos herum, bis schließlich die Polizei mit 45 Beamten dafür sorgen kann, dass es an diesem Abend friedlich bleibt. Ein Drittel der Demonstranten sind dunkel gekleidete junge Männer, viele von ihnen sind vermummt. Diese Szenen waren absehbar.

Vor einer Woche hatten sich in Freital 1500 Menschen unter dem Motto „Nein zum Hotelheim“ versammelt, als die Lage eskalierte: Während die Spitze des Aufmarsches weiter lief, versuchten die meisten der Beteiligten, teils gewaltsam und unter Einsatz von Feuerwerkskörpern, Polizeiketten zu durchbrechen, um zum Heim zu gelangen. Als das Organisationsteam von „Nein zum Hotelheim“ davon erfährt, dass ihre Anhänger sich ohne Anmeldung wieder versammmeln wollen, distanziert es sich eilig. Die Gruppe war in Bedrängnis geraten, da ihre Ordner die Hooligans nicht stoppen konnten. Nach der Demo in der Vorwoche wurde verkündet, es müsse interne Klärungsgespräche geben. Später hieß es, das Team habe nun gewechselt – der Beitrag wurde mittlerweile wieder gelöscht.

Ein ursprünglich geplanter zweiter angemeldeter Marsch war zuvor abgesagt worden. Stattdessen wollten viele Teilnehmer zu einer Informationsveranstaltung gehen, die der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus Brähmig anberaumt hatte. Unbekannte hatten ihm und dem Veranstaltungsort, dem Restaurant „Goldener Löwe“, gedroht, sodass er die Veranstaltung ebenfalls absagte. Die Freitaler Anti-Asyl-Seite „Frigida“ sieht den unangemeldeten Marsch in der Absage von Brähmigs Veranstaltung begründet: Man habe sich persönlich davon überzeugen wollen, dass die Veranstaltung nicht stattfindet. Den „Abendspaziergang“ habe man dann spontan bestritten. Mehrere Freitaler hatten bei Facebook zum Treffen neben dem „Goldenen Löwen“ aufgerufen. Ein Mann, der sich als Administrator von „Frigida“ ausgibt, hält nichts von „Spaziergängen“ nach Pegida-Vorbild. In Deutschland müsse wieder marschiert werden, kommentiert er bei Facebook. Er gibt sich durch eindeutige Bilder und Sprüche als Neonazi zu erkennen und posiert mit Schusswaffen.

Während in der vergangenen Woche die Rassisten versuchten, die Polizeiketten zu sprengen, hatten sich ca. 80 Menschen am Heim versammelt. Sie wollten die gerade in Freital angekommenen Flüchtlinge willkommen heißen. Mit dabei war das Freitaler Willkommensbündnis. Die Gruppe hat bereits in der Vergangenheit mit dezentral untergebrachten Geflüchteten Begegnungstreffen organisiert und versucht sie zu unterstützen. Die Heimleitung habe sich sich bislang noch schwergetan mit dem Gedanken, eine Zusammenarbeit mit den Bewohnern innerhalb des Heims zu erlauben. Das Bündnis blickt dem aber zuversichtlich entgegen. Auch die Betreuung im Heim sei besser als in den meisten anderen Unterkünften, so ein Mitglied der Gruppe.

Über die Solidaritätskundgebung habe er sich sehr gefreut, sagt ein junger Mann aus dem Kosovo, der an diesem Abend aus dem Fenster schaut und sich wundert, warum die Polizei da ist. Er und einige seiner Landsleute zählen zu den Bewohnern des Heims. Sie wissen nichts von der Demonstration. Vor ein paar Tagen seien aber schon einmal Menschen auf dem Grundstück gewesen und hätten Parolen gerufen. Andere Aktionen der Rassisten blieben ihnen bislang erspart. Warum die Leute gegen die Geflüchteten demonstrieren anstatt mit ihnen zu sprechen, verstehen sie nicht. Schließlich wollen die Bewohner das Heim auch nicht. Ihr größter Wunsch ist es derzeit, arbeiten zu dürfen und nicht vom Staat abhängig zu sein. Das Personal sei zwar freundlich, aber auf Dauer hier abgeschottet sein, das möchten sie nicht. Anspruch auf einen Deutschkurs hätten sie noch nicht und arbeiten sei ihnen auch noch nicht erlaubt.

Ein Mann, der deutsch spricht, sitzt bei ihnen. Seit mehreren Jahren lebe er bereits in Freital, erzählt er. Regelmäßig besucht er seine Landsleute im Heim. Dass die Stadt bislang die einzige in der aktuellen Anti-Asyl-Welle ist, in der die Demonstrierenden auch unter Einsatz von Gewalt versuchten, zum Heim zu gelangen, verwundert ihn nicht. Obwohl er optisch kaum als Migrant zu erkennen ist, erlebe er immer wieder Anfeindungen im Alltag. Viele Bürger hier seien frustriert und fühlten sich abgehängt. Da suche man sich leicht einen Schuldigen, so seine These. Er hofft, dass die Freitaler mit den Flüchtlingen reden und ihre Situation verstehen, anstatt gegen sie auf die Straße zu gehen.